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Zweifel am Wolfsgutachten

Nach einer Expertise sollen Wölfe einen heftigen Unfall bei Zehren ausgelöst haben. Die These und der Gutachter, der sie aufgestellt hat, sind allerdings umstritten.

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© dpa

Von Anna Hoben

Der Ärger um einen Brandbrief des Meißner Kreisjagdverbandes geht weiter. Jetzt mehren sich Zweifel an der Seriosität des Gutachtens, auf dem das Schreiben basiert. Jäger hatten sich in dem Brief besorgt über die „unkontrollierte Ausbreitung des Wolfes im Landkreis Meißen“ geäußert. Die Tiere hätten sich zu einer Gefahr für die Öffentlichkeit entwickelt.

Anlass war ein Unfall auf der B6 in Zehren, bei dem Mitte Dezember zwei Menschen schwer verletzt und neun Pferde getötet worden waren. Laut einem Gutachten, an dem unter anderem der Meißner Wernher Gerhards beteiligt war, sollen zwei bis drei Wölfe die Pferde aus ihrer Koppel auf die B6 getrieben und dann noch einmal aufgeschreckt haben, als der Besitzer sie schon in Sicherheit wähnte.

Jetzt meldet sich das Wildbiologische Büro Lupus zu Wort. Die Forschungseinrichtung mit Sitz in Spreewitz ist seit 2003 für die wissenschaftliche Begleitung der Wiederansiedlung des Wolfes in Deutschland zuständig. „Der Gutachter Wernher Gerhards hat schon alle möglichen Leute von seiner vermeintlichen Kenntnis zu überzeugen versucht“, sagt die Biologin und Büroleiterin Ilka Reinhardt. „Was ich bisher von ihm gehört habe, fand ich allerdings nicht überzeugend.“

Skepsis gibt es auch hinsichtlich der Umstände, unter denen das Gutachten zustande kam. So sei es angesichts der Witterungsverhältnisse zur Zeit des Unfalls unmöglich, den sogenannten geschnürten Trab von Wölfen nachzuweisen, sagt der Klipphausener Jäger Andreas Vorrath.

Warum kam kein behördlicher Gutachter

Der richtige Weg wäre laut Ilka Reinhardt vom Wildbiologischen Büro Lupus gewesen, einen behördlichen Gutachter anzufordern. „Der Fall geht mir an die Nieren, weil er so tragisch ist – und jetzt bestimmte Leute versuchen, ihre Interessen durchzusetzen“, sagt Ilka Reinhardt. Das Gutachten hat sie allerdings noch nicht gesehen – und steht damit nicht alleine da.

Sogar der Meißner Kreisjägermeister Karsten Schlüter räumt ein: Die Gutachter hätten ihre Ergebnisse zwar präsentiert und der Kreisjagdverband könne die Papiere einsehen, habe selbst aber keine Kopie. Die Einzigen, denen das Gutachten derzeit vorliegt, sind also offenbar: die Gutachter. Der Kreisjagdverband hatte seinen Brandbrief an das sächsische Innenministerium adressiert; zuständig wäre eigentlich das Umweltministerium.

Dessen Sprecher Falk Hofer hatte das Schreiben schon vor Tagen kritisiert. Es gehe von falschen Voraussetzungen aus. Das Gutachten selbst lag gam Montag im Ministerium noch immer nicht vor – obwohl man versucht habe, es zu bekommen, so Falk Hofer. Kreisjägermeister Karsten Schlüter indes beteuert, man habe Wernher Gerhards aufgefordert, seine Ergebnisse noch diese Woche an den Innenminister zu schicken – quasi als Postscriptum zu dem Brandbrief. Derweil zweifelt man auch im Umweltministerium an der Expertise des Gutachters. „Wir haben keine Hinweise darauf, dass Herr Gerhards wissenschaftlich tätig ist“, heißt es aus der Pressestelle.

Der Sächsischen Zeitung verweigerte Wernher Gerhards die Auskunft darüber, woher sein Fachwissen stammt. Der Kreisjagdverband indes verteidigt das Gutachten vehement. „Nach aktueller Faktenlage“ bestehe „keinerlei Anlass, die Seriosität anzuzweifeln“, heißt es in einem Statement.