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Wenn der Arzt nicht hilft

Wohin im Notfall? Und was ist überhaupt ein Notfall? Ein Fall aus Görlitz wirft Fragen auf.

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© D. Karmann/dpa

Von Daniela Pfeiffer

Ärzte überlastet, Patienten frustriert. Diese Grundstimmung ist oft auch in Görlitz zu spüren. Fast wöchentlich erreichen die Sächsische Zeitung Briefe oder Mails von empörten oder enttäuschten Patienten. Sie richten sich unmittelbar gegen ihre Ärzte, die Kassenärztliche Vereinigung oder das ganze Gesundheitssystem, das letztlich schuld an der Misere sei. Einige Fälle seien hier stellvertretend erzählt.

Was viele schon einmal erlebt haben: Sie müssen aufgrund einer Notlage unbestellt zum Arzt. Etwas längere Wartezeiten nimmt man ja in Kauf, aber zunehmend sind sich Patienten nicht mehr sicher, ob sie überhaupt drankommen. So erging es Kathrin Krocker und ihrer Schwester. Die lebt in Görlitz und musste vor einigen Wochen wegen heftigen Nasenblutens eben unbestellt zu ihrem HNO-Arzt.

Ihre Schwester erzählt: „Es war nachmittags 14 Uhr. Sie rief vorher an, wurde aber abgelehnt. Als Begründung nannte man ihr, dass keine unbestellten Patienten behandelt werden.“ Dabei habe ihre Schwester zu diesem Zeitpunkt schon Blutstürze aus der Nase gehabt.“ Die Ärztin hätte sie auch nachmittags annehmen müssen – als Notfall. Aber man verwies sie ins Krankenhaus.

Vorher wollte es Frau Krockers Schwester noch bei einem anderen Arzt versuchen, der aber ebenfalls ablehnte. Das sei eine Frechheit, findet die Schwester. Wobei sie noch nicht einmal glaube, dass die beiden Ärzte persönlich wussten, dass ein Notfall abgelehnt wurde. Wie kann das überhaupt passieren, dass durch das Sprechstundenpersonal ein Notfall abgelehnt wird?, fragt sie. Katharina Bachmann-Bux von der Kassenärztlichen Vereinigung sagt dazu: Patienten dürften nicht willkürlich, sondern nur in begründeten Fällen abgelehnt werden. Das seien etwa Überlastung des Arztes, Störung des Vertrauensverhältnisses, eine vom Patienten erstrebte, systematische fachfremde Behandlung oder das Begehren von Wunschrezepten. In Notfällen sei der Arzt selbstverständlich zur Hilfeleistung verpflichtet. Nur: Was ist ein Notfall? War das heftige Nasenbluten einer? Laut Bachmann-Bux ist es erst ein medizinischer Notfall, wenn es bedrohliche Störungen gibt – sei es mit dem Bewusstsein, der Atmung, dem Kreislauf oder anderer Funktionskreisläufe und wenn ohne sofortige Hilfe gesundheitliche Schäden oder der Tod des Patienten zu befürchten sind. Zum konkreten Fall wolle man keine Bewertung abgeben, auch nicht zur Frage, ob ein Notfall vorlag und ob dem Arzt eine Pflichtverletzung durch die Ablehnung einer Behandlung vorzuwerfen ist. Dazu müssten die betreffenden Ärzte gehört werden.

Die Patientin mit dem schweren Nasenbluten fand an diesem Nachmittag dann doch Hilfe, nämlich im Krankenhaus. Hier sei man ihr entgegengekommen, die Blutung konnte gestillt werden. „Aber dort hatten sie auch kein Verständnis für die Ablehnungen der niedergelassenen Ärzte“, berichtet die Schwester der Patientin. Mehr als unzufrieden mit der Arzt-Situation ist Barbara Dach, die seit vier Jahren in Görlitz lebt. Sie reagierte mit einem Schreiben an die SZ auf einen Beitrag über die Situation bei den Notärzten.

Aus Garmisch-Partenkirchen seien sie hergezogen, die Altstadt hatte es ihnen angetan, schreibt Barabara Dach und über ihren ganz persönlichen Notfall: „Ich bekam nach ehrenamtlichem Einsatz einen furchtbaren Hexenschuss. Mein Mann musste mich ins Bad tragen. Weiter ging es nicht“, erzählt sie. Doch ein Arzt sei nicht zu bekommen gewesen. „Seit 2015 haben wir noch keinen Hausarzt. Alle sind voll, wie uns am Tresen stets mitgeteilt wird“, beklagt sie sich.

Barbara Dach war selbst Krankenschwester, hat 52 Dienstjahre hinter sich. „Nach der Wende bauten wir unter fränkischer Aufsicht den Kassenärztlichen Notdienst in Dresden auf.“ Dessen Arbeit aber überzeugt sie nicht. „Die sinnlosen Diskussionen über schnelle Hilfe sind einfach inakzeptabel und patientenverachtend.“