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Winterharte Laubenpieper

Jetzt sitzen die meisten Kleingärtner im Wohnzimmer. Familie Borsdorf aus Riesa nicht.

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© Lutz Weidler

Von Kevin Schwarzbach

Riesa. Die Kleingartenanlage am Reiter versinkt in grauen Wintertönen. Die Sonne kämpft gegen die dichte Wolkendecke, das Thermometer zeigt gerade einmal zwei Grad Celsius. Ende Februar sitzen die meisten Laubenpieper noch in ihren warmen Wohnzimmern, statt blühender Natur erblicken die seltenen Besucher der Kleingartenanlage verwaiste Beete. Nur hier und dort bewegt sich ein Mensch, holt Kisten aus der Laube oder beseitigt Sturmschäden. Alle sind sie kurz angebunden.

Nur in einem Garten herrscht Stimmung wie im Hochsommer. Bernd und Bianca Borsdorf sitzen am Sonnabendvormittag ums Lagerfeuer und genießen die frische Luft unter freiem Himmel. Im Hintergrund spielt Tochter Bonny auf dem Baumhaus, nebenan schläft Sohn Béla im Kinderwagen. Familie Borsdorf fühlt sich in ihrem Garten am Ende des Weges Nummer zehn sichtlich wohl. Daran kann auch das triste Wetter nichts ändern.

Raus aus der Wohnung

„Natürlich ist um diese Jahreszeit in der Kleingartenanlage noch nicht viel los. Es gibt einfach noch nichts zu tun“, sagt Vater Bernd Borsdorf. „Doch wir kommen immer gern her. Wir sind keine Leute, die längere Zeit in ihrer Mietwohnung hocken können. Irgendwann müssen wir mal raus.“ Dann geht es mit den Kindern ab in den Garten, den die Familie vor sechs Jahren von Bernd Borsdorfs Bruder übernommen hat. Damals waren er und Bianca Borsdorf ein Jahr verheiratet und freuten sich über die Alternative zu ihrer Wohnung am Poppitzer Platz.

Die Entscheidung bereuen sie bis heute nicht. „Hier im Reiter ist es wirklich wunderbar. Die Regeln sind nicht so hart, und wir haben alle ein sehr entspanntes Miteinander“, sagt Bernd Borsdorf. „Es gibt auch keine Probleme, wenn man sich ein Baumhaus in den Garten stellt und die Kinder beim Herumtoben mal etwas lauter sind“, ergänzt Bianca Borsdorf. Im Hintergrund klettert die vierjährige Bonny vom Baumhaus auf ihr Fahrrad und radelt durch den Garten. Der vier Monate alte Sohn Béla schlummert in seinem Kinderwagen. Vater Bernd hat dagegen schon so langsam das Gärtnern im Sinn. „Ab April geht es wieder los. Dann ziehe ich die Tomaten vorher im Wohnzimmer an“, so der 35-Jährige.

Später kommen noch Kartoffeln, Kohlrabi, Porree, Zucchini und Gurke ins Beet. „Die verarbeiten wir dann meist zu Salaten“, sagt Bianca Borsdorf. „Es ist einfach ein tolles Gefühl, im Garten Abendbrot zu essen und die Zutaten direkt aus dem eigenen Beet zu holen. Da weiß man, was drin ist, und es schmeckt auch gleich viel besser.“

Bis es so weit ist, stehen für Vater Bernd noch andere Projekte auf dem Plan. Sturmtief „Friederike“ hat den Pavillon in Mitleidenschaft gezogen. Die Dachkonstruktion ist schon wieder zusammengeschweißt, aber das Dach muss noch montiert werden. Danach will Bernd Borsdorf noch das Baumhaus erhöhen. „Man kann schon gut über die Anlage blicken, aber ein bisschen Höhe fehlt noch, damit die Kinder den besten Blick haben.“

Das Plateau auf dem Stamm eines alten Kirschbaums wird demnächst in die Höhe steigen, damit der Ausblick noch besser wird. Und dann steht noch eine Überraschung für die Kinder auf dem Plan. Die vier Füße des Baumhauses sollen umzäunt werden, damit unter dem Baumhaus ein Gehege für Meerschweinchen entsteht. Bianca Borsdorf ist sich sicher: Tochter Bonny wird große Augen machen. „Immerhin ist ihr Kuscheltier ein Plüschmeerschweinchen,“ verrät die 32-Jährige.

Auch wenn die Kleingartenanlage am Reiter in den nächsten Wochen erst langsam aus dem Winterschlaf erwachen wird, im letzten Garten auf der linken Seite von Weg Nummer zehn wird schon mit Hochdruck an den neuen Projekten gearbeitet werden. So wie eigentlich das ganze Jahr. „Irgendwelche Aufgaben stehen immer an. Wir sind winterhart und haben es ja nicht weit von der Wohnung bis in den Garten“, sagt Bernd Borsdorf mit einem Blick zum Pool. Der wird im Sommer sicherlich dafür sorgen, dass die vierköpfige Familie noch häufiger in ihren geliebten Garten kommt.