Merken

Wie Ministerpräsidenten sich aus dem Weg gehen

Die erste Botschaft, die vom CDU-Parteitag in Löbau ausgeht, ist keine versöhnliche - das Treffen beginnt mit einer Posse, die die Gräben in der sächsischen Union für einen Moment schonungslos offenlegt.

Teilen
Folgen
© A. Binninger

Von Annette Binninger

Löbau. Die erste Botschaft, die vom CDU-Parteitag in Löbau ausgeht, ist keine versöhnliche, dieses Treffen beginnt mit einer Posse, die aber die Gräben in der sächsischen Union und ihren Ministerpräsidenten für einen kurzen Moment schonungslos offenlegt.

Kurz vor Beginn des Partei-Treffens, auf dem eigentlich Michael Kretschmer zum Nachfolger von Stanislaw Tillich an der Parteispitze zu gewählt werden soll, betritt Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf mit Gattin Ingrid die Halle. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere begüßt ihn freundlich so wie etliche andere Parteifreunde es tun. Da sitzt Alt-Ministerpräsident Georg Milbradt noch gelassen in der ersten Sitzreihe auf einem Ehrenplatz. Recht allein. Er fragt noch besorgt, neben wem er denn sitze. Als ihm jemand zuraunt, dass der Platz neben ihm für Ingrid Biedenkopf vorgesehen ist, stöhnt er auf. Das mache er nicht mit, murmelt er genervt. Milbradts Verhältnis zu den Biedenkopfs ist seit Jahren angespannt, vergiftet hatte es zuletzt vor allem Biedenkopfs legendäres Urteil über Milbradt, er sei zwar ein guter Fachmann, aber ein schlechter Politiker. Seitdem gehen sich alle gepflegt aus dem Weg.

Doch es kommt noch schlimmer. Als die Biedenkopfs sich auf ihre Plätze in der Ehren-Reihe setzen – Ingrid Biedenkopf gleich neben Georg Milbradt, steht der noch kurz wegen einer Unterhaltung mit dem Rücken zu den beiden neu dazu gekommenen. Dann dreht sich Milbradt um und begrüßt die beiden Biedenkopfs. Klar, aber mit höflich-ernster Miene.

Derweil rauscht es im Hintergrund heftig: Erste Kritik an der Parteitags-Regie wird laut. Wer hat nur ausgerechnet Ingrid Biedenkopf und Georg Milbradt nebeneinander gesetzt? Jemand müsse sich „opfern“, heisst es – und sich zwischen die beiden setzen. Am Ende muss ein hochrangiger „Puffer“ helfen: Staatskanzleichef Fritz Jäckel setzt sich charmant lächelnd wie ein Entertainer zwischen die beiden, parliert freundlich und versucht die gedrückte Stimmung in der ersten Reihe wieder zu heben. Doch da hat sich Ingrid Biedenkopf schon selbst geholfen: Sie wechselt die Seiten, setzt sich einfach von der rechten an die linke Seite ihres Gatten. So etwas wie, dass sie das nicht mitmache, soll sie da nach Ohrenzeugen bereits gemurmelt haben.

Ein anderer Ministerpräsident ist dem Ganzen bereits gekonnt aus dem Weg gegangen: Stanislaw Tillich weicht schrittweise aus in einen Nebengang zwischen den Parlamentariern, während die Biedenkopfs nach vorne gehen. Auch zwischen diesen beiden gibt es viel verbrannte Erde und seit langem kein gutes Wort mehr. Kurt Biedenkopf hatte Tillich kurz nach der Wahl per Zeitungsinterview als Regierungschef abgekanzelt. Tillich fehle die „Vorbildung“, er sei nicht entscheidungsfreudig – kurzum: ungeeignet für das hohe Amt. Tillich verlässt kurz die Halle und wird auch nach seiner Rückkehr, damit der Parteitag beginnen kann, den Biedenkopfs gleich in der ersten Reihe vor ihm nicht die Hand geben. Es ist Michael Kretschmer, der sie schließlich da vorne per Handschlag herzlich begrüßt. Doch der nächste „Fauxpas“ lässt nicht lange auf sich warten. Als Stanislaw Tillich

Und Ingrid Biedenkopf schimpft in der ersten Reihe, dass sie von Tillich nicht genannt und begrüßt worden sei. Ein wenig versöhnlich wird dann kurz darauf wenigstens Kurt Biedenkopf. Als Tillich seine Abschiedsrede als Parteichef beendet, stehen die Delegierten auf zum Schluss-Applaus. Auch Kurt Biedenkopf. Doch neben ihm fordert seine empörte Gattin: „Setz Dich hin“ – und zupft ihm energisch am Ärmel.

Man wolle noch versuchen, nach der Wahl Kretschmers zum Ministerpräsidenten am kommenden Mittwoch ein Gruppen-Foto von allen vier sächsischen CDU-Ministerpräsidenten hinzubekommen, heisst es später am Rande des Parteitags. Bis dahin dürfte allerdings noch einige Überzeugungsarbeit notwendig sein.