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Wie gut es Rentnern wirklich geht

Mit dem Ruhestand lockt die Freiheit, sich lange gehegte Wünsche endlich zu erfüllen. Aber nicht bei allen Sachsen reicht das Geld dafür.

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© cultura rf / vario images

Von Susanne Sodan

Wenn Andreas Rieger das Fitnessstudio betritt, gehört er zu den Jüngsten. „Und ich bin jetzt Mitte 50“, erzählt der Sprecher der Ostsächsischen Sparkasse Dresden. „Ich habe den Eindruck, die jetzige Senioren-Generation ist so aufgeschlossen und aktiv wie nie zuvor.“ Das zeigt sich auch an den unzähligen Angeboten speziell für ältere Menschen. Reisen, Tanzkurs, Theater-Abo, oder doch lieber ein neues Auto? Aber es gibt auch die andere Seite: Die Angst vor Altersarmut wächst in Ostsachsen. Was also können sich die Senioren heute wirklich leisten?

Wie viel Geld haben die sächsischen Rentner in der Tasche?

1 902 Euro. So hoch ist das durchschnittliche verfügbare Einkommen eines Rentnerhaushaltes in Sachsen pro Monat. Die Zahl ergibt sich aus einer Stichprobe des statistischen Landesamtes. In den meisten Fällen zählen zu einem Rentnerhaushalt zwei Personen – die meisten Senioren in Sachsen, 61 Prozent, sind verheiratet. Fast 36 Prozent leben ohne einen Partner, beinahe drei Prozent in einer Lebensgemeinschaft. Die Zahlen der Deutschen Rentenversicherung unterlegen den Wert aus der Stichprobe. Männer in Ostdeutschland bekommen im Schnitt 1 111 Euro Rente, Frauen 824 Euro. „Bis jetzt sind die Rentner bei uns im Allgemeinen zufrieden mit ihrem Einkommen“, sagt Andreas Rieger. Ob das aber so bleibt, stellt er infrage.

Wo liegen die Unterschiede zu westdeutschen Rentnern?

Deutlich werden an den aktuellen Rentenauszahlungen die unterschiedlichen Familien- und Arbeitsmodelle in Ost- und Westdeutschland der vergangenen Jahrzehnte. Die ostdeutschen Frauen waren häufiger und länger berufstätig. Sie bekommen im Schnitt fast 260 Euro mehr gesetzliche Rente als die Frauen in Westdeutschland. Bei den Männern ist das Verhältnis ausgeglichener. Das heißt allerdings nicht unbedingt, dass westdeutsche Rentner-Haushalte insgesamt weniger in der Tasche haben. Es geht bei diesen Zahlen immer nur um die gesetzliche Rentenversicherung. Und die macht bei den Männern in den ostdeutschen Bundesländern 88 Prozent des Einkommens aus, in den westdeutschen Bundesländern nur 54 Prozent. Dort greifen auch andere Vorsorgemodelle, zum Beispiel die betriebliche Altersversorgung und Pensionen.

Wie sehen die Prognosen für die Zukunft aus?

Für viele Neurentner wird die Situation nicht besser. Darauf weisen zumindest die Beträge derer hin, die 2014 zum ersten Mal Rente bekommen haben. Die ostdeutschen Männer liegen bei 952 Euro, Frauen bei 838 Euro. Dazu kommt: In den nächsten Jahren werden in Ostdeutschland viele in Rente gehen, die nach der politischen Wende ihre Arbeit verloren und nie mehr richtig im Berufsleben Fuß gefasst haben.

Woher kommt die Angst vor der Altersarmut – und ist sie berechtigt?

Bis jetzt hält sich das Risiko für Armut im Alter in Grenzen. „Um bei dem Thema eine Aussage treffen zu können, schaut man meistens auf die Grundsicherung im Alter“, erklärt Andreas Hoff. Er ist Professor für Soziale Gerontologie an der Hochschule Zittau/Görlitz. Die Grundsicherung erhalten Menschen, die mit ihrem Einkommen aus der Rente allein nicht leben können. Derzeit sind in Sachsen über 11 000 Senioren betroffen, ein reichliches Prozent. „Das hört sich erst einmal sehr wenig an“, sagt Andreas Hoff. „Wenn wir uns aber anschauen, wie viele Menschen unter die Armutsrisikoquote fallen, sehen die Zahlen ganz anders aus.“ Zur Armutsrisiko-Gruppe gehören die Menschen, die weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Nettohaushaltseinkommens ihrer Altersgruppe zur Verfügung haben. Laut dem Armuts-Atlas der Stuttgarter Lebensversicherung sind in Sachsen 11,5 Prozent der Rentner armutsgefährdet. Aus Gesprächen mit den Kunden lasse sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren eine steigende Angst vor finanziellen Sorgen erkennen, teilt Andreas Hackel, Prokurist der Volksbank Pirna, mit. „Sicher spielen diffuse Ängste eine Rolle. Fakt ist aber auch eine steigende Anzahl von Rentnern und Rentnerinnen, welche sich mit kleinen Nebenjobs ihre finanzielle Situation aufbessern.“

Wofür geben die sächsischen Rentner ihr Geld aus?

Auch darüber gibt die Stichprobe Auskunft. Der größte Teil geht für die Wohnungsmiete und Energiekosten drauf, im Schnitt 594 Euro pro Monat. Gemeint ist auch bei den Ausgaben immer der Haushalt. Ein großer Posten sind auch die Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren – im Schnitt 260 Euro. Dass sich die meisten Rentner keinesfalls aus dem kulturellen Leben in ihrer Gemeinde oder ihrer Stadt zurückziehen, zeigen die Ausgaben im Bereich Freizeit und Kultur. Dafür legen die sächsischen Rentner im Schnitt 238 Euro im Monat hin. Das ist nur geringfügig weniger als bei Menschen, die noch im Arbeitsleben stehen. Mehr Geld geben die Älteren dagegen für die Gesundheit aus, etwa 72 Euro pro Monat. „Nicht zu unterschätzen ist auch das Geld, mit dem Senioren ihre Kinder und Enkel unterstützen“, sagt Andreas Hoff. „Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war es eher umgekehrt. Die jüngere und mittlere Generation unterstützte die ältere finanziell“, erklärt Hoff. „Heute sparen viele Ältere lieber an dem, was sie sich selber leisten könnten, um den Enkeln etwas geben zu können.

Auto, Haus, Hobby – was ist wirklich wichtig für die Älteren?

Der Familie finanziell helfen zu können, für viele Senioren mache das sogar einen Teil der Lebenszufriedenheit aus. Ein anderer wichtiger Punkt für die Senioren: Teilhaben am gesellschaftlichen Leben. Das ist der Grund, warum viele zum Beispiel lange am eigenen Auto festhalten. „In den ländlichen Gebieten ist die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel oft nicht so toll. Und mit dem Alter sowie durch den Fortzug der Jüngeren dünnen auch die Unterstützungsnetzwerke aus.“ Um weiter am kulturellen und gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, ist das Auto unerlässlich.

Der Immobilienmarkt boomt – machen die Älteren mit?

Ja, allerdings in einer anderen Form als jüngere Generationen. „Schön zu leben gehört bei unseren älteren Kunden zu den wichtigsten Wünschen“, sagt Dieter Hoefer, Sprecher der Dresdner Volksbank Raiffeisenbank. „Wer selber ein Haus hat, baut das zum Beispiel noch einmal um, um darin altersgerecht wohnen zu können.“ Auch hier spiele wieder die Vorsorge für die Familie mit hinein: Viele Hausbesitzer wollen mit einem Umbau oder einer Renovierung den Wert der Immobilie erhalten – für die Kinder. Ein anderer Trend: raus aus dem Haus, rein in die Wohnung. „Gerade für Eigentumswohnungen, die seniorengerecht gebaut sind, bemerken wir einen Anstieg der Nachfrage“, sagt Andreas Rieger. Aber nicht jeder kann sich das leisten. „Bis jetzt ist es so, dass die Menschen über 65 Jahre in Ostdeutschland beim Wohneigentum unterrepräsentiert sind“, sagt Andreas Hoff. Die meisten sächsischen Rentner, mehr als zwei Drittel, leben zur Miete, statt im eigenen Haus.

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