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Wildschwein-Rettung: das ganze Drama

Feuerwehr, Polizei und Jäger sind in Großschönau zu einer tierischen Rettungsaktion ausgerückt. Ihre Mission ist nicht einfach gewesen.

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Von Holger Gutte

Großschönau.Buchstäblich „Schwein gehabt“, hatten Mensch und Tier am Montagmorgen in Großschönau. Um 8.24 Uhr werden an diesem Tag die Feuerwehren von Großschönau und Waltersdorf alarmiert. Tierrettung. Sechs Wildschweine kommen aus einem Abwasserteich bei Damino nicht mehr heraus, lautet die kurze Meldung. Keine leichte Aufgabe für die Kameraden. Großschönaus Wehrleiter Fabian Hälschke muss nicht nur überlegen, wie sie die Tiere aus dem Teich bekommen, sondern auch an den Schutz der Einsatzkräfte denken. Niemand weiß, wie die Tiere in Freiheit reagieren.

Die Tiere schwammen wie dieses um ihr Leben.
Die Tiere schwammen wie dieses um ihr Leben. © privat
Die Feuerwehr half bei der Rettung.
Die Feuerwehr half bei der Rettung. © privat

Als die Feuerwehrleute bei Damino eintreffen, schwimmen eine Bache mit ihren fünf Überläufern aufgeregt in einem Klärbecken hin und her. Überläufer werden waidmännisch etwa ein Jahr alte Schwarzkittel bezeichnet. Jeder Jährling bringt schon schätzungsweise seine 30 bis 40 Kilogramm auf die Waage. „Ohne Hilfe werden die Tiere nicht mehr herausgekommen“, sagt der Wehrleiter. Das Wasser ist etwa 2,50 Meter tief. Etwa 80 Zentimeter hätten die Wildschweine von der „Wasseroberfläche bis zum steil emporragenden Beckenrand überwinden müssen. Der Klärteich ist mit einer glatten Folie ausgelegt. „Da hätte auch ein Mensch wahrscheinlich keine Chance“, vermutet Fabian Hälschke.

Aber wie können die Tiere befreit werden? Über eine Stunde lang haben das schon Mitarbeiter der Damino vergeblich versucht. Schon um 7.15 Uhr sind die Schweine im Teich entdeckt worden. „Mitarbeiter von uns wollten dort Rasen mähen und die regelmäßige Wasserprobe entnehmen“, schildert Damino-Geschäftsführer Dirk Ladenberger. Bis auf einmal vor vielen Jahren ein Fuchs, ist noch nie ein Tier in eines der drei Klärbecken des Textilunternehmens gefallen. Das Unternehmen ist weiträumig und vollständig umzäunt. Die Wildschweine können nur durch die Lausur, die durchs Gelände fließt reingekommen sein. Seine Mitarbeiter haben schon alles Mögliche versucht, um den Tieren zu helfen. Aber die Tiere nehmen Holzpaletten und andere mögliche Ausstiegshilfen, die ins Wasser gelassen werden, nicht an.

Auch die Feuerwehr hat lange Zeit kein Glück mit ihren Rettungsversuchen. Die Tiere flüchten immer wieder. Werden aggressiver. „Die haben in alles gebissen, was wir reingelassen haben – selbst in die Metall-Leitern“, sagt der Wehrleiter. Inzwischen sind auch zwei Polizisten und vier Jäger eingetroffen. Ein Polizist hat sicherheitshalber sogar eine Maschinenpistole dabei. Sie sollen eingreifen, wenn die Tiere auf Menschen losgehen würden.

Die Kameraden der Feuerwehr setzen die Leitern schließlich als Netze ein, um die Wildschweine in eine Ecke des Teiches drängen zu können. Das funktioniert. Aber die Zeit drängt. „Die Tiere wurden zunehmend immer schwächer“, schildert Fabian Hälschke. Niemand weiß, wie lange sie schon in dem Becken schwimmen. Den Versuch, mit einem Gabelstapler die Wildschweine aus dem Wasser zu holen, geben die Retter schnell auf. „Den Gabelstapler haben die Schweine eher als Bedrohung gesehen“, erzählt Fabian Hälschke.

Ein hölzerner Steg am Teich soll nun als Ausstiegshilfe verwendet werden. Aber auch das klappt nicht so einfach. Mit vereinten Kräften improvisieren die Helfer am Beckenrand. „Ein Mitarbeiter von uns ist mit einem Feuerwehrmann in die alte Schlauchbootfabrik gefahren“, schildert der Damino-Geschäftsführer. Als Vereinsmitglied des dort ansässigen Motorrad-, Veteranen- und Technikmuseums wusste er, dass in den Räumen ein alter Teppich liegt. Der wird auf den Steg genagelt. Für vier der Wildschweine ist das die Lösung. Sie rutschen nicht mehr beim Versuch, den Steg zu erklimmen, ab. Kurz vor 10 Uhr schafft als erstes das Muttertier den Weg in die Freiheit. Drei Jährlinge können ihr folgen. Zwei holt die Feuerwehr mit einer Schlinge aus dem Wasser.

Und blitzschnell sind die Wildschweine wieder verschwunden. Vorsorglich haben die Kameraden den Tieren ihren Fluchtweg vorgegeben. Es wäre ihnen sicherlich leicht gefallen, die aufgestellten Leitern und Absperrungen umzurennen, die sie in die Lausur lenken sollten. Zielstrebig steuern sie jedenfalls in den Fluss und verschwinden kurz darauf im angrenzenden Wäldchen.

„Wir sind froh, dass alles so gut abgelaufen ist“, sagt der Damino-Geschäftsführer. Kein Schuss ist gefallen. Weder Mensch noch Tier haben Schaden genommen – noch nicht mal die Folie des Teiches. Auch der Aufenthalt im Klärbecken hat den Tieren nicht geschadet, ist sich Dirk Ladenberger sicher. Die Wildschweine sind in das dritte Klärbecken gefallen. Dort sind keine Gifte oder Farbstoffe mehr enthalten. Von hier läuft das Wasser wieder geklärt in die Lausur. Um 10.30 Uhr ist nach dem Reinigen der Hilfsmittel auch für die Feuerwehr der Einsatz beendet.