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140 Jahre und kein Ende

Im April 1877 begann der offizielle Zugverkehr von Riesa nach Lommatzsch. Die Strecke kämpft um eine Zukunft.

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© Sammlung Wunderwald/FELP

Von Peter Wunderwald und H.-G Heßler

Lommatzscher Pflege. Riecht wie ein Trabi, fährt aber auf Schienen. Fünfmal wird es dieses Jahr die seltene Gelegenheit geben, mit einem sogenannten Schienentrabi auf den Gleisen der 140 Jahre alten Strecke von Lommatzsch nach Riesa ein Stück durch die Lommatzscher Pflege zu rollen. Das hat jetzt der Förderverein Eisenbahn in der Lommatzscher Pflege mitgeteilt. Der Name Schienentrabi kommt nicht von ungefähr. Als Antrieb für das ab Ende der 50er Jahre in geringen Stückmengen hergestellte Kontrollfahrzeug wurden Motor, Getriebe und Achsen des zur gleichen Zeit gebauten Trabant P 50 verwendet.

Die Ansichtskarte aus dem 19. Jahrhundert zeigt den Bahnhof. Das dürfte die beste Zeit der Eisenbahn gewesen sein.
Die Ansichtskarte aus dem 19. Jahrhundert zeigt den Bahnhof. Das dürfte die beste Zeit der Eisenbahn gewesen sein. © Sammlung Wunderwald/FELP

Die Information über die Schienentrabifahrten verbindet der Verein mit dem Hinweis auf den 140. Geburtstag der Strecke. In der Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich das Bild der Landschaft und der Infrastruktur im späteren Einzugsgebiet der Bahnlinie von Riesa nach Nossen. Besonders Riesa entwickelte sich zu einer aufstrebenden Industriestadt, begünstigt durch die seit 1839 bestehenden Bahnverbindungen nach Dresden und Leipzig sowie durch den Elbhafen. Die Lommatzscher Pflege wurde erstmals 1852 an ihrer Peripherie durch die Eisenbahn von Riesa nach Chemnitz gestreift.

Bis zum Bau der Bahnen waren Pferdefuhrwerke und Postkutschen die einzigen schnellen Transportmittel. Die Lommatzscher Pflege war ab 1683 durch die Postkutsche erschlossen, welche zweimal wöchentlich zwischen Leipzig und Dresden über Meißen, Stauchitz und Wermsdorf verkehrte. Ab 1803 führte der Postkurs teilweise auf neuer Strecke über Klappendorf und Seerhausen nach Oschatz.

Die ersten Vorstellungen, die Stadt Lommatzsch an das Bahnnetz anzuschließen, gab es bereits um 1835, als über die Trassierung der Strecke von Leipzig nach Dresden beraten wurde und 1859, als angeregt wurde, eine Eisenbahn von Dresden über Cossebaude, Meißen, Zehren und Piskowitz nach Lommatzsch zu bauen.

Besondere Verdienste im Ringen um das Dampfross erwarb sich der Lommatzscher Apotheker Friedrich Wilhelm Herb. Im Jahre 1872 forderte der Gewerbeverein Lommatzsch eine Bahnlinie zwischen Riesa und Nossen. Wenig später machte sich ein „Drei-Städte-Komitee“ aus den Bürgermeistern der Städte Nossen, Lommatzsch und Riesa für die Bahn stark.

Neben der Landwirtschaft in der Lommatzscher Pflege hatten vor allem die Industrie in Riesa und auch das benachbarte Königreich Preußen Interesse am Bahnbau. Die beiden Letztgenannten liebäugelten damit, preiswerte böhmische Braunkohle auf kürzerem Transportwege als über das Elbtal angeliefert zu bekommen. Damit war die Strecke von Riesa nach Nossen ein wichtiges Kettenglied für eine künftige durchgehende Bahnverbindung vom preußischen Elsterwerda über Riesa, Nossen und Freiberg ins böhmische Moldau.

Baubeginn für den Abschnitt von Riesa nach Lommatzsch war am 23.  Juli 1875. Der Untergrund wurde bereits für einen späteren zweigleisigen Ausbau der Strecke bis Lommatzsch vorbereitet, desgleichen die Brücken. Gerade im Bereich des Jahnatales und bei Dörschnitz machten sich größere Dammschüttungen erforderlich. Dabei berührte man auch das Gebiet des schon zum großen Teil trockengelegten Paltzschener Sees, der sich zwischen Paltzschener und Dörschnitzer Flur befand.

Nachdem der Bau der Bahnlinie rasche Fortschritte machte, konnte am 25. Januar 1877 gegen 15.30 Uhr die erste Bauzuglok namens Gazelle im zukünftigen Bahnhof Lommatzsch begrüßt werden. Am 5. April 1877 wurde die Strecke von Riesa nach Lommatzsch feierlich eröffnet. Fortan verkehrten täglich vier Zugpaare zwischen Riesa und Lommatzsch. Reichlich ein Jahr nach der Eröffnung des ersten Streckenabschnittes war Baubeginn für die Fortsetzungsstrecke nach Nossen.

Derzeit liegt der Streckenabschnitt von Lommatzsch nach Riesa seit 1998 im Personenverkehr und seit 1999 im Güterverkehr brach. Nach fünfjährigen Verhandlungen mit der DB AG konnte die Privatbahn Nossen-Riesaer Eisenbahn-Compagnie (NRE) 2014 einen Pachtvertrag für 25 Jahre über den Abschnitt von Rhäsa nach Riesa abschließen. Am 1. Juli 2014 verkehrte nach 13 Jahren der erste Zug von Nossen nach Starbach. Dort wurden am Getreidehandel 1 250 Tonnen Weizen verladen und anschließend zum 450 Kilometer entfernten Ostseehafen Vierow transportiert. Im Saisongüterverkehr fuhren seitdem weitere Getreideganzzüge von Starbach zu den Ostsee- und Nordseehäfen.

Im Dezember 2014 erhielt die NRE die Genehmigung für den Betrieb der Gesamtstrecke von Riesa nach Nossen. Ferner übernahm die NRE 2015 die Infrastruktur des für die Zuführung zum Tanklager der Firma Petrotank genutzten Abschnittes von Nossen nach Rhäsa und 2016 die Strecke Meißen Triebischtal – Nossen – Döbeln.

Der Gleisbau der NRE konzentriert sich derzeit auf den Abschnitt von Starbach nach Ziegenhain. Zusätzlich wurde der Bereich Lommatzsch – Ziegenhain für den Draisinenverkehr ertüchtigt, sodass der Förderverein Eisenbahn in der Lommatzscher Pflege FELP) in Zusammenarbeit mit dem Eisenbahnmuseum Schwarzenberg Motordraisinenfahrten mit einem sogenannten Schienentrabi zu besonderen Anlässen anbieten kann.

Termine stehen im Internet unter www.felp.de