Merken

Wenn es Glassplitter regnet

Ein Unfall legt am Wochenende den Verkehr auf der Autobahn 4 nahe Kodersdorf lahm. Eine direkt neben der Autobahnbrücke lebende Familie wird er noch Monate beschäftigen.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Katja Schlenker

Kodersdorf. Splitter fallen vom Himmel. Zuvor hat es einen lauten Knall gegeben. Und dann noch einen. In diesem Moment geht Harald Fohl dann doch nach draußen. Was der Kodersdorfer sieht, ist eine schwarze Rauchwolke. Und Flammen, die aus einem Fahrzeug lodern. All das ist hoch oben auf der Autobahn 4 zu sehen. Harald Fohl und seine Familie wohnen im Prinzip darunter. Als sie das Grundstück gekauft haben, ist hier an eine Autobahn noch nicht zu denken gewesen. Erst 1999 wird der Tunnel durch die Königshainer Berge eingeweiht und damit der Weg in Richtung Grenze auf der Autobahn frei.

Ein Blick von oben zeigt, wie nahe das Haus von Familie Fohl an der beschädigten Lärmschutzwand liegt.
Ein Blick von oben zeigt, wie nahe das Haus von Familie Fohl an der beschädigten Lärmschutzwand liegt. © André Schulze
Die Unfallstelle von der Drehleiter der Nieskyer Feuerwehr aus fotografiert, zeigt das Ausmaß der Kollision.
Die Unfallstelle von der Drehleiter der Nieskyer Feuerwehr aus fotografiert, zeigt das Ausmaß der Kollision. © Jens Trenkler
Mitarbeiter des Straßenunterhaltungsdienstes reparieren am Montag die Leitplanken.
Mitarbeiter des Straßenunterhaltungsdienstes reparieren am Montag die Leitplanken. © André Schulze

Schwerer Unfall auf der A4

Am Sonnabend hat es auf eben dieser Autobahn 4 einen schweren Unfall nahe der Anschlussstelle Kodersdorf gegeben. Ein 36 Jahre alter Skoda-Fahrer fährt auf die Spur in Richtung Görlitz – als würde er nach Dresden fahren. Warum der Mann in die falsche Richtung gefahren ist, bleibt auch am Montag unklar. An seinem silberfarbenen Auto soll ein Görlitzer Nummernschild angebracht gewesen sein. Der Mann soll aus der Region kommen. Fakt ist, dass es zwischen der Anschlussstelle Kodersdorf und dem Tunnel Königshainer Berge zu einem Unfall zwischen dem in die falsche Richtung fahrenden Skoda-Fahrer und einem Lkw kommt. Dieser kippt daraufhin um, durchstößt die Leitplanke über dem Haus der Familie Fohl und gerät in Brand.

Das Heikle daran ist, dass der Lkw mit Gummiteilen beladen ist. Dies erschwert das Löschen des Brandes. Und erfordert den Einsatz von Atemschutztechnik für die Kameraden der herangeeilten Feuerwehren aus Niesky, Kodersdorf und Horka sowie deren Ortsteilen. Die Ermittlungen des Verkehrsunfalldienstes laufen und dauern an, erklärt Sprecher Thomas Knaup von der Polizeidirektion Görlitz. Mehr gebe es derzeit zu dem Fall nicht zu sagen. Der Skoda-Fahrer kann aktuell nicht befragt werden, da er im Krankenhaus behandelt wird. Auf der Intensivstation soll der Mann liegen.

Unterdessen werden auf der Autobahn 4 erste Reparaturen ausgeführt. Am Montag wird die Leitplanke parallel zur Fahrbahn vom Straßenunterhaltungsdienst ersetzt. Die Unfallstelle ist abgesperrt, die Geschwindigkeit auf Tempo 60 herabgesetzt. Am Montagabend wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf achtzig Stundenkilometer erhöht. Dabei wird es bleiben, bis Geländer und Lärmschutzwand repariert sind. Auf der Spur in Richtung Dresden gilt bis Montagabend nach dem Unfall ein Tempolimit von achtzig Stundenkilometern.

Die Schadenssumme an der Unfallstelle beträgt nach derzeitigem Kenntnisstand zwischen 60000 und 70000 Euro, erklärt Nicole Wernicke vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr. Auf den beiden regulären Fahrspuren sind nur sehr geringe Deckenschäden sichtbar. Auf dem Standstreifen hingegen müssen rund fünfzig Quadratmeter der Fahrbahndecke erneuert werden. Diese sollen innerhalb der nächsten zwei Monate ausgebessert werden – je nachdem, wie das Wetter mitspielt.

Am Montag haben Mitarbeiter des Straßenunterhaltungsdienstes im Laufe des Tages bereits die Leitplanken erneuert. Im Bereich des Mittelstreifens sind es rund fünfzig Meter, am Rand etwa hundert Meter, erklärt Nicole Wernicke. Zu guter Letzt ist die Lärmschutzwand mit Pfosten und Glaselementen auf einer Fläche von ungefähr sechzig Quadratmeter beschädigt. Die Geländer der Lärmschutzwand müssen auf einer Länge von rund fünfzig Metern ausgebessert werden. Diese Schäden werden voraussichtlich innerhalb der nächsten drei Monate behoben.

Der Unfall weckt unschöne Erinnerungen an den Brand im Tunnel Königshainer Berge vor fast drei Jahren. Damals brannte ein Lkw in dem 3,3 Kilometer langen Bauwerk. Daraufhin wurde der Tunnel in Richtung Görlitz für ein halbes Jahr komplett gesperrt. Der Verkehr rollte in der Zwischenzeit über Nieder Seifersdorf, die Jänkendorfer Kreuzung nahe Niesky und Kodersdorf. So ist es auch diesmal gewesen. Zähfließend sei der Verkehr durch den Ort gekommen, sagt Kodersdorfs Bürgermeister René Schöne (CDU). Kurz vor Kodersdorf habe es einen leichten Stau gegeben. Er selbst hat sich am Wochenende ein Bild von der Situation gemacht.

Der jüngste Vorfall auf der Autobahn 4 hat auch Schwachstellen aufgezeigt, erklärt er. Zum einen sind Glassplitter von der Brücke auf die Grundstücke darunter gefallen, vor allem das von Familie Fohl. Bedenklich nennt der Bürgermeister das. Und fragt sich, ob eine Glasscheibe an der Stelle die ideale Variante ist. Zum anderen sind Löschmittel und Diesel von oben herabgetropft und in die Entwässerung sowie in Regenwasserrückhaltebecken geflossen. Löschmittel und Dieselkraftstoff müssen daraus abgepumpt und entsorgt werden. Dies erfolgt bis Mitte der Woche, erklärt Nicole Wernicke vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr.

Bei Harald Fohl unterhalb der Autobahn kehrt wieder Ruhe ein. Journalisten haben sich die Klinke in die Hand gegeben. Vor seinem Haus will er sich am Montag nicht fotografieren lassen. Der Vorfall ist fast schon Geschichte. Die Glassplitter im Garten sind abtransportiert. Die Lärmschutzwand und ein Stahlseil in der Nähe hätten den Lkw zurückgehalten, erzählt Harald Fohl.

Und auch auf der Straße unten vor seinem Haus passieren Unfälle. Wie am Sonnabend, als Autofahrer zum Teil von weiter her zum Unfallglotzen nach Kodersdorf gekommen sind.