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Wie geht´s weiter in Weißwassers Rathaus?

Torsten Pötzsch führt die Geschäfte. Sein möglicher zweiter Amtsantritt kann sich jedoch erheblich hinauszögern.

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© Jens Trenkler

Von Christian Köhler

Weißwasser. Die Wahl des Oberbürgermeisters in Weißwasser beschäftigt nun schon seit mehr als zwei Monaten die gesamte Stadt. Noch immer ist nämlich nicht geklärt, wann und ob das neue Stadtoberhaupt seine Amtszeit antreten kann. Während der Stadtratssitzung am Mittwochabend hat Stadtjustiziarin Esther Liebal nun die gegenwärtige Rechtslage erläutert.

Wer führt nun die Geschäfte als Stadtoberhaupt in Weißwasser?

„Der bisherige und wiedergewählte Oberbürgermeister Torsten Pötzsch führt die Geschäfte ohne Unterbrechung weiter und setzt sein Dienstverhältnis unverändert fort“, erklärt Esther Liebal. Dabei habe er alle Rechte, die einem Bürgermeister per Gesetz zukommen, „insbesondere das Stimmrecht im Stadtrat und in den Ausschüssen“.

Warum darf Torsten Pötzsch die Geschäfte weiterführen?

Die Justiziarin erklärt, dass ein gewählter Bewerber für das Oberbürgermeisteramt erst dann nach dem Gesetz sein Amt antreten darf, „wenn die Rechtsaufsichtsbehörde die Gültigkeit der Wahl festgestellt und über eine Wahlanfechtung rechtskräftig entschieden worden ist“.

Zwar hatte OB-Kandidat und Stadtfinanzer Rico Jung sowie die Weißwasseranerin Yvonne Kick Anfang Oktober Einspruch gegen das Wahlergebnis eingelegt, jedoch hatte der Landkreis als Aufsichtsbehörde diese abgelehnt. Allerdings erklärte Kommunalamtsleiter Karl Ilg nach der Ablehnung der Einsprüche: „Das weitere Verfahren hängt nun von den Einspruchsführern ab. Gegen die Entscheidung des Kreises können sie innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim Verwaltungsgericht Dresden einlegen.“ Wäre dies nicht geschehen, hätte dem erneuten Amtsantritt von Torsten Pötzsch nichts mehr entgegengestanden. Rico Jung jedoch überzeugte die Einschätzung des Landkreises nicht und er klagte am 21. November in Dresden. Damit ist genau genommen nur eine von zwei Voraussetzungen für die zweite Amtszeit von Torsten Pötzsch erfüllt.

Welchen Einfluss hat die Klage auf die Amtsausübung von Torsten Pötzsch?

Über die Wahlanfechtung musste die Rechtsaufssicht in Görlitz innerhalb eines Monats entscheiden. Das legt das Wahlgesetz fest. Eine Anfechtung vor Gericht jedoch kann den Amtsantritt wesentlich länger hinauszögern, denn es gibt selbst nach einem Urteil in erster Instanz noch die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen den Richterspruch einzulegen. „Da eine Entscheidung erst rechtskräftig ist, wenn sie nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbar ist, kann sich bei vollem Ausschöpfen des Instanzweges der Amtsantritt mitunter erheblich hinausschieben“, erklärt Esther Liebal den Stadträten in Weißwasser. Damit ist es durchaus möglich, dass noch Monate bis zu einem Urteil vergehen können.

Wann kann mit einem Urteil vor Gericht gerechnet werden?

Auf SZ-Nachfrage beim Verwaltungsgericht in Dresden erklärt dessen Sprecher Robert Bendner: „Aktuell entscheidet die 7. Kammer in Verfahren aus den Jahren 2014, 2015 und 2016. Klageverfahren aus 2017, insbesondere Klageeingänge ab dem 23. November 2017, stehen aktuell nicht zur Terminierung an.“ Dementsprechend könne keine Angabe darüber gemacht werden, wie lange sich die Entscheidung hinzieht. Und dabei gehe es zunächst „nur“ um die erste gerichtliche Instanz. Denn, so beschreibt Robert Bendner weiter, mithilfe von Rechtsmitteln wie etwa die Berufung oder die Revision könnten sich weitere Instanzen wie das Oberverwaltungsgericht in Bautzen oder das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit der Wahlentscheidung in Weißwasser beschäftigen. „Das hängt jedoch vom Urteil des Verwaltungsgerichtes und dessen Begründung ab“, so Bendner. Entscheidend könnte dabei die Frage sein, ob die OB-Wahl neben dem Landesrecht des Freistaates auch Bundesrecht berührt – und damit für andere Bürgermeisterwahlen in Deutschland zu einem Präzedenzfall wird.

Was sieht der Gesetzgeber in diesem Falle vor?

Der deutsche Staat hat ein Interesse daran, dass die Stadtverwaltung, deren Chef der Oberbürgermeister ist, trotz der Klage gegen die Wahl weiterhin funktioniert. Es gilt deshalb der Grundsatz, „dass der bisherige Bürgermeister das Recht und die Pflicht hat, die Geschäfte nach Freiwerden seiner Stelle solange weiterzuführen, bis der neugewählte Bürgermeister das Amt antritt“, stellt Justiziarin Esther Liebal klar.

Wann entfällt die Pflicht zur Weiterführung des Amtes?

Es gibt tatsächlich Ausnahmen, die eine Weiterführung der Geschäfte des Oberbürgermeisters verhindern würden, wie Esther Lieball erläutert. Beispielsweise dann, wenn Torsten Pötzsch die Fortführung der Amtsgeschäfte in Weißwasser schriftlich ablehnen würde. „Das ist vorliegend nicht gegeben“, so die Justiziarin. Darüber hinaus müsste Pötzsch sein Amt abgeben, wenn er entweder seines Amtes enthoben oder wegen eines Verbrechens angeklagt ist. „Auch das ist nicht der Fall“, betont Esther Liebal. Ein Beispiel für eine Amtsenthebung gab es im brandenburgischen Guben, nämlich als Klaus-Dieter Hübner (FDP) wegen Korruption zunächst angeklagt und dann verurteilt wurde. Als dritter Grund käme infrage, wenn die Wiederwahl gescheitert wäre. „Diese Regelung ist aber nicht einschlägig, da der bisherige Amtsinhaber wieder gewählt ist“, sagt Esther Liebal mit Blick auf das Wahlergebnis (siehe Infobox).

Wird ein Amtsverweser in Weißwasser bestellt?

„Nein“, sagt die Justiziarin. Ein Amtsverweser, der den Bürgermeister vertritt, müsste vom Stadtrat eingesetzt werden, wenn keine gewählte Person dieses Amt ausüben könnte. „Auch dies ist nicht der Fall“, wird den Stadträten erklärt.

Insofern bleibt Torsten Pötzsch Weißwassers Oberbürgermeister – auch wenn sich gerichtlich noch Monate mit der Rechtmäßigkeit der Wahl beschäftigt werden könnte.