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Alles begann mit einem Loch im Zaun

Seit zehn Jahren beleben junge Görlitzer das alte Kühlhaus wieder. Dabei suchten sie damals nur eine Halle für Partys.

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© nikolaischmidt.de

Von Susanne Sodan

Görlitz. Ein Sofa hängt von der Decke, umfunktioniert zur Hollywood-Schaukel. Ein Oma-Lampenschirm baumelt von wenig heimeligen Stahlträgern. Direkt ins Bodenfundament ist eine hölzerne Sitzecke eingelassen. Von „fertig“ kann noch keine Rede sein. Aber zum 10-jährigen Jubiläum wollen die Macher vom Kühlhaus in Weinhübel einen Einblick geben in ihr aktuelles Tun und die Zukunftspläne. Dieses Jahr ging es bei ihnen vor allem um das Gelände hinter dem eigentlichen Kühlhaus-Riesenbau. Dort stehen drei Baracken, zwei Lagerhallen und eine Garagenreihe. Die groben Pläne für die künftige Nutzung stehen, und mit einigen ersten Arbeiten wollen die Kühlhäusler skizzieren, was wie aussehen könnte. Ansehen kann man sich das heute und am Wochenende: Das Kühlhaus feiert sein Zehnjähriges, mit Konzerten, Theater, Führungen, Programm für Kinder. Den Auftakt macht heute Abend die Band Agend Glasgow.

Fünf Freunde entdeckten auf der Suche nach einer Partylocation ein riesiges Gebäude mitten im Wald und stiegen durch ein Loch im Zaun ... So beschreiben die Kühlhäusler den Anfang der Geschichte auf ihrer Website. So war es wirklich, sagt Danilo Kuscher. Die fünf Freunde waren er, Enrico Merker, Jürgen Krause, Andreas und Heiko Mantel. Um 2006 herum wollten sie gerne Elektropartys veranstalten, suchten in Görlitz und Umgebung nach einer geeigneten Halle und stießen auf das Kühlhaus in Weinhübel, das in den 50er Jahren gebaut wurde. 2006 war es schon lange nicht mehr in Betrieb. Durch ein Loch im Zaun kletterten die Freunde nicht nur das eine Mal, sondern häufig. Und verließen das Gelände mit immer mehr Ideen. Damals gehörte das Kühlhaus zu einem Dresdner Kühlhaus-Betreiber. Mit Geduld über viele Monate kamen sie schließlich auch an den eigentlichen Besitzer der Weinhübler Immobilie ran, Hans van Leeuwen. Er bot den jungen Männern aber weder Kaufvertrag noch Schenkung an, sondern seine Unterstützung.

„Die ersten Jahre haben wir eigentlich nur aufgeräumt“, erzählt Kuscher. Im Kühlhaus selber waren nahezu alle Kabel abgeschnitten, Türen herausgebrochen, „der Vandalismus war verheerend“. Draußen sah es nicht besser aus, im Grunde eine Mülldeponie, sagt Kuscher. Drinnen legten sie neue Strom- und Wasserleitungen, draußen war dann das Beachvolleyballfeld eine der ersten verwirklichten Ideen. „Am Anfang haben wir viel im Versteckten agiert.“ Und manchmal ein bisschen im Illegalen – mit den ersten kleinen, aber eben nicht angemeldeten Partys. „Natürlich bekam auch das Bauamt mit, dass beim Kühlhaus was im Gange war.“ Die Verwaltung forderte die Kühlhäusler schließlich auf, ihre Hausaufgaben zu machen, also die Anträge für Baugenehmigungsverfahren und Umnutzung einzureichen.

Vieles ist inzwischen passiert, aus fünf Kühlhäuslern wurde ein Verein, der derzeit 36 Mitglieder hat. Regelmäßig gibt es Konzerte, andere Veranstaltungen, Kreativ-Workshops. Im Kühlhaus und den Nebengebäuden entstanden unter anderem unterschiedlich große Veranstaltungsräume, eine Skaterhalle, die derzeit noch auf Bauabnahme wartet, Werkstätten für Kreative und Handwerker. Danilo Kuscher sieht das Kühlhaus heute vor allem als einen Ort für junge Familien und junge Erwachsene.

Die meisten bisher umgesetzten Ideen waren sogar schon in den ersten Konzepten erhalten. Andere Vorhaben der ersten Stunde entpuppten sich als unrealistisch. „Wir hatten mal vor, unterm Dach Wohnungen für uns auszubauen“, erzählt Danilo Kuscher. Abgesehen von vielen anderen Schwierigkeiten wären das dann nur Sommerwohnungen gewesen. Klar, Kälte kann das Kühlhaus gut speichern, aber Wärme nicht. „Das mussten wir auch erst mal rausfinden.“ Ein Projekt, das eingestellt werden musste, war das Moxxom-Festival in Hagenwerder. Der Aufwand wurde zeitlich und auch finanziell zu groß. Bei all ihren Vorhaben hat der Besitzer die Kühlhäusler immer sehr unterstützt, mit mittlerweile rund einer halben Million Euro, schätzt Danilo Kuscher. Ein großes Glück sei es gewesen, als das Kühlhaus für zwei Jahre die „Neulandgewinner“-Förderung der Robert-Bosch-Stiftung erhielt. Damit konnten viele Veranstaltungen finanziert werden. Auch andere, kleine Förderungen bekam das Kühlhaus immer mal wieder, der größte Dank aber gebühre den ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern, sagt Danilo Kuscher. „Hier stecken Tausende ihrer Arbeitsstunden drin“, sagt er.

Wichtig sei nun aber auch, dass es nicht nur den Ehrenamtsbetrieb gibt, „sondern, dass wir auch ein wirtschaftliches Standbein entwickeln, um die Kultur querzufinanzieren.“ Darum geht es teils auch bei der künftigen Nutzung der Garagen, Baracken und Lagerhäuser hinter dem Kühlhaus. Aus den Garagen sollen kleine Hostel-Zimmer werden. Ein kleiner Campingplatz läuft bereits auf Probe, in einer der Baracken sollen Atelierzimmer für kreative Görlitz-Besucher entstehen. Tourismus und daneben kulturelle Angebote, das könnte gut passen, findet Danilo Kuscher.

10 Jahre Kühlhaus, 7. bis 9. September, Programm unter www.kuehlhaus-goerlitz.de