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Abschied vom „wendischen Naivling“

Detlef Kobjela gehörte zu den wichtigsten sorbischen Komponisten. Am 18. Mai verstarb er in Bautzen.

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© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach

Bautzen. Bleistift, Radiergummi, Lineal und Notenpapier - das waren Detlef Kobjelas Komponier-Utensilien. Große Bühnenwerke wie kleine Kunstlieder entstanden so am Klavier in seinem Bautzener Haus. Ab den 1970er Jahren prägten seine Schöpfungen aus Noten die sorbische Musiklandschaft in der Nieder- und Oberlausitz. „Das Leben entwickelt sich eben“, sagte der „wendische Naivling“ über die vielen Stationen, Abzweigungen, vielleicht auch Irrwege in seiner Biografie selbst. Am 18. Mai verstarb Detlef Kobjela.

Sein Lebensabenteuer begann am 7. April 1944 in dem kleinen Ort Willmersdorf in der Nähe Cottbus‘. Die Einheimischen sagen seinerzeit noch Rogozno. Der Vater betreibt eine kleine Bäckerei. Im Laden hilft der Sohn nicht nur früh, er schnappt sein erstes sorbisches Vokabular auf, lernt so ganz nebenbei die Sprache seiner Großmutter. Zuhause geht Detlef Kobjela auch seine ersten musikalischen Schritte. „Schon früh begleitete mich ein innerer Zwang, mich kompositorisch auszudrücken“, sagte der Bautzener einmal in einem Interview.

Die ersten kleinen Stücke entstehen bei langweiligen Theorieaufgaben während des Klavierunterrichts. Auf der Sorbischen Oberschule in Cottbus erkennt er, dass das Komponieren und die kulturell wie mental besondere Nationalität sein Fundus sind. Doch er verliert seine Leidenschaft aus dem Blick. Stattdessen geht er zum Pädagogikstudium mit der Fächerkombination Deutsch und Musik nach Berlin. Bei einer Tournee mit dem alten Oberschulchor in der Slowakei lernt er seine Frau kennen. Sie wird seine Muse.

Mütze war sein Erkennungszeichen

Das Komponieren wird ihm nun zum Handwerk. Seine Profession führt ihn schließlich 1980 von Cottbus nach Bautzen. Der zweifache Vater folgt dem Ruf des Staatlichen Ensembles für sorbische Volkskultur, dem heutigen Sorbischen National Ensemble. Er wird Chefmusikdramaturg. Die Mütze, die sein untrügliches Erkennungszeichen war, wird, in dieser Zeit zu seinem Talisman. Ursprünglich soll sie nur dazu dienen, die langen Haare zu bändigen. Nach der politischen Wende 1990 übernimmt er als Intendant die Leitung des Dreispartenhauses. Bis 1995 leitet Kobjela die Institution.

Dann sehnt er sich zurück in die freischaffende Kreativität – mit Bleistift, Radiergummi, Lineal, Notenpapier und seiner Muse. Der „Komponist ohne avantgardistische Ambitionen“ verknüpfte in seinen Werken Strukturen zeitgenössischer Musik mit den Musiktraditionen seiner sorbischen Heimat. Sein Schaffen beinhaltet nahezu alle musikalischen Gattungen, darunter Film- und Chormusik.

Dabei ließ er sich immer wieder auf neue musikalische Abenteuer ein. Erst im Alter von 65 Jahren schrieb er seine erste Operette. Sie feierte 2009 am Bautzener Theater Premiere. Seine Kompositionen gehören bis heute zum festen Orchester-Repertoire des Sorbischen National-Ensembles. Zuletzt brachte er Noten für Gitarre, Akkordeon und Orgel aufs Papier – immer getreu seinem Motto „Das Leben entwickelt sich eben“.