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Wie kam der Infinus-Manager in der Haft an Handys?

In der Zelle des 51-Jährigen wurden zwei Telefone sichergestellt. Er soll sie bei einem Beamten bestellt haben.

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© Ronald Bonß

Von Alexander Schneider

Grauer Anzug, weißes Einstecktuch: Wenn Kewan Kadkhodai zum Prozess kommt, macht er stets eine gute Figur. Seit November 2015 ist der 51-jährige Ex-Manager regelmäßig im Dresdner Justizgebäude – als Angeklagter. Kadkhodai ist einer von sechs Infinus-Managern, denen die Staatsanwaltschaft einen millionenschweren Anlagebetrug vorwirft. Inzwischen geht der Prozess vor der Wirtschaftskammer des Landgerichts Dresden in die finale Phase, nach immerhin 144 Verhandlungstagen.

Seit Mittwoch jedoch muss sich Kewan Kadkhodai in einem weiteren Strafprozess am Amtsgericht Dresden verantworten. Ihm wird nun Bestechung und Anstiftung zur Bestechung vorgeworfen. Der ehemalige Infinus-Vertriebsleiter soll sich während seiner Zeit in der Untersuchungshaft in der Dresdner Justizvollzugsanstalt (JVA) zwei Handys „besorgt“ haben. Kadkhodai habe über Mittelsmänner einen Justizbediensteten bestochen, der ihm die Smartphones für 30 Euro geschmuggelt habe. Ende November 2015, wenige Tage nach dem Auftakt des Infinus-Prozesses wurde ein Handy in Kadkhodais Zelle sichergestellt. Nur wenige Tage später habe er einen Mitgefangenen beauftragt, ihm ein weiteres Smartphone zu besorgen. Das wurde im Februar 2016 bei Kadkhodai entdeckt.

Knapp drei Jahre hatte Kadkhodai in U-Haft gesessen, heißt es nun in seiner Anklageschrift – von November 2013 bis September 2016. Der in Köln geborene Deutsche war möglicherweise jedoch nur einer der prominenteren Handy-Abnehmer des umtriebigen Justizbediensteten. Der 54-jährige JVA-Beamte wurde im März vergangenen Jahres bereits wegen Bestechlichkeit in 44 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Er hatte alle Vorwürfe gestanden – neben Mobiltelefonen hat er Gefangenen auch Alkohol und Zigaretten besorgt. Demnach sollen inhaftierte Komplizen des Bediensteten teilweise selbst im Internet Handys bestellt haben und an die Privatadresse des 54-Jährigen liefern lassen. 30 Euro habe er für das Einschmuggeln der Geräte genommen.

Im Jahr 2015 wurden 145 Handys in der Dresdner JVA sichergestellt, 2016 waren es nur noch 68. Die Staatsanwaltschaft geht daher davon aus, dass es sich bei den 44 Fällen nur um die „Spitze des Eisbergs“ gehandelt habe. Nach dem Prozess gegen den Ex-Justizbeamten ist Kadkhodai nun einer der ersten seiner Handy-Abnehmer, die sich vor Gericht verantworten müssen.

Die Staatsanwaltschaft konnte nicht beziffern, wie viele derartige Verfahren anhängig sind. Bekannt wurde jedoch, dass einige Ermittlungsverfahren eingestellt wurden – etwa im Hinblick auf die zu erwartende Strafe der Beschuldigten. „Verfahren dieser Art werden grundsätzlich verfolgt“, sagt Oberstaatsanwalt Lorenz Haase, der Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft.

Bittere Ironie

Dass es nun ausgerechnet den Infinus-Manager trifft, der sich parallel in Sachsens größtem Wirtschaftsprozess zu verantworten hat, ist eine bittere Ironie des Schicksals. Im Falle einer Verurteilung für den Anlagebetrug drohen Kadkhodai nicht nur noch einige weitere Jahre hinter Gittern, sondern auch Gerichts- und Verteidigerkosten im mindestens sechsstelligen Bereich. Das allein wäre Grund genug gewesen, die Sache mit den Telefonen einzustellen, sagte Kadkhodais Verteidiger Rolf Franek am Mittwoch. Die Staatsanwaltschaft habe eine Einstellung abgelehnt, weil Kadkhodai sich nicht zu dem Vorwurf geäußert habe. Auch zum Prozessauftakt schwieg der 51-Jährige. Mit angeklagt ist sein Bruder, ein 44-jähriger Bankkaufmann aus Frankfurt/Main. Ihm soll die Sim-Karte gehört haben, die im zweiten Handy steckte, das bei Kadkhodai sichergestellt worden war. Hat sich Kadkhodai bisher nicht geäußert, um seinen Bruder zu schützen?

Verteidiger Franek kritisiert die Telefon-Überwachung, die die Polizei zu seinem Mandanten geführt habe. Sie sei ein zu drastischer Eingriff. Der frühere Mitgefangene Frank H. sagte aus, er habe das Handy für Kadkhodai bei dem JVA-Beamten bestellt. Bestraft wurde H. nicht dafür, das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.

Fehlerhaft ist offenbar auch das Formular des Telefonüberwachungsauftrags der Polizei: Telefon- und Handynummer sowie der Name des Verdächtigen Frank H. passten nicht zusammen. Der Prozess muss daher fortgesetzt werden. Das Gericht hat drei weitere Sitzungstage bis Ende April angesetzt. Nach jetziger Planung könnte bis dahin auch der Infinus-Prozess enden.