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„Mund auf gegen Angstmacher“

Holger Thieme ist Chef des größten Bautzener Hotels. Die Folgen des Asylheim-Brandes sieht er mit Sorge – ebenso eine rechte Demonstration am Ostersonnabend.

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© Robert Michalk

Herr Thieme, die TV-Bilder vom brennenden Husarenhof waren deutschlandweit zu sehen. Was war ihre erste Reaktion, als Sie davon erfuhren?

Ich war sehr entsetzt. Als Einwohner dieser Region wollen mir solche Bilder – egal ob aus Bautzen oder Clausnitz – gar nicht gefallen. Als Direktor des Hotels Best Western dachte ich aber auch an die Konsequenzen für unsere Branche.

Haben sich diese Ahnungen bestätigt?

Ja und nein, es gab einige Drohanrufe, unsere Mitarbeiter wurden beschimpft, einige Reiseveranstalter riefen mit Besorgnis an. Eine Stornierungswelle überrollte uns nicht. Allerdings mache ich mir Sorgen, welche Folgen der Brand mittel- und langfristig haben wird. Ich habe große Angst, dass das Geschaffene zu wackeln beginnt.

Die Zahl der Übernachtungen in Sachsen ging 2015 um 5,1 Prozent zurück. Fachleute sprechen von einem negativen Pegida-Effekt. Wie sah das Jahr im Best Western aus?

In Bautzen bewegen wir uns auf einem Markt mit begrenztem Potenzial. Diese Region ist nicht mit Berlin oder Rügen zu vergleichen. Wir kämpfen um jeden Gast. Allerdings hat gerade in unserem Haus das individuelle Tourismusgeschäft zugenommen. Es kamen mehr Familien mit Kindern und auch Kulturinteressierte. Auf diese Weise zählten wir 2015 rund 15 000 Übernachtungen zusätzlich zu den Firmenkunden. Diese „echten Touristen“ machen 40 Prozent unseres Gesamtvolumens aus. Das Gruppengeschäft ist stabil, aber die Gästezahlen in diesem Bereich stagnieren.

Wie erklären Sie sich das Plus bei den Individual-Touristen?

Zum einen ist das ein wachsender Markt, viele Menschen machen im eigenen Land Urlaub. Zum anderen hat das Tourismus-Marketing in der Region erkannt, dass wir etwas tun müssen. 2015 organisierte die Marketinggesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien zum Beispiel eine Reise für „Entscheider“ in die Region. Trotzdem wünsche ich mir mehr Initiative und Struktur sowie in Bautzen noch einen stärkeren Schulterschluss der Vereine, die sich für die Entwicklung der Innenstadt stark machen.

Aber es gibt doch die Interessengemeinschaft Innenstadt, wo Innenstadtverein, Tourismusverein und die Bautzener Gastwirte an einem Tisch sitzen.

Das ist richtig, aber es gibt bei den Angeboten für Touristen immer noch Luft nach oben. Nehmen wir das Beispiel Ostern. Da ist jedes Hotelbett in Bautzen belegt. Bislang konnten wir den Touristen neben der Osterreiterprozession und dem Eierschieben am Ostersonntag nur wenige andere Angebote an den übrigen Ferientagen machen. Erst langsam entwickelt sich Neues, wie die Krimi-Türmenacht, österliche Stadtführungen oder der Ostermarkt.

Aber?

In den Vereinen und im Ehrenamt wird sehr aktiv gearbeitet. Ich wünsche mir aber einen aktiveren Part der Stadt. Dazu zählt eine klare Tourismusstrategie, die einzelne Marketingaktivitäten vorschreibt. Denn allein im Ehrenamt können die Aufgaben nicht bewältigt und die guten, kreativen Ideen nicht umgesetzt werden.

Jetzt kommen zu Ostern nicht nur Touristen in die Stadt. Für den Sonnabend des Oster-Wochenendes ist die nächste rechte Demonstration auf dem Hauptmarkt angekündigt. Was werden wohl Ihre Gäste dazu sagen?

Wir wollen zu Ostern Bautzen als weltoffene und friedfertige Stadt präsentieren. Da sind Demonstrationen kontraproduktiv. Bei unseren Gästen bestätigt es vielleicht das ungute Gefühl, das sich bei ihnen mit Bautzen nach der Brandnacht und der folgenden Berichterstattung verbindet. Deshalb wünsche ich mir, dass mehr Bautzener gegen die Angstmacher und sogenannten Asylkritiker den Mund aufmachen. Denn eines muss man den Grölern sagen: Mit ihrem Auftreten gefährden sie Arbeitsplätze in den Hotels und der Gastronomie.

Der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens hat nach dem Brand zum „Jetzt erst recht“ aufgerufen. Wie sieht Ihre Reaktion aus?

Wir sind in dieser Woche zu dritt bei der größten deutschen Reisemesse, der ITB in Berlin, um Stimmungen einzufangen und mit Veranstaltern zu reden. Wir werden viel Energie verwenden, um Bautzen in ein anderes Licht zu setzen, zum Beispiel indem wir Ende des Jahres Reiseveranstalter in unser Haus einladen, um ihnen die Stadt und die Region zu zeigen. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass wir uns als Gemeinschaft viel stärker mit dem Thema Ausländerfeindlichkeit auseinandersetzen – damit es nicht wieder einen medialen Paukenschlag braucht, um sich aufzulehnen.

Gespräch: Miriam Schönbach