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Als wäre Hauptmann nur kurz weg

Bestseller-Autor Hans Pleschinski stellt sein Hauptmann-Buch vor – im Wohnhaus des Dichters.

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© Ars Augusta

Von Sebastian Beutler

Görlitz. In Görlitz gab es Wein, in Jagniatkow die historische Kulisse: Innerhalb von 24 Stunden las Hans Pleschinski zweimal aus seinem Roman „Wiesenstein“. Auf Einladung der Kulturreferentin für Schlesien und des Görlitzer Senfkorn-Verlages. Während in Görlitz Pleschinski vor allem den Anfang des Romans mit der Fahrt Hauptmanns im Frühjahr 1945 gegen die Flüchtenden von Dresden ins Riesengebirge im Mittelpunkt stand, konzentrierte er sich in der Hauptmann-Villa in Jagniatkow, dem früheren Agnetendorf, auf die Passagen, in der sie eine große Rolle spielte. Eine Berliner Reisegruppe hatte der Senfkorn-Verlag für die Lesung ins Riesengebirge gebracht, sodass auch in der Paradieshalle mehr als 70 Zuhörer lauschten, für die die Museumsmitarbeiter bis kurz vor Beginn der Lesung unermüdlich Stühle ranschleppten. Der Görlitzer Verein Ars Augusta mit seiner Vorsitzenden Eleni Ioannidou hatte sich um die musikalische Begleitung gekümmert und veranstaltete am nächsten Tag im Hauptmann-Haus in Schreiberhau gleich die nächste Lesung.

Aufregend sei es, in der Villa Wiesenstein zu lesen, berichtete Pleschinski, von dessen Roman der Münchner Beck-Verlag bereits die dritte Auflage auf den Markt gebracht hat. Er reise praktisch in seinen Roman zurück. Nur einmal besuchte er das Hauptmann-Haus während des Schreibens an seinem Buch. Viel originales Interieur aus Hauptmanns Zeit ist dort nicht enthalten. Vor allem aber im Arbeitszimmer gibt es noch den schweren Schreibtisch und Hauptmanns Chaiselongue, auf der er auch gestorben ist, eine Leihgabe des Schlesischen Museums. In den vergangenen Jahren hat die Museumsleitung von Villa Wiesenstein versucht, den Charme des Kinderheimes zu zerstreuen, als das es bis 1997 genutzt wurde, und stattdessen an die Zeiten des großen Hausherrns, der hier von 1901 bis zu seinem Tode 1946 lebte, anzuknüpfen. Das gelingt in der Paradieshalle am besten, die faszinierend von Maximilian Avenarius für Hauptmann ausgemalt worden war. Und in dem Kapitel „Gewölbestunde“ macht Pleschinski die Villa zum Gegenstand seiner Erzählung. „Das Blau im Gewölbe blieb der stärkste Eindruck. Die Decke war ein blaues Firmament“, las er vor und schon richteten die Zuhörer wie auf ein imaginäres Kommando ihre Blicke nach oben: Tatsächlich, die Decke ist ganz blau. Diese Unmittelbarkeit von Erzählung und Wirklichkeit machte die Lesung von Pleschinski in der Villa Wiesenstein zu einem großen Erlebnis. Er selbst konnte sich diesem Eindruck auch nicht entziehen: „Es ist doch schön, dass wir hier an der Kultur teilhaben können, die Hauptmann geschaffen hat.“ Auch für die Berliner Gäste war es ein ganz besonderes Erlebnis. Sie sei das erste Mal hier gewesen, erzählte eine Besucherin, und habe gar nicht gewusst, wie nah von Berlin aus und wie großartig die Villa sei. Das fand auch Pleschinski, der bereits ein Buch über Thomas Mann geschrieben hatte und nun gefragt wurde, wer der Bessere gewesen sei. Er listete die Vorzüge und Nachteile beider auf und kam zu dem Schluss: „Schön, dass wir beide haben.“