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Wir haben uns eingedeutscht

Die Dresdner Künstlerin Yini Tao und ihr Mann, der Maler Rao Fu, haben erst hier Weihnachten für sich entdeckt.

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© Thomas Kretschel

Christina Wittich

Chinesen feiern normalerweise kein Weihnachten. Zumindest nicht in China. Aber wir sind in Deutschland, da gehört Weihnachten dazu. Also haben wir uns eine eigene Version des Festes erarbeitet. Wir haben uns eingedeutscht, könnte man sagen. Mein Mann Rao Fu und ich stammen beide aus Nordchina. Ich komme aus der Provinz Yunnan, das liegt in der Nachbarschaft zu Tibet. In dieser Gegend leben wenigstens 23 ethnische und religiöse Minderheiten. Christen sind auch darunter. Die feiern selbstverständlich Heiligabend. Die meisten Menschen in China sind aber Buddhisten. Wir selbst sind nicht religiös. Man könnte sagen, wir feiern unsere Feste so, wie viele Deutsche hier zum Beispiel Ostern oder Weihnachten begehen: Es ist eine wichtige Tradition für uns. Unser größtes Fest ist das Neujahrsfest, das im Februar 2018 wieder stattfindet. Weihnachten ist in China vor allem ein Fest für die Supermärkte.

Ich bin jetzt 39 Jahre alt und ich kann mich noch erinnern, wie ich als Zwölf-, 13-Jährige mit meinen Freundinnen zur Mall gegangen bin. Nachdem China sich geöffnet hatte und Handel möglich war, wuchsen in unserer Stadt diese riesigen Einkaufszentren wie Pilze aus dem Boden. Zu Weihnachten waren die immer besonders reich geschmückt und dekoriert. Vor dem Eingang und manchmal auch noch vor jedem Laden stand ein Weihnachtsbaum. Jedes Geschäft lockte mit Weihnachtsrabatten und extra Weihnachts-Angeboten. Weil das Fest bei uns keine Tradition hat, war es damals einfach ein willkommener Anlass für extra Geschäfte und für uns, zu bummeln und die Auslagen zu bestaunen.

Mit meiner Familie reise ich wenigstens einmal im Jahr nach China. Im November dieses Jahres habe ich außerdem Schüler der Dresdner Montessori-Schule nach Hangzhou begleitet. An der Schule leite ich eine chinesische Kultur- und Kunstwerkstatt, eine Fahrt nach China gehörte zum Lehrplan. Ich habe gedolmetscht und vermittelt. Meine Kollegen waren wirklich erstaunt, wie festlich geschmückt dort die Einkaufsstraßen waren. Festlicher zum Teil als in Deutschland.

In einem Kloster habe ich mir rote Zettel gekauft für unseren Weihnachtsbaum zu Hause. Rot ist in der Lehre des Tao die Farbe für Glück. Auf roten Zetteln schreiben die Menschen ihre Wünsche für das neue Jahr. Die binden sie an Bäume oder Sträucher vor Tempeln. Der Wind trägt die Wünsche dann zu den Geistern. Wir hängen unsere Wunschzettel in den Weihnachtsbaum. Da weht zwar kein Wind, aber wir hoffen trotzdem, dass die Geister uns hören.

Unsere Weihnachtstradition ist langsam gewachsen. Als ich 2004 nach Deutschland gekommen bin, um hier an der Hochschule für Bildende Künste zu studieren, haben mich Freunde zu Weihnachtsfeiern eingeladen. So fing das an. Meinen Mann habe ich an der Hochschule kennengelernt. Nach ein paar Jahren, die wir immer zusammen mit Freunden Weihnachten gefeiert haben, haben wir uns dann selbst ausprobiert. Ein kleiner Plastikbaum war unser erster Schmuck. Heiligabend haben wir mit einer älteren Nachbarin verbracht.

Unser Sohn Kai Yipu ist inzwischen acht, unsere Tochter Lisa Duoya fünf Jahre alt. Seit Kai Yipu drei ist, schmücken wir richtig. Das ganze Programm: Glitzer am Baum, Sterne und Räuchermännchen. Wir haben sogar ein Räuchermännchen, das aussieht wie ein Chinese. Wir gehen zum Adventssingen mit Freunden in die Kirche. „Oh Tannenbaum“ mögen meine Kinder am liebsten. Die Kleinen bekommen vom Advent und von Weihnachten im Kindergarten und in der Schule ja noch viel mehr mit als wir. Die können uns noch etwas beibringen. Ich habe extra gelernt, wie man Kartoffelsalat sächsischer Art zubereitet. Normalerweise sind alle Chinesen gute Köche. Ich bin da wohl eine Ausnahme. Zum Glück habe ich eine Freundin, die mir auch gezeigt hat, wie man Plätzchen backt. Rezepte habe ich ja keine. Heiligabend gibt es bei uns Fisch, Kartoffeln und Kartoffelsalat, Gemüse und ganz viele Süßigkeiten. Wir werden am Nachmittag einen Film schauen im Kino. Abends ist Bescherung. Ein Freund kommt vorbei und spielt den Weihnachtsmann. Wir brauchen eben immer noch einen Weihnachtsbetreuer.