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100 000 Kilometer Hoffnung für sauberes Blut

Im neuen Labor der Avitum Saxonia wird für Nierenkranke weltweit geforscht. Für sie ist jeder Millimeter entscheidend.

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© Norbert Millauer

Von Heike Sabel

Berggießhübel. Anja Rollberg und Annegret Richter haben einen neuen Arbeitsplatz. Durch ein Fenster kann man ihnen zuschauen, wenn sie zum Beispiel eine Spinnlösung herstellen. Anja Rollberg ist die Laborleiterin bei B. Braun in Berggießhübel, Annegret Richter Chemielaborantin. Ihr neuer Arbeitsplatz ist das dritte Entwicklungslabor, das jetzt in Betrieb genommen wurde. Hier arbeiten sie daran, dass es nierenkranken Menschen besser geht. Der Betrieb im Berggießhübler Gewerbegebiet am Ladenberg stellt nämlich das her, was für die Blutwäsche Nierenkranker entscheidend ist: Hohlfasern. In Dialysatoren übernehmen sie die Aufgabe der Niere und filtern die giftigen Stoffe aus dem Blut. Der Dialysator sieht recht unscheinbar aus. Er besteht aus einem rund 20 Zentimeter langen Kunststoffgehäuse, in dem sich bis zu 20 000 Hohlfasern befinden. Winzige Poren in der Membran der Hohlfasern sorgen dafür, dass schädliche Substanzen aus dem Blut herausgefiltert werden, die wichtigen Bestandteile aber im Blut verbleiben. Genau diese Trennung gilt es, immer weiter zu perfektionieren. Denn: Je genauer man nützliche und schädliche Bestandteile des Blutes voneinander trennen kann, desto wirksamer ist die Therapie. Daran forschen in den Berggießhübler Braun-Laboren Anja Rollberg, Annegret Richter und die anderen Fachleute.

Im neuen Membrantechnikum, wie das Labor auch genannt wird, arbeiten Naturwissenschaftler, Ingenieure und Laboranten vor allem an der Spinnlösung. Das ist die Basis für die Herstellung der Hohlfasern. Sie entscheidet über die Poren, die Durchlässigkeit, das Filtern. Zusammensetzungen und Temperaturen beeinflussen die spätere Wirkung. An einem Versuchsstand wird das getestet, unter Bedingungen wie in der Produktion, nur kleiner.

Doppelte Investitionen

Nierenkranke müssen im Schnitt drei Mal in der Woche zur Dialyse, die jeweils vier Stunden dauert. Das Blutwaschen ist für die Betroffenen eine Belastung. Wenn es schonender und gleichzeitig effektiver erfolgt, wird es für die Patienten verträglicher, sagen die Berggießhübler Forscher.

100 000 Kilometer Hohlfaser werden am Tag in Berggießhübel produziert. Das ist mehr als zwei Mal um den Äquator oder 415 Mal Berggießhübel – Berlin. Jeder Millimeter dieser 100 000 Kilometer muss in Ordnung sein. Ein Fehler kann für den Kranken verheerende Auswirkungen haben. Deshalb und weil die Zahl der Dialysepatienten weltweit steigt, investiert die B. Braun Avitum Saxonia GmbH in Berggießhübel – und Wilsdruff. Dort entsteht die nach eigenen Angaben modernste Produktionsstätte für Blutwäschefilter Europas. Im Mai soll Einweihung sein. In Wilsdruff werden dann auch die Forschungsergebnisse aus Berggießhübel umgesetzt. Patienten in 100 Ländern warten darauf. Avitum Saxonia versorgt zudem in eigenen Dialysezentren in 20 Ländern 24 000 Patienten.

Seit zwölf Jahren gehört die Berggießhübler Firma zu Avitum. Die B. Braun-Gruppe mit Sitz in Radeberg kaufte das ehemalige Ascalon-Werk 2005. Die Geschichte des Berggießhübler Betriebes ist ein Erfolg, die des Gewerbegebietes ebenfalls. 1995 erschlossen, begann die Vermarktung schleppend. Inzwischen sind nur noch kleine Flächen übrig, für die sich zum Teil bestehende Firmen interessieren, um sich zu erweitern. Andere haben das schon getan. Auch Avitum hat angebaut und plant weitere Investitionen. Die Stadt Bad Gottleuba-Berggießhübel freut es: „Die Investitionen geben dem Standort Berggießhübel der B. Braun AG Sicherheit für die Zukunft“, sagt Bürgermeister Thomas Mutze (parteilos). Sicherheit und Zukunft auch für Anja Rollberg und Annegret Richter und ihre rund 180 Kollegen.