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Nächste Runde im Glaubitz-Streit

„Literarisch“ und „feuilletonistisch“, aber nicht ganz richtig? In der Debatte um den umstrittenen Artikel über Glaubitz meldet sich jetzt die Süddeutsche Zeitung zu Wort.

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© Eric Weser

Von Eric Weser

Seit fast einer Woche wird in Glaubitz über einen Beitrag aus der Süddeutschen Zeitung debattiert, der dem Ort gewidmet ist. Nun meldet sich auch die Redaktion des überregionalen Blattes aus München zu Wort.

Die Sächsische Zeitung hatte dort unter anderem gefragt, warum die Süddeutsche-Reporterin nicht mit dem Glaubitzer Bürgermeister gesprochen hatte. Der hätte ihr womöglich sagen können, dass der Glaubitzer Bevölkerungsüberschuss bei den 18- bis 35-Jährigen durchaus von der JVA Zeithain beeinflusst wird, die auf Glaubitzer Territorium liegt. Der extreme Überschuss junger Männer war der Grund, warum die Süddeutsche-Autorin Glaubitz ausgewählt hatte. In ihrem Text schreibt sie dem Gefängnis einen geringen Einfluss auf die Demografie des Ortes zu.

„Der Bürgermeister, da stimmt Ihre Beobachtung, kam nicht zu Wort“, schreibt Sonja Zekri, Co-Chefin des Feuilletons der Süddeutschen. Das „Stück war keine klassisch aufgebaute Sozialreportage, sondern hat einen feuilletonistischen, fast literarischen Zugang gesucht“, so die Zeitungsmacherin. „Deshalb und angesichts einer breit angelegten Recherche wäre der offizielle Besuch bei der Verwaltung journalistisch eine reine Pflichtveranstaltung gewesen“, so Zekri.

Die Autorin sei über anderthalb Jahre immer wieder in Glaubitz gewesen. „Nur so konnte sie das Vertrauen ihrer Gesprächspartner gewinnen, denen sie bei allen Differenzen doch auch mit sehr viel Verständnis begegnet.“ Außerdem seien ein Sozialarbeiter, die Gleichstellungsberaterin des Landkreises und „eine Filmemacherin aus der Region“ hinzugezogen worden. Letztere ist die 1967 in Riesa geborene Elke Hauck, die seit 1993 in Berlin lebt.

Fraglich bleibt indes, wie sich der krasse Männerüberhang in Glaubitz erklären lässt. Laut Gemeinde standen zuletzt im Melderegister 205 Männer aus der JVA. Das Gefängnis selbst teilte am Mittwoch mit, dass derzeit 179 Insassen mit Hauptwohnsitz in Glaubitz gemeldet sind, davon 116 im Alter von 18 bis 35. Zum Vergleich: Ende 2015 verzeichnete das Statistische Landesamt in dieser Altersgruppe für Glaubitz rund 400 Männer, aber nur 98 Frauen.

Kritisiert wird der Süddeutsche-Text indes auch, weil er mit Fotos illustriert ist, die nicht aus Glaubitz stammen. Sonja Zekri sagt, das sei Absicht. „Die Landflucht betrifft nicht nur Glaubitz, sondern viele Regionen im Osten (auch manche im Westen), deshalb haben wir mit dem Bildband von Gesche Jäger den Blick über Glaubitz hinaus schweifen lassen“, so Sonja Zekri.

Die Hamburger Fotografin Gesche Jäger sieht die Verwendung ihrer Fotos dagegen kritisch. Sie habe die Fotos 2008 in den Landkreisen Ludwigslust-Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) und dem Landkreis Märkisch-Oderland (Brandenburg) gemacht. „Es tut mir leid, dass sich durch die Bebilderung für den Schnell-Lesenden ein falscher Zusammenhang ergibt und dass sich die Glaubitzer falsch dargestellt fühlen“, so Jäger.