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Zu Hause beim Arzt

Telemedizin soll die Versorgung in den Dörfern verbessern. Dafür vergibt Sachsen Millionen Euro an Fördermitteln. Stellen werden aber nicht eingespart.

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Von Ronja Münch

Dresden. Ein Armband, das ohne einen einzigen Piekser und ohne luftabschnürendes Aufpusten den Puls, die Sauerstoffsättigung im Blut, den Hämoglobin-Wert, Arterienverkalkungen und noch vieles mehr misst. Indem, vereinfacht gesagt, die Farbe des Blutes gemessen wird. Klingt wie Science-Fiction, könnte aber schon in relativ naher Zukunft Wirklichkeit werden.

Das Projekt FlexEO der TU Dresden und des erst vor Kurzem aus der TU ausgegründeten Start-up-Unternehmens Anvajo will ein ebensolches Armband realisieren. „Vielleicht kann man so irgendwann einen Infarkt frühzeitig erkennen“, spinnt Verena Kretschmann von Anvajo das Zukunftsszenario weiter. Zunächst einmal soll das Armband aber dafür sorgen, dass chronisch Kranke wie Diabetiker oder Schilddrüsenkranke wesentlich seltener zum Arzt müssen, da diesem die Blutwerte direkt übermittel würden. Noch muss weiter getüftelt werden, die Messung durch die Haut stellt Schwierigkeiten dar, die entsprechende Elektronik muss weiterentwickelt werden. Eben dafür erhielten TU und Anvajo am Donnerstag einen Fördermittelbescheid über mehr als 700 000 Euro vom Sächsischen Sozialministerium (SMS).

Das Projekt FlexEO ist nur eines von vielen, welche vom SMS unterstützt werden. Erst in der vergangenen Woche wurden Gelder für den Ausbau des Schlaganfallnetzwerkes Ostsachsen übergeben. Damit soll die ambulante Nachbetreuung von Patienten verbessert werden. Insgesamt stehen für die Förderung der sogenannten Telemedizin allein im Jahr 2017 mehr als 17 Millionen Euro zur Verfügung. Fünf davon kommen aus Landesmitteln, der Rest sind EU-Fördermittel.

Es ist eines der größten Projekte von Sozialministerin Barbara Klepsch. Dafür hat sie im vergangenen Jahr auch den
E-Health-Beirat ins Leben gerufen. Alle paar Monate treffen sich unter anderem Vertreter von Kliniken, Krankenkassen, Kassenärzten und dem Freistaat Sachsen, um über die Digitalisierung der Medizin zu beraten. Telemedizin kann dabei vieles bedeuten. Das kann eine Videosprechstunde mit dem Patienten, automatisch von zu Hause aus übermittelte Gesundheitsdaten, vor allem aber die Vernetzung von Kliniken und Ärzten untereinander sein.

Schon jetzt wird Telemedizin in Sachsen genutzt, besonders von Kliniken. Eine ebenfalls vom SMS geförderte Studie ergibt, dass 2015 bereits fast 84 Prozent der sächsischen Kliniken Telemedizin eingesetzt haben. Von den befragten Hausärzten nutzten nur etwa acht Prozent entsprechende Technik. „Das dürfte vor allem daran liegen, dass die Vergütungsmöglichkeiten stationär besser sind“, sagt Katrin Arnold. Sie ist eine der Autorinnen der Studie, die von Carus Consilium Sachsen, unterstützt durch das Dresdner Zentrum für
evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, durchgeführt wurde. Die befragten Ärzte gaben die Vergütung als größte Hürde an. Das meiste, was Telemedizin möglich macht, können sie noch nicht abrechnen.

Hausärzte nutzen Technik kaum

Die Studie biete eine gute Grundlage für die weitere Förderung, so Sozialministerin Klepsch. „Sie zeigt uns, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, aber auch, wo wir noch mehr machen müssen.“ Besonders im ambulanten Bereich bestehe noch Bedarf. Es gehe aber nicht darum, Ärzte im ländlichen Raum zu ersetzen, so Klepsch. „Das ist nicht Ziel und das wird auch nie Ziel sein. Technik wird nie den Arzt ersetzen.“ Stattdessen solle eine für alle gleich gute medizinische Versorgung gesichert werden. Das SMS sieht Klepsch als Schnittstelle, um verschiedene Ideen zu bündeln und Akteure besser zu vernetzen.

Eine große Sorge in Bezug auf Telemedizin ist der Datenschutz. Von der Bundesregierung wurde bereits das E-Health-Gesetz erlassen. Es soll die Digitalisierung wie beispielsweise mit der elektronischen Gesundheitskarte vorantreiben, schafft aber auch Sicherheitsstandards. Sozialministerin Klepsch hält die bestehenden Regelungen für ausreichend. „Wir wollen im Rahmen bestehender Gesetze Ideen möglich machen.“ Datenschutz und Patientenrechte seien aber ein großes Thema. Das Start-up Anvajo jedenfalls hat Datenschutz im Blick. „Die Analyse passiert komplett im Gerät, wir schicken keine Daten in die Cloud“, so Kretschmann.