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Abgehängt auf dem Dorf

Der Landkreis organisiert das Busfahren und schaut dabei wenig über die eigenen Grenzen.

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© Kristin Richter

Von Birgit Ulbricht

Kleinnaundorf. Vor zwei Jahren hat das Ehepaar K. ihr zweites Auto abgeschafft. Damit fing der ganze Schlamassel an. Denn die Beiden wohnen in Kleinnaundorf. Mit 345 Einwohnern ist es nicht einmal das kleinste Dorf, also eher ein typischer Ort im Großenhainer Land, nur liegt er eben im äußersten östlichen Zipfel des Landkreises Meißen, nur einen Sprung vom Landkreis Bautzen entfernt. Das ist genau der Punkt.

Denn ziemlich schnell musste Martha K. feststellen, dass Busfahren vor allem in Kreisgrenzen gedacht wird. Als sie die Verbindung nach Ottendorf-Okrilla ins Internet eingab, bekam sie für die sieben Kilometer sage und schreibe drei Stunden Fahrt angezeigt. „Was hat denn das mit Daseinsvorsorgen zu tun?“, fragte sie daraufhin bei der Verkehrsbehörde des Landkreises Meißen nach. Es könne doch nicht sein, dass die Eheleute, abgesehen vom Einkauf, Arztbesuch oder anderen Erledigungen, kaum am kulturellen Leben teilnehmen könnten, weil kaum ein Bus fährt.

Der Blick in den Bus-Fahrplan belehrt einen schnell, warum das so ist. „In der Schulzeit fährt wenigstens noch der Schulbus. An Wochenenden, Feiertagen oder in den Ferien sind wir hier aber abgehängt“, erzählt Martha K., denn dann fährt fast nichts mehr und wenn, dann gibt es zwischendurch Wartezeiten von bis zu vier Stunden.

Sie hat sich deswegen zunächst an die Gemeinde Thiendorf gewandt. Doch Bürgermeister Dirk Mocker verweist darauf, dass das Modell Anruflinienbus mangels Nachfrage wieder eingestellt wurde. Damit hätten sich die Möglichkeiten der Gemeinde schon fast erschöpft. Denn der Anrufbus sei schließlich auf nachdrücklichen Wunsch von Thiendorf installiert worden. Auch Schönfeld oder Lampertswalde sind mit diesem Modell gescheitert. Verbindungen schaffen ist deshalb ein wichtiges Thema für den grundzentralen Verbund, in dem sich Lampertswalde, Schönfeld, Thiendorf und Ebersbach jetzt zusammengefunden haben. Wege organisieren, heißt das Motto.

Was ist nachfragegerecht?

Der Landkreis hat auf die Anfrage von Martha K. sehr höflich, aber wie zu erwarten war, reagiert. Man biete seine Busverbindungen „nachfragegerecht und soweit im Rahmen der Daseinsvorsorge notwendig an“, schrieb Michael Tomeit vom Kreis. Allerdings sei die Nachfrage in dem 345-Einwohner-Ort eher gering, und spiegele sich daher in den Fahrzeiten der Buslinie 456 Großenhain-Sacka-Radeburg wieder, sodass eben an Wochenenden und Feiertagen kein Bus fahre.

An Schultagen sei Radeburg nach rund 20 Minuten erreichbar, nach weiteren 45 Minuten Fahrzeit kommt man nach Dresden. Nach Großenhain dauert es mit dem Schulbus anderthalb Stunden. Die besagten Wartezeiten sind freilich hier nicht eingerechnet. Der Busfahrende wird so wahrhaft zum Reisenden. Das gegenwärtige Fahrplanangebot der Linie 455 für die Bewohner von Kleinnaundorf und Tauscha wird von der Verkehrsgesellschaft Meißen mit seiner Taktzeit und seiner Anbindung an die Bahnhöfe in Großenhain, von wo es genügend Anbindungen nach Dresden gibt, als angemessen angesehen.

Dass es eigentlich unsinnig ist, nach Großenhain zurückzufahren, wenn der Bürger schon kurz vor der Dresdner S-Bahn wohnt, wird nicht betrachtet. Stattdessen heißt es: Den Bedarf für eine Buslinie sehe man nicht, denn „bei Ottendorf handelt es sich nicht um einen zentralen Ort.“ Dieser Satz hat Martha K. auf die Palme gebracht. Wer entscheide denn, ab wann genügend Nachfrage bestehe und wann nicht? Und wieso maße sich der Landkreis an zu entscheiden, dass die Bürger am Wochenende im Zweifelsfall nirgendwohin kommen? „Bevormundung der Landbevölkerung“ nennt sie das, was gegenwärtig praktiziert werde. Eine Bevormundung, die auch die Jüngeren treffe, die ständig irgendwohin gebracht werden müssen.

So mache man das Umland auch nicht für die Dresdner attraktiv.