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Wer stiehlt denn einen Grenzstein?

750 Kilogramm schwer ist der preußische Granitstein mit der Nummer 81. Diebe hatten es in Lieske auf ihn abgesehen – vergeblich.

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© Uwe Soeder

Von Kerstin Fiedler

Grenzsteine an der ehemaligen sächsisch-preußischen Grenze sind das große Hobby von Hans-Joachim Gawor aus Königswartha. Als er am Donnerstag den Anruf eines Heimatfreundes aus der Gemeinde Malschwitz erhielt, ging er sofort in die Spur. Denn ein Teil des Grenzsteinpaares 81 nahe Lieske war verschwunden. Und zwar der preußische Granitstein der Grenze zwischen Sachsen und Preußen von 1815. Dort, wo der Grenzstein mehr als 185 Jahre stand, ist jetzt eine leere Grube.

Mitten auf dem Waldweg landete der preußische Grenzstein Nummer 81.
Mitten auf dem Waldweg landete der preußische Grenzstein Nummer 81. © Uwe Soeder

Hans-Joachim Gawor informierte das Landratsamt. Auch Polizei und die Gemeinde Malschwitz, zu der der kleine Ortsteil Lieske gehört, bekamen die Information. Offenbar war der Stein aber zum Abtransport zu schwer, denn etwa 200 Meter weiter liegt der Granitobelisk nun mitten auf dem Waldweg. Warum die Diebe nicht weiter kamen, bleibt auch für den Bauhofleiter der Gemeinde Malschwitz, André Paschke, ein Rätsel. Reifenspuren buddeln sich in den Waldweg. „Vielleicht haben sie sich hier festgefahren oder wollten den Stein umladen“, fragt er sich. Der Weg, den er selbst am Montagmorgen abgefahren hat, ist unwegsam und voller Löcher und Wurzeln. „Hier wären die Diebe sowieso nicht durchgekommen“, glaubt Paschke.

Ein Stein für Sachsen, einer für Preußen

Das jedoch war das Glück für das Grenzsteinpaar 81, das sonst wohl nur noch aus dem sächsischen Stein mit grünen Bordüren und dem Läuferstein bestanden hätte. Der preußische Grenzstein hat eine schwarze Bordüre in Quaderform. Die Steine ragen etwa 80 Zentimeter aus der Erde. Sie wurden ab 1828, anstelle der bis dahin vorhandenen Grenzpfähle, aufgestellt, weiß Gawor. Und das Besondere an diesem Paar besteht auch darin, dass es jeweils einen Stein für Sachsen und einen für Preußen gab. Ab der Spree steht dann nur noch ein Stein. Der besteht bis Kroppen bei Königsbrück aus Granit. „Später hat man auch am Material gespart. Denn ab Kroppen und bis zur Elbe bestehen die Markierungen dann aus Sandstein, später nur noch aus weichem Porphyr. „Deswegen haben wir das Glück, in unserer Region noch viele Steine für die Nachwelt erhalten zu können“, sagt Hans-Joachim Gawor. Für ihn ist es unklar, wie man Zeugen der Vergangenheit einfach stehlen kann. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass es Diebe auf historische Kleindenkmale abgesehen haben. Im Jahre 2011 stahlen sie unterhalb der Hahnenberge in der Gemeinde Königswartha einen Forst-Grenzstein von 1770 , der ebenfalls auf der sächsisch-preußischen Grenzlinie stand. Im gleichen Jahr wurde bei Luckau (Land Brandenburg) ein Steinkreuz – häufig auch als Sühnestein bezeichnet – gestohlen. Auch in der Gemeinde Ralbitz-Rosenthal verschwand vor drei Jahren ein Läuferstein der sächsisch-preußischen Grenze.

Schmuckstein für den Garten

Doch wozu wird ein solch schwerer Granitstein gebraucht? Hans-Joachim Gawor und André Paschke können da nur Vermutungen anstellen. Solch ein historisches Zeugnis würde sich gut in Anlagen schöner Häuser machen. Auch als Stein für die Hausnummer 81 würde er sich eignen. „Es ist zwar schön, dass sich immer mehr Menschen auch für die steinernen Zeugen der Zeit interessieren und uns von ihren Beobachtungen berichten“, sagt Hans-Joachim Gawor. Aber offensichtlich wecke es eben auch Begehrlichkeiten. Vielleicht sollte der Stein verkauft werden, denn solch ein auffälliges Teil könne nicht in der Region bleiben, weil er dann ja entdeckt wird.

Der Grenzstein wird nun noch in dieser Woche an seinen alten Platz zurückkehren. Das Landratsamt hat die Gemeinde Malschwitz bei dem denkmalgeschützten Stein um Unterstützung gebeten. André Paschke hat bereits Firmen angefragt, die die Technik haben, um den schweren Stein zu heben und wieder einzusetzen.