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Abflug aus der Heimat

Skispringer Richard Freitag zieht die Konsequenz aus einem mäßigen Winter und verlegt sein Domizil von Sachsen nach Oberstdorf.

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© Eibner-Pressefoto

Von Michaela Widder

Als die deutschen Skispringer im Mixed-Wettbewerb Gold gewinnen, ist Richard Freitag außen vor. Als die Kumpels Andreas Wellinger und Markus Eisenbichler ein paar Tage später bei der Weltmeisterschaft über Silber und -Bronze jubeln, muss er wieder brav gratulieren. Und im Teamwettbewerb, als der Sachse seine besten Sprünge in Lahti ablieferte, geht das Quartett leer aus.

Die vergangene Saison war gewiss keine zum Vergessen, aber eine zum Nachdenken. Mal wieder. Freitag, der vor wenigen Jahren neben dem langzeitverletzten Severin Freund als größtes Versprechen des deutschen Skispringens galt, verschwand zuletzt ein wenig im Hintergrund. Der letzte seiner fünf Weltcupsiege liegt fast drei Jahre zurück. Der 13. Platz im Gesamtweltcup sei okay, meint er. Ausreißer nach oben? Bis auf einen dritten Podestplatz – Fehlanzeige. Seinen Ansprüchen genügen diese Ergebnisse nicht.

„Wir werden weiterhin alles tun, um ihm zum absoluten Durchbruch zu verhelfen“, sagt Bundestrainer Werner Schuster über seinen zuverlässigen Teamspringer. Freitag tüftelt jedes Jahr aufs Neue, um endlich weiter voranzukommen. Vor diesem Olympiawinter, der für die Skispringer am Freitag im polnischen Wisla beginnt, hat der 26-Jährige eine schwere Entscheidung getroffen und sein sportliches Domizil von Oberwiesenthal nach Oberstdorf verlegt. „Durch diese Veränderung erhoffe ich mir schon eine Weiterentwicklung. Ich möchte nicht nur sportlichen Nutzen daraus ziehen, sondern sehe den Ortswechsel auch als Aufgabe, an der ich persönlich wachsen kann“, sagt Freitag.

Damit verlässt der seit Jahren beste sächsische Springer den Bundesstützpunkt am Fichtelberg, was aber nicht an den Bedingungen liege, wie er sagt. Doch im Allgäu, wo viele Trainingsmaßnahmen stattfinden, kann er sich nun öfter mit den Besten wie Wellinger und Eisenbichler messen. Während der langen Verletzungspause von Überflieger Freund übernahm das Duo mehr und mehr die Führungsrolle.

Ende Juli ist Freitag aus der Sportler-WG mit Eric Frenzel ausgezogen und teilt sich in Oberstdorf eine Wohnung mit Nachwuchskombinierer David Welde. „Die Anfangszeit war schwierig, weil wir auch viel unterwegs waren“, meint er. Aber mittlerweile mag er seinen neuen Lebensmittelpunkt als „zeitweise sportliche Heimat“, auch weil seine kleine Schwester Selina mit umgezogen ist. Allerdings hatte Freitag darauf keinen Einfluss. Weil das Frauen-Skispringen ab sofort in Oberstdorf konzentriert wird, blieb der 16-Jährigen so gut wie keine andere Wahl.

Nachdem es für Freitag im Sommer-Grand-Prix „ähnlich bescheiden“ wie im Vorjahr lief, sieht er sich nun auf einem „höheren Level“ als 2016. Prognosen für den Winter seien dennoch schwierig, aber in den Trainingseinheiten zuletzt hatte der Sportsoldat ein gutes Gefühl. „Der Saisoneinstand ist nicht übertrieben wichtig, aber gut zu starten, macht es leichter für die nächsten Wettkämpfe.“ Sein erstes großes Ziel in der Olympiasaison ist ein guter Auftakt in die Tournee, was ihm bisher noch nie gelang. Da Oberstdorf nun seine Haus-Schanze ist, dürfte dies seine Chance erhöhen. In seiner neuen Wahlheimat findet Mitte Januar auch die Skiflug-WM statt.

Dass Klingenthal in diesem und sehr wahrscheinlich auch im nächsten Winter komplett aus dem Weltcupkalender gestrichen wurde, bedauert Freitag. „Das ist traurig. Aber Titisee ist auch ein guter Ausrichter, und ich kann es verstehen, dass sich beide Orte abwechseln. Der Wettkampfplan ist endlos voll.“ Der Höhepunkt soll im Februar Pyeongchang werden, zumal er an die Winterspiele von 2014 nicht die besten Erinnerungen hat. Für das Teamspringen in Sotschi, bei dem Deutschland Gold holte, war er nicht nominiert worden.

Auch ohne seinen Zimmerkollegen Freund, der nach seinem zweiten Kreuzbandriss am Comeback arbeitet, ist die Konkurrenz in diesem Winter groß. Für ein gutes Betriebsklima sorgt der Bundestrainer. „Das passt bei uns, man merkt es an der Stimmung. Da ist Leichtigkeit drin“, findet Freitag. Diese Leichtigkeit braucht er bei seinen Flügen.