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Abschlepp-Posse am Theaterkahn

Punkt 8 Uhr am Donnerstagmorgen sollte das Schubschiff „Domarin 10“ am Theaterkahn andocken – was misslang. Stunden später nahte Rettung aus dem Alberthafen.

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© Sandro Rahrisch

Von Sandro Rahrisch

Dresden. Theaterkahn-Intendant Holger Böhme wird ein gutes Drama zu schätzen wissen. Doch der vorerst letzte Akt auf dem Schiff dürfte selbst für ihn eine Spur zu theatralisch gewesen sein. Zumindest konnte die „Marion“, so der Taufname des Theaterkahns, am Donnerstagmorgen nicht reibungslos in die Laubegaster Werft geschleppt werden.

Die Reise des Theaterkahns

Im Visier der Wasserschutzpolizei dockt das Schubschiff „Alberthafen“ am Theaterkahn an.
Im Visier der Wasserschutzpolizei dockt das Schubschiff „Alberthafen“ am Theaterkahn an.
Zuvor klappte es nicht so gut: Verheißungsvoll nähert sich das Schubschiff „Domarin 10“ seinem Ziel.
Zuvor klappte es nicht so gut: Verheißungsvoll nähert sich das Schubschiff „Domarin 10“ seinem Ziel.
Erste Annäherungsversuche zwischen „Domarin 10“ und dem Theaterkahn sehen noch ganz gut aus.
Erste Annäherungsversuche zwischen „Domarin 10“ und dem Theaterkahn sehen noch ganz gut aus.
Aus der Nähe betrachtet erkennen die beiden Crews dann das Größen-Dilemma: Die Schiffe passen nicht zusammen.
Aus der Nähe betrachtet erkennen die beiden Crews dann das Größen-Dilemma: Die Schiffe passen nicht zusammen.
Die „Alberthafen“ kam als passender Ersatz - und nähert sich hier sanft ihrem Ziel.
Die „Alberthafen“ kam als passender Ersatz - und nähert sich hier sanft ihrem Ziel.
Während auf der Wasserseite die Schiffe verbunden werden, lösen Arbeiter die Stege an Land.
Während auf der Wasserseite die Schiffe verbunden werden, lösen Arbeiter die Stege an Land.
Blick auf das Geschehen an der Elbe.
Blick auf das Geschehen an der Elbe.
Brücke ab, Schotten dicht - der Theaterkahn konnte am frühen Nachmittag endlich ablegen.
Brücke ab, Schotten dicht - der Theaterkahn konnte am frühen Nachmittag endlich ablegen.
Dann konnte er die Reise zur Laubegaster Werft mit passender Unterstützung antreten.
Dann konnte er die Reise zur Laubegaster Werft mit passender Unterstützung antreten.

„Wir sind gerade ratlos“, sagt Böhme. Es ist 10 Uhr. Eigentlich sollte die schwimmende Bühne längst vom Terrassenufer abgelegt haben. Reparaturen sind nötig. Die letzte Wartung in der Elbe-Werft ist schon fünf Jahre her. Wie sich vor wenigen Minuten herausgestellt hat, passen „Marion“ und das Schubschiff „Domarin“ aber so gar nicht zueinander. Das Heck der 100 Jahre alten Dame macht Probleme. Nicht, dass es zu ausladend wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Nach wochenlangen Planungen hätte damit niemand gerechnet. Und so muss „Domarin“ wieder weggeschickt werden. „Es wäre eine Katastrophe, wenn das heute nicht klappt“, sagt Holger Böhme. Man habe Werftzeiten gebucht. „In Laubegast sind die Arbeiten fest eingeplant.“ Sollte sich alles verschieben, droht auch der Spielbeginn am 17. Mai zu platzen. Musiker Thomas Stelzer hat sich angekündigt. Der Kartenverkauf hat bereits begonnen.

Eine Hoffnung hat Böhme noch. Im Alberthafen soll ein zweiter Schlepper liegen. Einer, der passt. „Wir wissen aber noch nicht, ob er auch verfügbar ist.“ Fast eineinhalb Stunden muss sich der Intendant gedulden. Dann taucht am Horizont, weit hinter der Marienbrücke, der Retter in der Not auf. Das Schubschiff „Alberthafen“ eilt dem Theaterkahn elbaufwärts zu Hilfe. Tatsächlich macht „Marions“ Heck diesmal keine Probleme. Jetzt, als alles klar ist, macht sich ein Kran an die Arbeit, zieht die Ankerketten an Land und hievt die drei Stege ans Ufer. Ein Schleppschiff des Wasser- und Schifffahrtsamtes setzt sich an den Bug, sodass der Kahn nun eingekesselt ist und nicht so einfach davondriften kann.

Gäbe es das Theater nicht, möglicherweise wäre der Kahn längst verschrottet worden. Im Schiff ist das Dresdner Brettl beheimatet. Das Theater gibt es seit 1988. Nach der Wende musste sich die Bühne eine neue Spielstätte suchen. Im Dresdner Hafen fand man einen verrosteten Lastenkahn – Baujahr 1918. Bis Anfang der 1990er-Jahre wurden darauf Getreide, Erze und Kohle auf der Elbe transportiert. Für vier Millionen D-Mark ist der Kahn schließlich umgebaut worden. Heute haben hier 216 Zuschauer Platz.

Kurz vor 13 Uhr spannt sich das Tau zwischen Schleppschiff und Theaterkahn. Es ist so straff, dass man denken könnte, ein Stahlrohr verbinde die beiden. Zunächst wird „Marion“ parallel zum Ufer in die Fahrrinne gezogen. Dann nimmt der Verband mit voller Kraft Kurs nach Laubegast – vorbei an der Brühlschen Terrasse, hindurch durch die Waldschlößchenbrücke und vorbei am Fernsehturm. Knapp zwei Stunden kämpft sich das Gespann gegen den Strom, bevor es die Schiffswerft erreicht. Dort holen es Mitarbeiter über die Slipanlage ins Trockene. Für Holger Böhme endet die große Fahrt auf der Elbe also doch noch mit einem Happy End.

Fünf Wochen wird der Kahn kein Wasser unterm Kiel haben. In Laubegast stehen jetzt umfangreiche Arbeiten an: Vor allem der Schiffsboden hat in den letzten Jahren gelitten. Ihn zu erneuern, wird am meisten kosten. Im Garderobenbereich wird der Boden ganz herausgerissen. Außerdem soll die Beleuchtung im Foyer auf Vordermann gebracht werden. Auch Malerarbeiten sind geplant. Insgesamt soll die Wartung eine sechsstellige Summe kosten. Wenn alles gut geht, bekommt der Theaterkahn die TÜV-Plakette diesmal für zehn Jahre.