Merken

Wie brandsicher sind Wohnblocks?

Die Feuerwehren sind auf Notfälle in den Gebäuden gut vorbereitet. Die Probleme liegen woanders.

Teilen
Folgen
© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Wolfgang Güttler weiß, was er zu tun hat, wenn’s brennt. „Runter in die Neunte laufen und den Übergang zum Fluchtweg nehmen“, erklärt der Rentner mit größter Selbstverständlichkeit. Seit 30 Jahren wohnt der 82-Jährige in Bautzens einzigem Hochhaus – ganz oben im zehnten Stock. Vom Balkon springen, wie es das Ehepaar aus der dritten Etage im Notfall tun würde, wäre von ganz oben tödlich. Zu DDR-Zeiten, sagt Wolfgang Güttler, hätte die Feuerwehr ihn nicht mal mit einer Leiter retten können. Sie hatte nämlich keine. Und auch den zweiten Fluchtweg in der neunten Etage gab es damals noch nicht.

Ist alles brandsicher am Hochhaus? Bautzens stellvertretender Wehrleiter Sandro Stübner auf Kontrolltour im Neubaugebiet.
Ist alles brandsicher am Hochhaus? Bautzens stellvertretender Wehrleiter Sandro Stübner auf Kontrolltour im Neubaugebiet. © Steffen Unger

Heute steht der Bautzener Feuerwehr für das Hochhaus im Stadtteil Gesundbrunnen eine 23-Meter-Drehleiter zur Verfügung. Die reicht bis hinauf zu Wolfgang Güttler. Es gibt einen genauen Einsatzplan, wie die Helfer damit an jede einzelne Wohnung gelangen. „Das wird geübt und immer wieder überprüft“, sagt Bautzens stellvertretender Wehrleiter, Sandro Stübner. Dass es im Kreis Bautzen zu Bränden mit solchen verheerenden Ausmaßen wie vor Kurzem in London kommen könnte, kann Stübner sich nicht wirklich vorstellen. „Ich denke, wir sind für solche Brandfälle sehr gut gewappnet“, sagt der Feuerwehrmann.

Da sind allein schon die strengen Bauvorschriften in Deutschland, in denen der Brandschutz eine wichtige Rolle spielt. In Hochhäusern und öffentlichen Gebäuden beispielsweise sind getrennte Fluchtwege und feuersichere Türen zwingend vorgeschrieben. Für den Bau dürfen auch keine brennbaren Materialien verwendet werden. Zudem sind Rauchmelder heute Pflicht und bei jedem Neubau – selbst beim Eigenheimbau – vorgeschrieben.

Löschwasserzugang freihalten

Sandro Stübner ist zum Hochhaus in Gesundbrunnen gefahren. Er will nachsehen, ob der Zugang zur Löschwassereinspeisung gut freigehalten und womöglich nicht von Sträuchern zugewachsen ist. Der schnelle Zugang zu dem unscheinbaren roten Kasten neben dem Eingang kann im Ernstfall überlebenswichtig sein. Über die hausinterne Anlage mit Steigleitungen wird im Brandfall dafür gesorgt, dass auch ganz oben bei Herrn Güttler noch ausreichend Löschwasser zur Verfügung steht.

Der Bautzener Elfgeschosser zählt aufgrund seiner Höhe zu den Bauten im Landkreis, auf die die Feuerwehren ein besonders Augenmerk legen. Auch die Hochhäuser in Hoyerswerda gehören in die Liste solcher besonderen Objekte – genauso wie Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen- und Kindereinrichtungen, große Ämter und Verwaltungsgebäude oder Fabriken und Produktionshallen. Regelmäßig finden dort Brandverhütungsschauen statt, bei denen sich die Brandschutzexperten der Feuerwehr bis in jeden Winkel hinein penibel umsehen – bis dahin, ob auch die Fluchtwegpläne für jeden sichtbar aushängen.

Wenn ihnen bei den Kontrollen etwas auffällt, das nicht den Bestimmungen entspricht oder im Ernstfall zur Gefahr werden könnte, schicken sie an den zuständigen Träger einen Mängelbericht. Im Bautzener Gesundbrunnen-Hochhaus sind es mal wieder Schuhe und Schränkchen vor den Wohnungstüren, die Sandro Stübner stören. „Wir müssen die Mieter immer wieder darauf hinweisen, dass nichts ins Treppenhaus gestellt werden darf“, sagt er. „Wenn so ein Schuhschränkchen brennt, kann es viele Verletzte geben“. Als Beispiel nennt er einen Brand in einem Wohnblock. Ein Brandstifter hatte „nur“ einen Kinderwagen im Hausflur angezündet. Mehrer Bewohner des Hauses mussten anschließend mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Es ist auch ein großes Problem, sagt Stübner, dass viele Bewohner in großen Mehrfamilienhäusern gar nicht wissen, wie sie sich im Fall eines Brandes verhalten müssen. Immer wieder machen die Feuerwehrleute diese Erfahrung. Da steht Brennbares in Treppenhäusern, da sind die selbstschließenden Eingangstüren zu den Wohnungen verkeilt. „Viele wissen auch nicht, dass es besser ist, die Tür fest geschlossen zu halten und in der Wohnung oder auf dem Balkon auf Hilfe zu warten, als in ein verqualmtes Treppenhaus zu flüchten“, sagt Stübner. „Rauchgasvergiftungen sind bei Bränden in Mehrgeschossern die häufigste Todesursache – nicht nur in Hochhäusern.“

Es gibt konkrete Einsatzpläne

Für den Elfgeschosser in Bautzen hat die Feuerwehr einen exakten Einsatzplan. Jeder weiß im Ernstfall genau, was zu tun ist und wo er hin muss. Solche Einsatzpläne mit genauen Lageplänen und Karten gibt es auch für andere größere Objekte. Es ist genau festgelegt, wie viel Mann und welche Technik benötigt werden. Regelmäßig sind die Feuerwehrleute auch vor Ort, schauen sich genau um und prägen sich Wege und Abläufe ein. Vor Kurzem zum Beispiel haben sie das verwinkelte Krankenhausgelände genau inspiziert, um dort im Ernstfall schnellstmöglich an jeder x-beliebigen Stelle sein zu können.

Auch regelmäßige Übungen gehören dazu, wenn es darum geht, Katastrophen wie in London zu verhindern. Vor Kurzem haben die Bautzener Feuerwehrleute simuliert, zwölf eingeschlossene Mitarbeiter aus der Arbeitsagentur zu retten. In einer Kindereinrichtung haben sie getestet, wie die schnelle Evakuierung von Kindern klappt, im Hotel Best Western, ob die Fluchtwege funktionieren. Einsatztechnisch gab es keine Probleme, sagt Sandro Stübner. Das größte Problem für die Wehren ist ein anderes: die Einsatzfähigkeit überhaupt. Es gibt immer weniger freiwillige Einsatzkräfte – vor allem auf dem Land.