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Ab auf die Ruine

Heute Aussichtspunkt, war die Wehlener Burgruine lange nur ein bewaldeter Hügel. Zu tun gibt es nach wie vor viel.

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© Steffen Unger

Von Yvonne Popp

Stadt Wehlen. Sonnabendmorgen um neun in Stadt Wehlen. Die Sonne ist noch nicht hinter den Wolken hervorgekrochen. Auch die meisten der Anwohner sitzen wahrscheinlich noch daheim am Frühstückstisch. Nur ab und an kommt schon jemand über den Marktplatz geschlendert. Einzig das Geräusch eines Benzinmotors trübt die morgendliche Idylle.

Höhenangst kennt Hasso Gantze nicht. Um die südlichen Stützpfeiler der Burgruine Wehlen vom Efeu befreien zu können, muss der Bergsteiger sein Gurtzeug anlegen und sich über das Geländer abseilen.
Höhenangst kennt Hasso Gantze nicht. Um die südlichen Stützpfeiler der Burgruine Wehlen vom Efeu befreien zu können, muss der Bergsteiger sein Gurtzeug anlegen und sich über das Geländer abseilen. © Steffen Unger

Von wo sie herkommt, ahne ich bereits, denn ich bin nicht ohne Grund an diesem Morgen in meine alte Heimat gefahren. Die Wehlener Burgfreunde haben nämlich zu einem ihrer Arbeitseinsätze an der Burgruine aufgerufen, und als ich zu den alten Mauern hinaufschaue, entdecke ich tatsächlich schon einen Mann, der abseits der Aussichtsplattform mittels einer Motorsense dem wuchernden Grün zu Leibe rückt. Über die kleine Gasse neben dem Café Marktstübchen gehe ich zum Schlossberg, von dem aus ich über die Treppen die Burgruine erklimme.

Oben angekommen zeigt sich, dass der Mann mit der Motorsense der Stadt Wehlener Bürgermeister Klaus Tittel (CDU) ist. Neben ihm macht sich bereits Hasso Gantze für seinen Einsatz startklar. Mit routinierten Griffen legt der Bergsteiger sein Gurtzeug an. Als ich frage, was er damit vorhat, deutet er auf die drei südlichen Stützpfeiler der Burgruine. Diese sind voller Efeu, und der muss entfernt werden. „Eigentlich hatten wir diese Aufgabe für dich vorgesehen“, meint Hasso Gantze dann trocken. Als er mein entsetztes Gesicht sieht, muss er lachen. Ich glaube aber, dass er diese Arbeit nur sehr ungern an mich abgetreten hätte, denn als er sich über das Geländer schwingt und sich dann lässig am Pfeiler herabgleiten lässt, sieht man, wie viel Spaß ihm das macht.

Währenddessen treffen immer mehr freiwillige Helfer auf der Burgruine ein. Sie alle gehören zur Interessengemeinschaft Burgruine. „Ein Verein sind wir aber nicht“, erklärt mir der Bürgermeister. Den ganzen Verwaltungsaufwand habe man sich sparen wollen. Und so sei eben ein lockerer Zusammenschluss von Wehlenern entstanden, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Burgruine wieder zu einem Ausflugsziel zu gestalten.

Seit Anfang 2017 sind die Burgfreunde regelmäßig auf der Ruine zugange. Bis heute haben sie viel erreicht. So befreiten sie das gesamte obere Areal von Bäumen, aus deren Stämmen sie wiederum Sitzgelegenheiten schufen. Dazu wurde ein Fahnenmast aufgestellt, der das Plateau der Ruine als Aussichtspunkt kennzeichnet. Auch die Geländer bekamen einen neuen Anstrich.

„Die Teilnehmerzahl zu den Arbeitseinsätzen schwankt immer etwas“, sagt Klaus Tittel. „Mal sind es 15 Leute, mal aber auch nur fünf.“ Insgesamt elf werden es an diesem Sonnabend sein. Aber im Gegensatz zu den Männern, die fast alle mit schwerem Gerät an teilweise recht steilen Hängen gegen den üppig wachsenden Hartriegel kämpfen, arbeiten die Frauen an weit weniger gefährlichen Stellen.

Ich geselle mich zu Elke Schmöller. Auch sie kommt regelmäßig zu den Arbeitseinsätzen auf die Burgruine. Bestens ausgerüstet mit allerlei kleinen Gartenmessern, Hacken und Schaufeln, entfernt sie heute das Unkraut auf der Aussichtsplattform. Reichlich zwei Stunden arbeiten wir zusammen. Während die Sonne langsam durch die Wolken bricht und der Schweiß allmählich zu rinnen beginnt, kommen wir auf den sagenhaften Geheimgang zu sprechen. Über diesen soll die Burg Wehlen unterirdisch mit der Burg Rathen verbunden gewesen sein. Der Eingang, so erzählte man sich früher, soll sich im östlichen Teil der Wehlener Burgruine, wo früher der Turm gestanden hat, verbergen. Gefunden habe ihn bis heute aber noch niemand, sagt Elke Schmöller schmunzelnd.

Über den Geheimgang sinnierend und in unsere Arbeit vertieft verpassen wir beinahe das Mittagessen. Punkt zwölf ist die Gulaschsuppe vom Wirt der „Alten Säge“ in Dorf Wehlen geliefert worden. Auch wenn es aus dem riesigen Topf verlockend duftet, verabschiede ich mich von den Burgfreunden, die nach dem Essen ihre Arbeiten ebenfalls beenden werden. Mein letzter Besuch auf der Burgruine soll das aber nicht gewesen sein. Spätestens zum 750-jährigen Stadtjubiläum will ich wiederkommen. Und wer weiß, vielleicht bekomme ich zwischendrin ja doch noch einmal Lust, mich unter Hasso Gantzes Anleitung von einem der Stützpfeiler abzuseilen.