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Aber bitte ohne Sahne!

Seit der Geburt der Tochter lebt ein Ehepaar vegan. Cremiges Eis war bislang tabu. Nun wollen sie genau dieses verkaufen.

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© Christian Juppe

Von Sarah Grundmann

Die einjährige Ida darf noch nicht von dem cremigen Eis kosten. Denn auf Zucker haben ihre Eltern Dunja und Max Schneider bei der Zubereitung nicht verzichtet. Dafür fehlt ein entscheidendes Detail, das eigentlich immer im Sahne-Eis zu finden ist – die Sahne. Denn seit der Geburt ihrer Tochter ernährt sich das Ehepaar vegan. Sie verzichten also nicht nur auf Fleisch, sondern auf alle tierischen Produkte, auch Ei und Milch.

„Als ich meine Tochter gestillt habe, war das für mich eine ganz intime, persönliche Erfahrung“, berichtet Dunja. „Ich habe mich plötzlich nicht mehr gut dabei gefühlt, Milch zu mir zu nehmen, die eigentlich für ein Junges bestimmt ist.“ Außerdem habe sie am eigenen Leib erfahren, wie anstrengend das Stillen ist. Die Vorstellung, dass Tiere Hormone bekommen, um diesen Zustand aufrechtzuerhalten, findet die junge Mutter grausam. Ihr Mann Max machte bei der Umstellung mit. Vegetarisch lebten beide schon länger. Trotz des zusätzlichen Verzichts habe nichts gefehlt – bis zu einem warmen Tag im März.

„Wir hatten Lust auf eine Kugel Eis“, erinnert sich Dunja. Fruchteis, das in der Regel vegan ist, sollte es aber nicht sein. Stattdessen sehnte sich das Ehepaar nach etwas Cremigem. Am besten mit Schokolade. Doch wo sollten sie dieses herbekommen? Zwar bieten einzelne Dielen auch vegane Eiscreme an. Oft schmeckt die aber sehr nach Soja. Also entschlossen sich die Neustädter, selbst aktiv zu werden. Eine Eismaschine war schnell gekauft.

Das richtige Rezept zu finden dauerte hingegen seine Zeit. Zu wässrig, zu soja-lastig, zu teuer. „Wir haben bestimmt 20 Versuche gebraucht“, sagt die Eis-Liebhaberin. Mittlerweile hat das Ehepaar aber ihre Rezeptur gefunden. Die genaue Zusammensetzung bleibt das Geheimnis der beiden. Freunde und Verwandte mussten probieren und waren begeistert – auch die Nicht-Veganer.

37 verschiedene Sorten haben Schneiders schon ausprobiert. „Und mindestens noch weitere 37 im Kopf“, sagt Dunja und lacht. Neben den Klassikern wie Schokolade und Vanille gibt es auch experimentelle Kreationen wie salzige Erdnuss, Zitrone-Thymian oder Erdbeer-Pfeffer. Vom eigenen Verzicht inspiriert, wollen die Neustädter nun die Sehnsüchte anderer Veganer stillen. Sie sammeln online Geld, um ihre Kreationen verkaufen zu können.

21 000 Euro wollen die jungen Eltern so zusammenbekommen. Auf eine teure Café-Einrichtung verzichten sie bewusst. Stattdessen soll die „Nicecream“ – wie Dunja und Max sie genannt haben – aus einem kleinen Kiosk oder Fensterverkauf serviert werden, auch ein Eismobil auf dem Alaunplatz sei denkbar. Um die Sommersaison mitzunehmen, soll es im April kommenden Jahres losgehen. Auch im Winter ist ein Angebot geplant: Dann gibt es hausgemachte Waffeln mit winterlichen Eissorten wie Glühwein oder Spekulatius.

Verwendet werden – wenn es möglich ist – fair gehandelte, regionale und Bio-Produkte. Die Besorgungen werden alle mit dem Lastenfahrrad erledigt. „Unser Eis ist halt ein bisschen weniger Sünde“, sagt Max, und ein Schmunzeln umspielt seine Lippen. Deshalb hofft die kleine Familie auch, dass nicht nur Veganer zum Kosten kommen. „Dafür muss aber wahrscheinlich ein Umdenken stattfinden“, fürchtet Dunja. Sie hat während ihres Studiums gekellnert. Den Satz: „Das ist vegan, das kann ich nicht essen“ habe sie sehr oft gehört.

Dabei nimmt die Zahl der Veganer zu. „Laut einer Befragung des Marktforschungsinstituts Skopos ernähren sich aktuell 1,3 Millionen Menschen in Deutschland rein pflanzlich. Das sind rund 1,6 Prozent. Vor drei Jahren waren es 900 000 vegan lebende Menschen“, erklärt Wiebke Unger, Sprecherin des Vegetarierbundes (Vebu) Deutschland. Sie ist sich sicher, dass dieser Trend weiter zunehmen wird. Mit der Nachfrage steigt indes das Angebot. Viele Gastronomen bieten auf ihrer Karte vegane Gerichte an. So auch Tino Neumann, Leiter der Grünzeugs-Filiale auf der Rähnitzgasse. Er hat schon seit Längerem einen veganen Wrap im Angebot, weist aber erst seit Kurzem darauf hin. „Seitdem haben die Bestellungen zugenommen.“

Rein vegane Lokale sind in Dresden hingegen noch selten. „In Dresden zählen wir aktuell 4 vegane und 14 rein vegetarische Restaurants“ so Unger. Im Vergleich dazu: In Leipzig sind es zehn, in der Metropole Berlin sogar 48 vegane Restaurants. In Dresden werden Veganer nur in der Neustadt fündig – der Falsche Hase, das Steffenhagen, der Dicke Schmidt sowie das vegane Café v-cake befinden sich allesamt in dem Ortsamt. Bald könnte es dort Nicecream geben. „Manche Produkte wie Fleischalternativen gibt es schon länger. Lebensmittel wie veganer Käse oder Süßes , stehen noch am Anfang. Veganes Eis ist daher sehr gefragt“, schätzt Unger die Chancen ein.

www.facebook.com/veganEis/

www.startnext.com/nicecream