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Wolf Pumpak hat auch in Polen Reste gefressen

Nun es wohl offiziell: der Wolfsrüde Pumpak wird wohl nicht mehr abgeschossen. Die offizielle Frist dafür ist am Sonntag abgelaufen. Trotzdem kritisierten polnische Forscher den geplanten Abschuss.

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© Bild-DD01

Von I. Hennig und K.-P. Längert

Region. Nun es wohl offiziell: der Wolfsrüde Pumpak wird wohl nicht mehr abgeschossen. Die offizielle Frist dafür ist am Sonntag abgelaufen. Das Landratsamt Görlitz als zuständige Behörde hatte schon vorab signalisiert, dass man die Ausnahmegenehmigung für die Tötung des auffälligen Tieres nicht verlängert.

Polnische Wolfsforscher hatten sich schon länger gegen den Abschuss des Wolfs, der wochenlang im Raum Rietschen für Unruhe sorgte, ausgesprochen. Biologin Katarzyna Bojarska hat das polnische Rudel, aus dem der Vierbeiner stammt, lange beobachtet. Sie rief im Internet zum Schutz des Wolfes auf. Außerdem informiert sie über ihn und seine Familie. Die SZ fasst diese und weitere Fakten zum Wolf zusammen. (mit mm)

Fakten zum Wolf

Was ist in Polen über den Wolf im Raum Rietschen bekannt?

Orzechowa, die Nussige, heißt die Mutter des anderthalb Jahre alten Wolfsrüden, der seit Herbst immer wieder im Raum Rietschen auftaucht. Das Tier stammt aus dem polnischen Ruszów-Rudel. Dessen Territorium liegt an der Neiße in und um das Dorf Ruszów (Rauscha) herum, reicht aber auch ein bisschen nach Sachsen hinein. Ruszów gehört zur Gemeinde Wêgliniec (Kohlfurt). Die polnische Biologin Katarzyna Bojarska von einem Krakauer Umweltinstitut hat das Rudel lange beobachtet. Der Rüde hat eine gleichaltrige Schwester und inzwischen auch jüngere Geschwister, bei deren Aufzucht er anfangs mitbeteiligt war. Mutter Orzechowa, die Schwester und auch der Rüde selbst trugen schon Sendehalsbänder. Der junge Wolf sogar zwei. Im Herbst hat er nach Information von Katarzyna Bojarska sein Rudel auf der Suche nach einem eigenen Revier und einer Partnerin verlassen. Er soll auffällig humpeln.

Ist der Wolfsrüde schon in Polen auffällig geworden?

Laut Katarzyna Bojarska zeigte er schon als ganz junges Tier wenig Furcht vor Menschen. Es gibt polnische Wissenschaftler der Organisation „Wilk“ („Wolf), die davon ausgehen, dass er als Welpe von einem Förster über einen längeren Zeitraum hinweg gefüttert worden ist. Katarzyna Bojarska geht indes davon aus, dass er nur Essensreste von Waldarbeitern gefressen hat. Er sei in Polen häufig von Forstmitarbeitern und Anwohnern gesehen worden, sei aber nie aggressiv gegen Menschen oder Haustiere geworden. In den Dörfern Teicha und Quolsdorf sucht er auf Komposthaufen und in Siedlungen seit vergangenen Herbst verstärkt nach Nahrung – vor allem nach Früchten und Kuchen. Deswegen wird er auch Pumpak – der Fette oder Schmerbauch genannt. Kotuntersuchungen haben aber gezeigt, dass er auch jagt und Wild frisst, sagt Markus Bathen, Wolfsexperte beim Naturschutzbund Nabu. Vor Menschen laufe er davon. Das würde dafür sprechen, dass er nicht direkt von Menschen gefüttert worden ist. Anders als ein Wolf, der vor einem Jahr in Niedersachsen zum Problem geworden ist, suche er nicht direkt die Nähe der Menschen und greife auch keine Haustiere an.

Wie wird ein Wolf überhaupt zum Problemwolf?

Dafür gibt es zwei Ursachen. Ein Wolf kann krank sein, zum Beispiel die Tollwut haben, sagt Markus Bathen. Die komme in Sachsen aber nicht mehr vor. Auch eine Schädigung des Gehirns sei möglich. Der zweite Grund ist die Verhaltensänderung durch äußere Einflüsse. Ein Wolf ist beispielsweise direkt von Menschen gefüttert worden. Und zwar mehrfach. „Eine einmalige Futtergabe reicht nicht aus.“ Möglich sei auch, dass der Wolf immer wieder Futter findet, an dem Menschengeruch haftet – zum Beispiel weggeworfene Reste. Daran könne er sich gewöhnen. Menschengeruch signalisiere ihm dann nicht mehr: Sei vorsichtig, sondern: hier gibt es was. Normalerweise sei der Mensch für den Wolf uninteressant – keine Beute. Aber etwas, dem er mit gewisser Vorsicht begegne.

Warum konnte er nicht gefangen, besendert oder verjagt werden?

Das Landratsamt Görlitz hat sich gegen die beiden Maßnahmen entschieden. Nachdem der Wolf mehrfach auch am Tag in Siedlungen kam, beauftragte das Amt die Wolfsforscher vom Lupus-Institut mit einem Gutachten. Das bestätigt das auffällige Verhalten. Die Experten empfahlen aber, den Wolf erst einmal mit einem Sender zu versehen und ihn zu beobachten. Außerdem sollte er vergrämt werden, also wieder mehr Scheu vor menschlicher Nähe entwickeln. Das Landratsamt hielt es für schwierig, den Wolf zu fangen und zu besendern. Die geeigneten Methoden sind in Sachsen derzeit nicht erlaubt. Laut Markus Bathen vom Nabu wäre es aber möglich, eine Kastenfalle aufzustellen und den Naschhaften mit Futter dort hineinzulocken. Beim Landratsamt ging man nicht davon aus, dass Vergrämen wirkt. Dazu sei der Wolf zu sehr an menschliche Nähe gewöhnt, sagte die Görlitzer Umweltdezernentin Heike Zettwitz. Und betonte: „Die Sicherheit der Menschen geht vor.“ Henrik Thode vom Ökologischen Jagdverein Sachsen sah noch einen Grund für den Abschuss. Lasse man so ein auffälliges Tier weitermachen, gefährde es das ganze Projekt von der Rückkehr der Wölfe.

Wie genau würde das Vergrämen funktionieren?

Hat der Wolf einen Sender, wird er 24 Stunden am Tag von einem Team überwacht. Nähert er sich Komposthaufen oder Futterresten, wird er mit optischen Reizen wie Blitzen, mit Lärm – lautes Schreien, Knallen – oder mit Schmerz konfrontiert. Man könne ihn zum Beispiel mit Gummigeschossen beschießen. Es sei auch möglich, ihn zu betäuben und dann zu attackieren, wenn er wieder munter wird.

Wirkt das Vergrämen von Wölfen überhaupt?

In den USA und Skandinavien wird das Vergrämen erfolgreich praktiziert, meinen Naturschützer. Der schwedische Vergrämungsexperte Jens Karlsson vom Swedish Wildlife Damage Centre in Grimsö sagt allerdings, die Methode führe nur in 30 Prozent der Fälle zum Erfolg. Er sollte 2016 einen Wolf in Niedersachsen vergrämen. Bei Bär Bruno hat die Methode einst übrigens nicht funktioniert.

Warum hatten die Grünen und Naturschützer rechtliche Bedenken?

Sie meinten, der sächsische Managementplan für den Umgang mit Wölfen sei nicht eingehalten worden. Dort ist in einer Art Stufenplan zunächst das Besendern und Beobachten, dann das Vergrämen, dann die Entnahme, also der Abschuss vorgesehen. Die Naturschützer weisen zudem darauf hin, dass rund um die vom Wolf betroffenen Gemeinden vier Fauna-Flora-Habitate liegen. Das sind besondere europäische Schutzgebiete. Wenn dort ein Wolf geschossen wird, müssen Umweltverbände in die Entscheidung einbezogen werden, meinen einige ihrer Mitglieder. Auch, wenn der Abschuss eines Wolfs den Bestand nicht gefährdet.

Welche Fälle von legalen Wolfsabschüssen sind bekannt?

Bislang gab es drei Genehmigungen für einen Abschuss. Seit 2000, als sich in Sachsen wieder ein erstes Rudel ansiedelte, bis 2015 ist kein einziger Fall aufgetreten, wo das nötig gewesen wäre. Anfang 2016 gab es in Niedersachsen die Erlaubnis zur Tötung eines Rüden. Er war als Welpe gefüttert worden, näherte sich auffällig Menschen und griff sogar einen Hund an. Im Dezember 2016 tauchte dann ein Wolf auf dem Gelände einer Kindertagesstätte in Rathenow im Havelland auf. Weil er sich zuvor schon einem Kind genährt hatte, wurde er zum Abschuss freigegeben. Er verschwand aber, ehe er erlegt werden konnte.

Warum wurde der Wolf bei Rietschen nicht erwischt?

In Niedersachsen war der Wolf vom Truppenübungsplatz bei Munster nach der Abschussfreigabe nach nur wenigen Tagen tot. In der Oberlausitz gelang der Abschuss bislang nicht. Dort wurde eine Person beauftragt, den Wolf zu schießen. Sie war aber nie nicht rechtzeitig vor Ort, wenn das Tier gesichtet wurde. Die Jägerschaft hatte verkündet, sich aus dem Fall rauszuhalten, sagte Christian Berndt, Vorsitzender vom Jagdverband Niederschlesische Oberlausitz. Es sei eine politische Entscheidung. Es gab auch Stimmen, die meinen, der Landkreis habe nicht ernstlich vorgehabt, den Wolf zu schießen. Es sei nur darum gegangen, die Bevölkerung zu beruhigen. Allerdings ist es auch so, dass der Wolf seit dem 27. Januar nicht mehr gesehen wurde. Das bestätigt das Kontaktbüro „Wolfe in Sachsen“. Er könnte auf der Suche nach einer Partnerin abgewandert sein. Vielleicht ist er auch bei einem Unfall umgekommen.

Was sagt die polnische Seite zum geplanten Abschuss?

Offizielle Kritik gab es laut Sächsischem Umweltministerium nicht. Polen könnte die Tötung rechtlich aber auch nicht verhindern, da Tiere keine Staatsbürgerschaft besitzen und damit auch keinen konsularischen Schutz ihres Herkunftslandes. Die Zgorzelecer Landrätin Urszula Ciupak hat sich wohl gegen den Abschuss ausgesprochen. Polnische Wolfsforscher forderten, das Tier erst zu besendern und zu vergrämen. Der Abschuss sollte das letzte Mittel sein.

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