Sachsen hat gewählt. Und der alte Ministerpräsident wird auch der neue, allerdings mit weiter schwindender Mehrheit und angewiesen auf einen neuen Koalitionspartner. Bleibt die Frage, mit wem geht es wohin?
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Von Martin Fischer
Dresden. „Ich habe keine Lust auf einen Beauty Contest, wer hübscher ist für die CDU“, sagt Sachsens SPD-Generalsekretär Dirk Panter. Natürlich seien die SPD und ihr Parteichef Martin Dulig bereit, an der Seite von Stanislaw Tillich (CDU) in Regierungsverantwortung zu treten. Einen Wettlauf um die Gunst des dienstältesten Landesfürsten der Union, der nach dem Ausscheiden der FDP bei den Landtagswahlen einen neuen Koalitionspartner sucht, werde es aber nicht geben. Schließlich habe die SPD ihre Ziele für Sachsen in Stein gemeißelt - und zwar im Wortsinne, auf einer Platte.
Die CDU im neuen Landtag
Die Linken im neuen Landtag
Die SPD im neuen Landtag
Die AfD im neuen Landtag
Die Grünen im neuen Landtag
Auch bei den Grünen setzt man in Erwartung einer CDU-Offerte zu Sondierungsgesprächen auf Inhalte. Die Partei richte sich nach ihrem Programm und nicht nach übergeordneten Interessen oder Strategien, sagt Fraktionschefin und Spitzenkandidatin Antje Hermenau am Tag nach den mageren 5,7 Prozent Stimmenanteil für ihre Partei. „Entscheidend ist die Treue zum Programm.“ Als Knackpunkt nennt sie die Braunkohleförderung, aus der die Grünen so schnell wie möglich raus wollen, während die CDU sie noch für unverzichtbar hält.
Landesvorstandssprecherin Claudia Maicher sieht die Grünen ohnehin nur als Tillichs zweite Wahl. „Die Liebesheirat zwischen SPD und CDU, die war schon vorher abzusehen.“ Eifersüchtig? Kein Stück. Einen Regierungsauftrag kann Maicher in dem Wahlergebnis ihrer Partei ohnehin nicht erkennen.
Komfortable Situation für Tillich
Hintergrund: Wählerwanderungen bei der Sachsen-Wahl
Die Landtagswahl in Sachsen wirft ein paar Fragen auf: Woher kommen zum Beispiel all die AfD-Wähler? Und für wen stimmten am Sonntag die Menschen, die bei der Landtagswahl 2009 noch NPD gewählt haben? Das Institut Infratest dimap hat im Auftrag der ARD die Wählerwanderungen ermittelt. Ein Überblick:
AFD (9,7 Prozent): Die erstmals in einem Landesparlament vertretene eurokritische AfD hat vor allem CDU-Wähler für sich gewonnen: 33.000 Sachsen, die 2009 noch für die Union stimmten, wählten in diesem Jahr die AfD. 18.000 AfD-Wähler haben zuvor die FDP gewählt. Zudem stimmten 16.000 Nichtwähler des Jahres 2009 jetzt für die AfD. Auch der Linken (15.000) und der NPD (13.000) jagte die AfD Stimmen ab.
FDP (3,8 Prozent/minus 6,2 Punkte): Die FDP hat ein erneutes Wahldebakel erlebt und ist aus dem sächsischen Landtag geflogen. 20.000 Wähler, die 2009 noch für die Freidemokraten votiert hatten, stimmten in diesem Jahr gar nicht erst ab. Ebenfalls 20.000 gaben ihre Stimme der CDU. Neben den 18.000 früheren FDP-Wählern, die zur AfD wechselten, wählten 12.000 dieses Mal die SPD.
CDU (39,4 Prozent/minus 0,8): Ihr schlechtestes Ergebnis bei einer sächsischen Landtagswahl hat die CDU vor allem der AfD zu verdanken, die 33.000 Stimmen abzog. Außerdem gingen 22.000 CDU-Wähler des Jahres 2009 in dieses Mal nicht mehr zur Wahl. An die Sozialdemokraten verlor die CDU 11.000 Wähler. Zuwachs bekam sie von früheren FDP-Wählern (20.000).
SPD (12,4 Prozent/plus 2,0): Die Sozialdemokraten gewannen vor allem im bürgerlichen Lager hinzu: 12.000 frühere FDP-Wähler und 11.000 ehemalige Unions-Anhänger. Aber auch 7.000 vormalige Grün-Wähler wandten sich der SPD zu. An die AfD gab die SPD 8.000 Stimmen ab. 5.000 SPD-Sympathisanten von 2009 gingen in diesem Jahr nicht zur Wahl.
GRÜNE (5,7 Prozent/minus 0,7): Die Grünen sind neben der AfD die einzige Partei, die unter den Nichtwählern des Jahres 2009 Stimmen für sich gewinnen konnte (1.000). Allerdings haben die Grünen vor allem Stimmverluste zu beklagen: 7.000 wählten in diesem Jahr SPD, 6.000 die Linke, 3.000 die AfD und 1.000 die NPD.
NPD (4,95 Prozent/minus 0,7): Die rechtsextreme NPD hat den Wiedereinzug in den Landtag um Haaresbreite verpasst, und das lag vor allem an der AfD: 13.000 Menschen, die 2009 noch für die Extremisten gestimmt hatten, wählten in diesem Jahr die bürgerliche Rechtspartei. 10.000 vormalige NPD-Wähler gingen gar nicht mehr wählen. Auch an die Sozialdemokraten verlor die NPD 1.000 Stimmen.
LINKE (18,9 Prozent/minus 1,7): Auch der Linken machte vor allem die AfD zu schaffen: 15 000 Wählerstimmen verlor sie an die Eurokritiker. 13.000 vormalige Linke-Wähler stimmten in diesem Jahr gar nicht ab. Gewinnen konnte die Linke hingegen vormalige Grünen-Wähler (6.000) sowie ehemalige FDP-Anhänger (5.000). (dpa)
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Stimmen vom Wahlabend
„Wir sind deutlich stärkste Partei geworden, wir sind Wahlsieger bei dieser sächsischen Landtagswahl. Ich bedanke mich bei den Wählern für den klaren Auftrag, weiter die Regierung zu führen.“
Stanislaw Tillich, CDU-Spitzenkandidat und Ministerpräsident
„Es sieht so aus, als hätten wir unser wichtigstes Wahlziel erreicht: die Rückkehr der CDU zur absoluten Mehrheit, die noch vor drei Monaten greifbar schien, zu verhindern.“
Rico Gebhardt, Linken-Landeschef
„Ich habe keine schlechte Laune. Wir sind eine der beiden Parteien, bei denen es nach oben gegangen ist.“
Martin Dulig, SPD-Landeschef
„Die geringe Wahlbeteiligung ist beschämend für unser Land.“
Martin Dulig, SPD-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat
„Erstmal sind wir froh, dass wir jetzt aus diesem 10-Prozent-Ghetto raus sind.“
Sigmar Gabriel, SPD-Bundesvorsitzender
„Ich halte Verbote und Machtworte in einer Demokratie nicht für sinnvoll. Stattdessen müssen Themen und Inhalte entscheiden.“
Frauke Petry, AfD-Landesvorsitzende zum Thema Koalition
„Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Denn es zeigt, dass die AfD als Partei jetzt endgültig angekommen ist in der deutschen Parteienlandschaft.“
Bernd Lucke, AfD-Parteichef
„Mit der AfD kann man reden, aber nicht koalieren. Das ist ein Haufen unterschiedlicher Strömungen.“
Thomas de Maizière, CDU-Bundestagsabgeordneter und Bundesinnenminister
„Das wird ein Erdbeben in Deutschland geben.“
Antje Hermenau, Grünen-Spitzenkandidatin zum Abschneiden der AfD
„Wir sind eine gesamtdeutsche Partei. Wir wollen in allen Bundesländern in der Bundesrepublik Deutschland vertreten sein. Deshalb war das heute ein wichtiges Signal für meine Partei.“
Cem Özdemir, Grünen-Bundesvorsitzender
„Die Marke ist schwer beschädigt.“
Holger Zastrow, Sachsens FDP-Chef
„Sicher brauchen wir möglichst bald, möglichst bei der immer-nächsten Wahl einen Erfolg.“
Christian Linder, FDP-Chef
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An der knappen Mehrheit, die Schwarz-Grün im Landtag hätte, soll es Tillich zufolge aber nicht scheitern, schließlich seien „auch drei oder vier Stimmen im Prinzip ein solides Ergebnis, wenn man sich vertraut und wenn man sich einig ist über die politischen Ziele.“
„Wir werden in den nächsten Tagen bei den Gesprächen erleben, wer welches Herzensanliegen hat“, sagt SPD-Chef Dulig. Die 12,4 Prozent bei der Landtagswahl seien ein Vertrauensvorschuss der Wähler und eine Erwartungshaltung. „Da werde ich keinen Unterbietungswettbewerb mit anderen Parteien machen, sondern selbstbewusst auf unsere Positionen setzen.“
Tillich ist in einer komfortablen Situation. Trotz des bisher schlechtesten Ergebnisses der sächsischen Union von 39,4 Prozent ist sie weiter die mit Abstand stärkste Kraft im Freistaat. Die Linken, die Platz zwei belegen, sind mit 18,9 Prozent nicht einmal halb so stark.
Dennoch habe man alles richtig gemacht, sagt Antje Feiks, die Landesgeschäftsführerin der Linken. Sie bedauert, dass sich SPD und Grüne bei der CDU angebiedert und damit zu der „verheerenden“ Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent beigetragen hätten. „Wenn die Oppositionsparteien den Lagerwahlkampf scheuen wie der Teufel das Weihwasser und nur an Machtoptionen für sich selbst arbeiten, welche bestehende Verhältnisse nur stützen, dann ist der Wahlausgang für die Menschen nicht spannend.“
CDU drückt aufs Tempo
Eine größere Mehrheit als mit den Grünen würde Tillich ein Bündnis mit der Alternative für Deutschland (AfD) bescheren, die aus dem Stand auf 9,7 Prozent kam. Im Wahlkampf hatte er sich diese Möglichkeit lange offengehalten, eine klare Absage vermieden. Am Wahlabend war es dann keine Option mehr. „Das schmerzt uns nicht“, sagt Uwe Wurlitzer, Generalsekretär der AfD Sachsen. „Wir hoffen, dass wir endlich mit Sachthemen unsere politische Arbeit machen können.“
Auch die CDU drückt aufs Tempo. Die Parteiführung werde jetzt schnell über die Sondierungsangebote an Grüne und SPD entscheiden. „Dann kann es im Laufe dieser Woche schon die ersten Gespräche geben“, sagt Generalsekretär Michael Kretschmer zuversichtlich. „Wir haben eine ausgestreckte Hand. Uns geht es darum, jetzt Vertrauen zu bilden.“ Präferenzen für Rot oder Grün gebe es dabei erst einmal nicht. Beim Wähler schon. Vor der Wahl hatten sich in Umfragen mehr als die Hälfte der Befragten für ein Bündnis von CDU und SPD ausgesprochen. (dpa)
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