Merken

Wie viele Kiesgruben verträgt die Elbaue?

Zwischen Birkwitz und Pillnitz soll eine weitere Lagerstätte erschlossen werden. Anwohner wehren sich.

Teilen
Folgen
NEU!
© Marko Förster

Von Christian Eissner

Pirna. Die Landschaft ist ein Traum aus dem vorindustriellen Zeitalter: Von der Meuschaer Höhe schweift der Blick über die weite Elbaue Richtung Pillnitz, Borsberg, Pirna und Königstein. Im Vordergrund schlängelt sich zwischen Wiesen und Feldern beschaulich die Müglitz zur Elbe hin. So sah der Dresdner Hofmaler Canaletto um 1760 das Elbtal. Heute breitet sich in der einst beschaulichen Müglitz-Aue Heidenau aus, während die gegenüberliegende Elbseite bei den Dörfern Söbrigen, Birkwitz und Pratzschwitz noch fast genau so aussehen könnte wie auf Canalettos Gemälde. Wäre da nicht der Kies.

Die Mitglieder der Söbrigener Bürgerinitiative tagen regelmäßig auf dem Dorfplatz. Das Einladungsplakat zur Wanderung am 5. Mai halten Hanne Freund (l.) und Steffi Zacharias.
Die Mitglieder der Söbrigener Bürgerinitiative tagen regelmäßig auf dem Dorfplatz. Das Einladungsplakat zur Wanderung am 5. Mai halten Hanne Freund (l.) und Steffi Zacharias. © Marko Förster

Seit den 1970er-Jahren gibt es bei Pirna-Birkwitz und Pratzschwitz Kiesgruben, seit den 1990er-Jahren existiert auch das Vorhaben, nahe dem Dörfchen Söbrigen östlich von Pillnitz eine große neue Grube zu erschließen. Ein Planfeststellungsverfahren dazu läuft seit 2006, es ist bereits das zweite. Aktuell kommt wieder Bewegung in das Verfahren.

Inhaber der Kies-Abbaurechte bei Söbrigen sind die Kieswerke Borsberg aus Heidenau. Sie gehören zur Unternehmensgruppe Valet und Ott mit Sitz in Freiberg am Neckar. Und die Borsberg-Werke wollen Klarheit, wie es in den kommenden Jahren mit dem Kiesabbau weitergeht. Sie haben im vergangenen November beim Sächsischen Oberbergamt einen überarbeiteten Rahmenbetriebsplan eingereicht, um das seit über zehn Jahren laufende Planfeststellungsverfahren voranzutreiben. Die Kieswerke rechnen laut der Unterlagen damit, dass die derzeitigen Abbaufelder bei Pratzschwitz bald erschöpft sein werden. Deshalb möchten sie die Genehmigung, bei Söbrigen eine neue, rund 31 Hektar große Lagerstätte erschließen zu dürfen. Zum Plan gehört auch der Bau eines Kieswerks, das noch einmal knapp fünf Hektar Fläche umfassen soll.

Wanderung gegen den Kies

Mit einer geführten Wanderung möchte die „Bürgerinitiative gegen das Kieswerk Söbrigen“ auf ihr Anliegen aufmerksam machen.

Treffpunkt ist am 5. Mai, 10 Uhr, am Dorfplatz Söbrigen. Die Wanderung führt zum Pillnitzer Weinberg und endet gegen 11.15 Uhr.

Auf der Tour erläutern Mitglieder der Bürgerinitiative die Besonderheiten der Landschaft und erklären die Auswirkungen von Kieswerk und Kiesabbau. (SZ)

Infos gibt es im Internet

1 / 4

Das Vorhaben ist problematisch, nicht nur aus Sicht einer Bürgerinitiative, zu der sich Söbrigener Einwohner zusammengeschlossen haben. Denn die neue Kiesgrube würde sich direkt vor den Pillnitzer Weinbergen in Sichtweite des Pillnitzer Schlosses befinden und die historische Kulturlandschaft stark verändern.

Abbaurecht in letzter Sekunde

Die Bürgerinitiative hat sich an die Städte Dresden und Pirna, an Landesbehörden und Politiker gewandt. So auch an Sachsens Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD). Die Ministerin bat das Sächsische Oberbergamt um Erläuterung und erhielt eine ausführliche Antwort. Entscheidend darin dürfte ein Satz sein: „Genehmigungen für bergbauliche Vorhaben erfolgen auf der Grundlage des Bundesberggesetzes und sind gebundene Entscheidungen, d.h. bei Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen ist der Antrag, ggf. mit Bedingungen, zuzulassen.“

Die Chancen, das neue Abbaufeld zu verhindern, stehen aus Sicht des Bergamtes also nicht gut. Die Krux daran datiert 28 Jahre zurück. Für die Kieslagerstätten zwischen Söbrigen und Pillnitz wurden am 29. September 1990, vier Tage vor der deutschen Wiedervereinigung, noch Bergbauberechtigungen nach DDR-Recht beurkundet und wenige Tage später der Treuhand übereignet. „Da wusste anscheinend jemand ganz genau, wie er sich in letzter Sekunde Rohstofflagerstätten im Osten sichern konnte“, sagt Steffi Zacharias von der Söbrigener Bürgerinitiative. Das Problem: Der Inhaber dieser Abbaurechte kann damit praktisch auf ewig über Grund und Boden verfügen, der ihm noch nicht einmal gehören muss. Die Abbaurechte sind ihm nicht mehr zu verwehren.

Aspekte des Umwelt- und Landschaftsschutzes spielten beim Verkauf der Bergrechte damals keine Rolle. Genau das macht die Situation heute so schwierig. In aufwendigen Planfeststellungsverfahren muss geklärt werden, in welcher Form ein Ausbeuten der Lagerstätten unter Beachtung der Interessen von Mensch und Umwelt vertretbar ist. Dass solche Auflagen allerdings nachgehalten und kontrolliert werden, das hält die Bürgerinitiative für Augenwischerei.

Man habe diesbezüglich weder Vertrauen in das Kies-Unternehmen noch in die Kontrollbehörden, sagen die Anwohner. Zu schlecht seien die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren. Gründe für diese Ansicht legt die Bürgerinitiative in einem aktuellen Schreiben an den Pirnaer Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke (parteilos) und die Dresdner Umwelt-Bürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) dar.

Kein Vertrauen in die Behörden

Die Betreiberfirma vernachlässige ihre Pflichten, heißt es in dem Brief. So werde bei ausgekiesten Lagerstätten entgegen der Planfeststellung auf eine sofortige Rekultivierung der Ufer- und Betriebsflächen verzichtet. Das seit 1996 nicht mehr genutzte alte Kieswerk in Birkwitz sei noch immer nicht zurückgebaut. Auch hätten die Behörden zuglassen, dass die Kieswerke jahrelang mit Sedimenten belastetes Kies-Waschwasser in den Birkwitzer See eingeleitet haben. Obwohl die Abbau-Genehmigung unter anderem an die Bedingung geknüpft ist, dass sich der Zustand von Gewässern nicht verschlechtern darf, ist der Seegrund jetzt verschlammt. Erst im vergangenen Jahr wurde die Waschwasser-Einleitung in den See beendet.

Wenn sich der neue Tagebau nicht komplett verhindern lassen sollte, dann müsste zumindest dafür gesorgt werden, dass die bereits abgeschlossenen und derzeit noch offenen Bergwerksfelder ordnungs- und vertragsgemäß rekultiviert werden, bevor die neue Grube erschlossen werde, fordert die Bürgerinitiative. Ziel bleibe es dennoch, Kiesgrube und Kieswerk möglichst gar nicht entstehen zu lassen.

Wann das Planfeststellungsverfahren zum Kiesabbau in seine nächste Phase, die öffentliche Auslegung, geht, das steht noch nicht fest. Das Oberbergamt in Freiberg teilt auf SZ-Anfrage mit, derzeit würden alle Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität geprüft. Wenn die Pläne dann öffentlich einsehbar sind, sodass Betroffene ganz offiziell ihre Einwände und Bedenken geltend machen können, dann, sagt Steffi Zacharias von der Söbrigener Bürgerinitiative, „ist eigentlich schon alles zu spät“.