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Wettrennen um das Görlitzer Kaufhaus

Noch hat das „Hertie“ keinen neuen Besitzer. Eine Entscheidung könnte Mitte April fallen.

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© Nikolai Schmidt

Von Sebastian Beutler

Für Sebastian Mogos-Lindemann ist die Sache ganz einfach. Er ist in Berlin Mitarbeiter des Immobilienmaklers CR Investments, der die noch verbliebenen Hertie-Kaufhäuser an Investoren verkaufen soll. „Wer das Geld hat, kann morgen den Verkaufsvertrag von mir bekommen.“ Etwas mehr als zwei Millionen Euro sind derzeit nötig. Doch was so einfach klingt, ist eben in der Wirklichkeit nicht ganz so simpel.

Nach wie vor die besten Karten für das Hertie hat der Braunschweiger Projektentwickler Jörg Papendieck. Mit ihm gibt es praktisch einen ausgehandelten Vertrag. Ehe Papendieck unterschreiben will, lässt er aber nach eigenen Aussagen noch klären, wie hoch die Investitionskosten und damit künftig auch Mieten und Nebenkosten ausfallen werden. Die Gebäudesubstanz wird durch den Leerstand nicht besser. 21 Städte mit unverkauften Hertie-Häusern hatten im September vergangenen Jahres in der Binger Erklärung davon gesprochen, dass „markante, die Innenstädte prägende, Kaufhausgebäude zusehends zu Bauruinen verkommen“. Da will Papendieck auf Nummer sicher gehen und Klarheit darüber, ob und wie das Kaufhaus wirtschaftlich zu betreiben geht. Erfüllen die Untersuchungen aber seine Erwartungen, will er in der zweiten Aprilhälfte den Vertrag unterzeichnen. Ob Adler-Modemärkte und das Woolworth-Kaufhaus zu seinen potenziellen Mietern gehören, kann Papendieck aus Rücksicht auf seine Pläne nicht sagen. Aber er habe bereits Vorabverträge mit Mietern geschlossen. Sie kämen zum Tragen, wenn der Verkauf stattfindet.

Es wäre Papendiecks erstes geglücktes Vorhaben in Görlitz. Bislang scheiterten seine Vorstöße an der Stadt. Vergeblich hatte er sich vor Jahren darum bemüht, ein Fachmarktzentrum im Schlachthof-Gelände zu errichten. Auch seine Pläne für den Güterbahnhof sind bei der Stadt nicht auf Gegenliebe gestoßen, weil Gutachten den Nachweis führten, dass ein solches Vorhaben die Ladenpassage auf der oberen Berliner Straße behindern würde. Jetzt will Papendieck aber vom Rathaus wissen, welche Fachmärkte die Stadt an diesem Standort zulassen will. Papendieck plant mit einem City-Baumarkt, verschiedenen Fachmärkten und auch einem Call-Center für rund 200 Arbeitsplätze. Aber selbst wenn er nicht am Güterbahnhof zum Zuge kommen wird, bleibt der Braunschweiger bei seinem Angebot für das Hertie-Kaufhaus.

Verträge mit Mietern hat Ralf Thies noch nicht in der Hand, wohl aber gewichtige Stimmen aus Politik und der Görlitzer Öffentlichkeit auf seiner Seite. Der Postbank-Mitarbeiter ist fleißig dabei, seine „Genossenschaft Kaufhaus Zum Strauss“ zum Laufen zu bekommen, die in dem Hertie ein Europa-Kaufhaus einrichten will. Noch in dieser Woche erwartet Thies ein erstes Ergebnis der Prüfung seitens des Genossenschafts-Dachverbandes für die geplante Neugründung. Diese Prüfung ist eine Voraussetzung für die Eintragung ins Genossenschaftsregister. Erst wenn es so weit ist, wird es einfacher, Anteile für 250 Euro an der Genossenschaft zu erwerben. Trotzdem will Thies schon Ende dieser Woche eine erste Zwischenbilanz ziehen. Stand gestern: Er rechnet mit 500 gezeichneten Anteilen bis Ende der Woche. Das würden 125.000 Euro sein. Wünschenswert aber sind etwas mehr als zwei Millionen Euro, weil jeder Kredit oder jedes Darlehen zum Kauf des Hauses die Möglichkeit der Genossenschaft für die anschließende Sanierung und den Betrieb des Kaufhauses beschneiden würde. Trotzdem ist Thies optimistisch. „Solange kein Vertrag unterzeichnet ist, ist das Rennen offen.“

Egal, wer von den beiden Interessenten am Ende das Kaufhaus erwirbt, die Pläne beider ließen Platz für eine hochwertige Ladenpassage auf der oberen Berliner Straße. Dafür aber muss sich Investor Stefan Fischer die nötigen Grundstücke sichern. Da hakt es dem Vernehmen nach im Moment. Und auch für den Erweiterungsbau des Senckenberg-Museums hätte ein Verkauf Folgen: Der Freistaat könnte das Museum dann nicht mehr im Kaufhaus einrichten und müsste auf die Ersatzvarianten am Bahnhof oder an der unteren Elisabethstraße ausweichen.