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Wirbel um Asylheim in Niederau

Das Technische Hilfswerk wollte im ehemaligen Real-Markt 450 Feldbetten aufstellen. Doch die Helfer durften wieder abrücken.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Niederau. Die Nachricht, dass im ehemaligen Real-Markt in Niederau der Freistaat mehr als 500 Flüchtlinge unterbringen will, hat in der Gemeinde für große Aufregung gesorgt. Am meisten wird die Informationspolitik der Landesdirektion kritisiert. „Es gibt zahlreiche Anrufe von wütenden Bürgern. Das gesamte öffentliche Leben wird gelähmt. Wir werden vom Freistaat an der Nase herumgeführt. Noch am Dienstag sagte man uns, es sei noch überhaupt nichts entschieden, das Objekt werde lediglich geprüft. Diese Informationspolitik ist eine Katastrophe“, so Hauptamtsleiter Ronny Reichel. Dabei sollten ursprünglich schon gestern die ersten Flüchtlinge ankommen.

Eine Katastrophe ist offenbar auch die Kommunikation. Wie die SZ erfuhr und wie auch die Landesdirektion auf Nachfrage bestätigte, rückten am Mittwoch Helfer des Technischen Hilfswerkes (THW) in Niederau an. Im Gepäck hatten sie 450 Feldbetten, die sie in der Halle aufstellen wollten. Doch dazu kam es nicht. Die Helfer mussten unverrichteter Dinge wieder abrücken. Es kam die Meldung, dass der Mietvertrag für das Objekt zwischen dem Land Sachsen und dem Eigentümer der Immobilie, der Taurus Investment Holding GmbH in München, noch nicht unterzeichnet ist. Holm Felber, Pressesprecher der Landesdirektion, hatte am Dienstagabend davon gesprochen, dass noch nicht alle Fragen geklärt seien.

Miese Stimmung in der Gemeinde

Die Stimmung in Niederau ist jedenfalls mies. Die Gemeinde sieht sich überfahren und überfordert. Bürgermeister Steffen Sang (parteilos) hatte am Dienstag die geplante Flüchtlingsunterkunft „aufs Schärfste verurteilt“. Er fordert ebenso wie Landrat Arndt Steinbach (CDU) eine faire Verteilung der Flüchtlinge auf den Freistaat Sachsen. Der Landkreis Meißen mit jetzt schon drei Erstaufnahmeeinrichtungen sei überproportional betroffen, so Steinbach. Probleme sieht Sang auch bei der Versorgung der Flüchtlinge. Da es in Niederau seit der Schließung des Real-Marktes am vergangenen Sonnabend praktisch keine größere Einkaufsmöglichkeit mehr gebe, würden die Flüchtlinge nach Weinböhla und nach Meißen ausweichen. Anrufe gab es gestern auch in der SZ-Redaktion. „Ich arbeite in Dresden mit Flüchtlingen und weiß, was das bedeutet. Ich kann Ihnen sagen, nicht nur ich habe die Nase gestrichen voll“, so ein Mann aus Niederau.

Völlig überrascht von der neuen Situation ist auch der Gemeinderat. „Wir fühlen uns überrumpelt. Es hätte sich gehört, dass man vorher mit den Betroffenen redet“, sagt Frank Opitz (FDP). „Für unsere kleine Gemeinde ist eine solch große Anzahl von Flüchtlingen ein echter Hammer“, sagt er. Opitz kritisiert die Bundespolitiker: „Die sagen immer, wir schaffen das. Aber wie wir das schaffen sollen, das sagt uns keiner.“ Insgesamt soll die Gemeinde Niederau bis Ende nächsten Jahres 97 Flüchtlinge aufnehmen. Nicht nur in Niederau geht man davon aus, dass diese Anzahl weiter nach oben korrigiert wird. Bisher leben acht Flüchtlinge in der Gemeinde. Es ist eine syrische Familie mit sechs Kindern. „Eines der Kinder kam jetzt in eine Kindereinrichtung. Die Integration macht bisher keine Probleme“, sagt Ronny Reichel.

Die Flüchtlinge, die in der Erstunterkunft im ehemaligen Real-Markt in Niederau unterkommen sollen, werden der Gemeinde allerdings nicht angerechnet.

Hoffnungen vorerst zerschlagen

Mit der Nutzung der Halle haben sich alle Hoffnungen zerschlagen, dass der Standort auch künftig für Handel genutzt werden kann. Bürgermeister Sang hatte gehofft, dass sich viele kleine Händler dort ansiedeln. Auch eine Anfrage einer anderen Supermarktkette soll es gegeben haben. Meissen-Keramik soll außerdem Interesse gezeigt haben, in dem Objekt ein Logistik-Lager einzurichten. Gegenüber der SZ gab das Unternehmen allerdings schon vor einigen Wochen an, sich von dieser Idee verabschiedet zu haben. Die Umbaumaßnahmen seien zu umfangreich gewesen.

Weil es in sozialen Netzwerken Aufrufe gegeben habe, sich in Niederau am Real-Markt zu versammeln, habe die Polizei sicherheitshalber einen Funkwagen hingeschickt, war aus dem Polizeirevier zu erfahren. Später sollen sich doch noch Leute vor der geplanten Unterkunft getroffen haben, erfuhr die SZ. Gegen 1.30 Uhr habe sich die Versammlung aufgelöst. Zu Zwischenfällen kam es nicht. „Niederau ist nicht Heidenau“, sagt der Hauptamtsleiter.

In der Landesdirektion war am Mittwoch zu erfahren, dass noch keine Entscheidung gefallen sei. Dies solle aber in den nächsten Tagen passieren. Wie die SZ erfuhr, werden in der Halle derzeit Kühlanlagen abgebaut. Diese Arbeiten würden noch einige Tage in Anspruch nehmen.