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„Wir können nicht nur auf Seiteneinsteiger setzen“

Im Kampf gegen den Lehrermangel in der Oberlausitz baut Sachsens Kultusminister auf Beamte – und ein Lockmittel.

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© Matthias Weber

Bautzen. Christian Piwarz (CDU) ist Realist. Sachsens Kultusminister kennt die Zahlen aus dem jüngsten Einstellungsverfahren an den Schulen der Oberlausitz. Er weiß, dass hier nicht mehr alle freien Stellen besetzt werden können. Dass acht von zehn neu eingestellten Lehrern keine ausgebildeten Lehrer mehr sind. Und dass in den Landkreisen Bautzen und Görlitz noch nie so viel Unterricht ausgefallen ist wie in diesem Schuljahr. Im Gespräch vor Ort mit der SZ nimmt der Minister auch gar nicht erst ein Blatt vor den Mund: „Die Oberlausitz ist unser Sorgenkind“, sagt der 42-Jährige. Aber bei dieser Feststellung allein wolle er es nicht belassen.

Junge Lehrer sollen künftig schon als Referendare an Schulen im ländlichen Raum gebunden werden, um dem Lehrermangel zu begegnen. Sie sollen Sonderzulagen und eine Übernahmegarantie bekommen. Das kündigt Sachsens Kultusminister Christian Piwarz an.
Junge Lehrer sollen künftig schon als Referendare an Schulen im ländlichen Raum gebunden werden, um dem Lehrermangel zu begegnen. Sie sollen Sonderzulagen und eine Übernahmegarantie bekommen. Das kündigt Sachsens Kultusminister Christian Piwarz an. © dpa

Herr Minister, was sagen Sie den Eltern, die sich Sorgen machen, dass ihre Kinder keinen ordentlichen Schulabschluss mehr schaffen, weil zu viel Unterricht ausgefallen ist?

Ich sage ihnen ganz klar, dass das nicht passieren wird. Bei allen Problemen, die wir derzeit an den Schulen haben, ist prüfungsrelevantes Wissen bisher nicht beeinträchtigt. Und wir werden dafür sorgen, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Wie wollen Sie das garantieren? Vor allem an den Schulen in Ostsachsen, wo in diesem Halbjahr für 92 offene Stellen nur 19 Bewerbungen von ausgebildeten Lehrern vorlagen?

Es stimmt: In Ostsachsen ist der Lehrermangel am größten. Das Problem ist uns bekannt, und wir nehmen es sehr ernst. Um es zu lösen, haben wir jetzt ein Handlungsprogramm geschnürt, das nicht nur helfen soll, generell mehr Lehrer nach Sachsen zu holen, sondern vor allem auch in den ländlichen Raum.

Wenn junge Lehrer die Wahl haben, entscheiden sich die meisten eher für Leipzig oder Dresden als für Kamenz oder Weißwasser. Hausärzte beispielsweise bekommen viel Geld, wenn sie in unterversorgten Gegenden auf dem Lande eine Praxis eröffnen.

Wir sind da im öffentlichen Dienst zugegebenermaßen nicht ganz so frei in unseren Möglichkeiten, aber in finanziellen Anreizen sehe auch ich eine Möglichkeit, junge Lehrer aufs Land zu locken. In unserem Maßnahmeprogramm haben wir deshalb auch eine sogenannte „Anwärtersonderzulage“ vorgesehen. Referendare, die dorthin gehen, wo ein Mangel herrscht, bekommen diese Zulage. Unsere Hoffnung ist, dass sie nach dem Referendariat dann auch an der jeweiligen Schule bleiben.

Sie setzen auch auf die Verbeamtung.

Ja, dieser Schritt ist für mich unumgänglich. Sachsen war eins von zwei Bundesländern, die ihre Lehrer als einzige nicht verbeamtet haben. Das war ein riesengroßer Wettbewerbsnachteil, den wir nun beheben. Das gibt uns die Möglichkeit, Lehrer aus anderen Bundesländern zurückzuholen. Zudem sind mit dem Beamtenstatus ja auch gewisse Verpflichtungen dem Staat gegenüber verbunden.

Sie meinen, Sie können einen Lehrer im Beamtenstatus einfacher nach Kamenz oder Weißwasser dienstverpflichten?

Nun, ganz so einfach sicher nicht. Aber als Dienstherr habe ich Beamten gegenüber schon mehr Möglichkeiten. Wir werden da jetzt sicherlich nicht die große Landverschickung hinbekommen. Die grundständig ausgebildeten Bewerber, auf die wir Wert legen, haben ja auch bestimmte Wünsche und Vorstellungen. Da müssen wir einfach sehen, dass sich unsere Interessen so weit wie möglich annähern. Der ländliche Raum hat ja auch Vorteile, die wir den Bewerbern noch viel stärker aufzeigen müssen: niedrigere Mietpreise, genügend Kita-Plätze, kleinere Klassen und familiärere Schulen zum Beispiel.

Wäre es für Sie auch eine Option, in Polen und Tschechien um Lehrer für Ostsachsens Schulen zu werben?

Auf jeden Fall. Aber da gibt es immer noch zwei Hürden: die Anerkennung des Abschlusses und der Sprachnachweis.

Seiteneinsteiger haben in der Regel gar keinen pädagogischen Abschluss.

Das stimmt. Deshalb muss es auch für Lehrer aus den Nachbarländern unkomplizierte Verfahren geben. Ich hatte dazu bereits ein Gespräch mit dem tschechischen Generalkonsul. Da ging es zwar in erster Linie um Sorbisch-Lehrer. Ich könnte mir das aber auch für andere Fächer vorstellen. Die Tschechen jedenfalls haben Interesse

Die großen Personalprobleme an den Schulen haben sich bereits vor zehn Jahren abgezeichnet. Glauben Sie, dass das jetzt aufgelegte Maßnahmenprogramm eine schnelle Lösung bringt?

Eine schnelle Lösung sicherlich nicht. Da muss man schon realistisch sein. Kurzfristig werden wir auch noch weiter mit der angespannten Situation leben müssen. Unser Maßnahmeprogramm ist erst einmal auf fünf Jahre ausgelegt. Wir müssen jetzt sehen, wie das angenommen wird und wie es sich auswirkt. Wir können auf Dauer nicht weiter auf Seiteneinsteiger setzen. Wir merken schon jetzt, dass dafür die Akzeptanz an den Schulen sinkt. Da müssen wir gegensteuern.

An den Schulen der Region ist jeder fünfte Lehrer älter als 60 und wird in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Das Problem wird nicht kleiner.

Das wissen wir.

Wie lange wird es dauern, bis Sie sagen können, Sie haben es im Griff?

Ich denke, dass die Situation in zwei, drei Jahren deutlich besser aussehen wird. Endgültig im Griff werden wir sie in zehn Jahren haben.

Gespräch: Jana Ulbrich und Thomas Mielke