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Abgucken von den Olympiasiegern

Louisa Lippmann ist Deutschlands beste Volleyballerin. Trotzdem trainiert sie extra.

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© nordphoto/Kurth

Von Michaela Widder

Eigentlich ist sie kein großer Freund von Statistiken. Schließlich ist es der Job einer Hauptangreiferin, Punkte zu machen. Doch ein Wert freut Volleyballerin Louisa Lippmann bei der Weltmeisterschaft in Japan dann doch besonders. Im Moment zählt sie zu den Top drei Aufschlägerinnen, hat im Turnier schon elf Asse gemacht.

„Das ist verrückt, weil ich kurz vor der WM am Verzweifeln war“, erzählt die 24-Jährige mit einem Schmunzeln. Im Team wurden schon Witze gemacht, weil ihre Aufschläge jenseits des Feldes landeten. „Also entweder knalle ich die Zuschauer ab, oder wir müssen das Netz abbauen.“ In Japan gehört Lippmann plötzlich zu den Besten, ausgerechnet in diesem Element, und auch im Angriff zählt sie bei der WM schon zu den Top fünf der Welt.

Louisa Lippmann ist längst nicht mehr das Talent, das das Volleyball-Magazin mal als „das größte Versprechen im deutschen Frauen-Volleyball“ beworben hatte. Sie hat sich auf den Weg gemacht zu einer Topspielerin – mindestens in Europa. Der Schritt in die italienische Liga, eine der besten der Welt, ist ein logischer – nach zuvor sechs Jahren in der Bundesliga, erst Münster, dann Dresden und die vergangenen beiden Jahre Schwerin. „Das ist immer mein Traum gewesen. Ich freue mich unwahrscheinlich, dass sich die harte Arbeit ausgezahlt hat“, sagt sie. Wann der Umzug nach Florenz und zu ihrem neuen Klub Bisonte Firenze genau geplant ist, hängt vom Abschneiden der Deutschen in Japan ab.

Zum Auftakt der Zwischenrunde trifft die Auswahl am Sonntag auf Brasilien. „Wir haben das Team in diesem Sommer schon geschlagen und in der Vorrunde extrem guten Volleyball gespielt. Also ich halte einen Sieg nicht für ausgeschlossen.“ Ein Weiterkommen unter die sechs besten Teams ist dennoch eher unwahrscheinlich. Aus der verhältnismäßig jungen deutschen Mannschaft ragt nur eine Spielerin heraus, und das liegt nicht nur an Lippmanns 1,90 Metern. Sie verfügt über eine überragende Athletik, spielt mit enormer Explosivität.

„Es war ein Reifeprozess“

Dabei galt sie als Spätstarterin, begann erst mit 15 ernsthaft mit Volleyball, als sie ans Internat des USC Münster ging. 2014 wechselte die gebürtige Herforderin zum Dresdner SC, gewann mit dem Klub zweimal die Meisterschaft und 2016 sogar das Double. Doch auf ihrer Position war für die junge Lippmann an der Weißrussin Kristina Mikhailenko kein Vorbeikommen, was sie frustrierte. „Es war eine hochemotionale Zeit“, erinnert sie sich. „Aber vielleicht musste es so sein, damit ich jetzt dort stehe, wo ich bin. Es war ein Reifeprozess, und das alles gehört zu mir.“ Es habe viel Gutes in Dresden gegeben, vor allem die Erfahrung in der Champions League möchte Lippmann nicht missen.

In Schwerin blühte sie auf, wurde zweimal zur wertvollsten Spielerin der Liga gekürt und 2017 zur Volleyballerin des Jahres gewählt. Sie hätte schon früher den Schritt ins Ausland wagen können, zog aber nicht wie andere vorzeitig dem Geld hinterher. Eine gute Entwicklung ist ihr wichtiger und die Zeit jetzt reif für den Wechsel. Lippmann ist die Einzige aus dem Nationalteam, die nächste Saison im Ausland spielt.

Wie groß ihr Ehrgeiz und ihr Wille sind, in ihrem Sport oben anzukommen, beweist ihr ungewöhnlicher Weg. Seit Kurzem arbeitet sie zusätzlich mit Beachtrainer Jürgen Wagner zusammen, der 2012 Julius Brink und Jonas Reckermann und 2016 Laura Ludwig und Kira Walkenhorst zu Olympiagold geführt hat. Über deren Manager habe sie angefragt, ob sie bei den Frauen im Training mal „stilles Mäuschen“ sein dürfe. Beim Pokalfinale hat sich Lippmann dann mit Wagner das erste Mal zusammengesetzt. „Seine Philosophie hat mein Sportlerherz höher springen lassen.“

Seit dem Frühjahr gibt es die lose Zusammenarbeit. Als das Nationalteam im Sommer vier Wochen freihatte, traf sie sich einige Tage mit Wagner zum Techniktraining in Schwerin. „Selbstoptimierungsprojekt“ – so nennt Lippmann den Versuch, als Mannschaftssportlerin noch mehr an ihren individuellen Fähigkeiten zu arbeiten. Auch mit ihrem neuen Klub ist das Sondertraining abgesprochen. Doch erst einmal will sie im Süden ankommen.