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Alte Fotos auf Dachboden in Polen gefunden

Eugeniusz Rataj möchte sie der deutschen Familie geben, die bis 1945 hier lebte und wie seine Eltern vertrieben wurde.

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© Matthias Weber

Von Holger Gutte

Oberullersdorf. Was ist aus der deutschen Familie auf diesen beiden Fotos geworden? Eugeniusz Rataj wüsste es nur zu gern. Zusammen mit seiner Frau Wiktoria und den Kindern wohnt er in der ehemaligen Schule von Oberullersdorf – dem heutigen Kopaczów, das mittlerweile zur Gemeinde Bogatynia in Polen gehört. 1998 ist er in das Haus eingezogen und hat die Wohnung im Obergeschoss gekauft. „Irgendwann packte ihn mal die Neugier und er sah sich die ausgesägte Stelle des Holzfußbodens auf dem Dachboden genauer an. Darunter befand sich zweifellos ein Versteck, das vermutlich die hier lebende deutsche Familie kurz vor der Vertreibung 1945 angelegt hatte. Doch beim Öffnen des Fußbodens war es fast leer. Lediglich zwei alte Fotografien sind noch darin gewesen.

Diese Fotos wurden auf dem Dachboden gefunden

Lediglich Juli 1910 steht auf diesem Foto, das in einem Versteck auf dem Boden der Schule gefunden wurde.
Lediglich Juli 1910 steht auf diesem Foto, das in einem Versteck auf dem Boden der Schule gefunden wurde.
Auf den Juni 1920 ist dieses Foto handschriftlich datiert. Wer weiß etwas darüber, fragt sich der Finder?
Auf den Juni 1920 ist dieses Foto handschriftlich datiert. Wer weiß etwas darüber, fragt sich der Finder?
So sieht die alte Schule von Oberullersdorf/Kopaczów – nur ein paar Kilometer von Zittau – entfernt, heute aus.
So sieht die alte Schule von Oberullersdorf/Kopaczów – nur ein paar Kilometer von Zittau – entfernt, heute aus.

Darauf könnte die damalige Schulleiterfamilie abgebildet sein, vermutet auch Maria Marciniak. Sie hatte Eugeniusz Rataj jetzt angesprochen, weil er die Hörnitzerin als Dolmetscherin und Gästeführerin in der Euroregion Neiße kennt. Weil er kein Deutsch spricht, wusste er jahrelang nicht, an wen er sich wenden sollte. Denn wegschmeißen wollte er die Fotos nicht. „Vielleicht gibt es noch Nachfahren der Familie und die würden sich über die Fotos freuen“, sagt der 59-Jährige. Eugeniusz Rataj engagiert sich seit einigen Jahren in der Kirchgemeinde und einem Verein, der sich mit der Ortsgeschichte von Oberullersdorf/Kopaczów befasst – vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Familie ist 1945 auch vertrieben worden. Die Heimat seiner Eltern liegt nun in der Westukraine. Schon vor einigen Jahren hat er angefangen, die Geschichte seiner Familie aufzuschreiben, und hat dafür sogar im Emigranten-Archiv der USA recherchiert. „Ich bin auch in Galizien gewesen, wo wir eigentlich herkommen“, erzählt er. Dort, in der heutigen Westukraine, hat er die Geschichte seines Opas und Vaters erfahren. Einige entfernte Verwandte leben noch dort. Und er hat auf dem Dachboden Dokumente und den handgeschriebenen Lebenslauf seines Großvaters gefunden. „Das ist Geschichte. Die müssen wir doch retten vor dem Vergessen für die nächsten Generationen“, sagt er.

Genauso wie er nach seiner Familiengeschichte forscht, sind vielleicht auch die deutschen Vertriebenen an ihrer interessiert, meint Eugeniusz Rataj. So wie Maria Marciniak vermutet er, dass ursprünglich noch mehr in dem Versteck auf dem Dachboden lag. Denn es muss schon mal geöffnet worden sein. Neben den beiden Fotos lag noch eine polnische Zigarettenschachtel, wie es sie nach dem Krieg gab.

Bis Ende 1974 ist die ehemalige Oberullersdorfer Schule auch in Kopaczów Schule gewesen. Danach wurde sie schrittweise geschlossen. Wiktoria Rataj ist hier bis zur 4. Klasse zur Schule gegangen. Heute wird noch ein Zimmer im Erdgeschoss als Clubraum für den 340 Einwohner zählenden Ort genutzt. An die ehemalige deutsche Schule erinnert nichts mehr. Es gibt weder Dokumente noch Möbel von damals.

Vielleicht lassen sich mit der SZ in Deutschland Verwandte von den Leuten auf den Fotos finden? „Wenn sich jemand meldet, den lade ich zum Grillen und Wodka ein“, sagt er. Dank der Hilfe von Uwe Kahl, dem Sachgebietsleiter des Wissenschaftlichen und Heimatgeschichtlichen Altbestandes der Weise-Bibliothek in Zittau sind die Namen der Lehrer der Oberullersdorfer Schule ermittelt worden. (mit mm)