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Wenn das Haus auf dem Dorf zu groß wird

Viele Menschen zieht es im Alter in die Städte, weil dort das Leben einfacher ist. Damit das funktioniert, braucht es Planung.

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© Dietmar Thomas

Von Jens Hoyer

Döbeln. Brigitte Jentsch denkt mit ein wenig Wehmut an ihr Haus in Neudorf zurück. „Mit fehlt ein bisschen die Freiheit. Wenn ich aus dem Haus rausging, war alles meins“, erzählt die 67-Jährige. Im vergangenen Jahr ist sie mit ihrem Lebensgefährten in eine Wohnung in Döbeln Ost I eingezogen. Direkt am Rande des Wohngebiets mit Blick ins Grüne. Vom Balkon kann sie zwischen zwei benachbarten Häusern noch ein Stück vom Wohngebiet Sörmitzer Au in der Ferne sehen.

Brigitte Jentsch gehört zu den Leuten, die es im Alter in die Stadt zieht. „Wir sind 1969 nach Neudorf rausgezogen. Wir hatten 1968 das Haus gekauft, da war ich hochschwanger.“ Brigitte Jentschs inzwischen verstorbener Mann hatte das alte Haus zusammen mit seinem Schwiegervater ausgebaut. Ihre Tochter ist draußen auf dem Lande aufgewachsen. „Mit Kind war das alles sehr schön. Wir haben da ganz versteckt gewohnt.“ Erst im Laufe der Jahre waren etliche Nachbarn dazugekommen. „Mit der Zeit sind um uns herum 14 Häuser gebaut worden“, erzählt sie. Jetzt im Alter fühlte sie sich mit dem Haus aber überfordert. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie neun Jahre allein darin gelebt, teilweise selbst Reparaturen ausgeführt, das große Grundstück gepflegt. „Das ist mir alles zu viel geworden“, sagte sie. Nach 47 Jahren in Mannsdorf hatte sie sich deshalb zum Verkauf entschlossen.

Eine Wohnung in Döbeln Ost I sollte es sein. Dort kannte sie schon Leute aus ihrer Gesundheitssportgruppe. „Wir wollten an die Blumenstraße ziehen“, sagte Brigitte Jentsch. Sie landete mit ihrer Bitte erst einmal auf der Warteliste.

Bei der Wohnungsgenossenschaft Fortschritt fragen regelmäßig ältere Leute an, die es vom Land in die Stadt zieht. Auf etwa 15 schätzt Silke Härtig die Zahl pro Jahr. Das ist bei rund 100 Neuvermietungen ein erklecklicher Prozentsatz. „Die Nachfrage ist sehr groß. Viele wollen in die Randgebiete, ins Erdgeschoss oder den ersten Stock“, sagte Silke Härtig. Viele Wünsche lassen sich meist nicht gleich erfüllen. Bei bestimmten Wohnungen gebe es auch mal eine Wartezeit von vier bis fünf Jahren. „Wir müssen ja abwarten, bis jemand auszieht“, so die Mitarbeiterin der Wohnungsgenossenschaft.

Ähnliche Erfahrungen hat man bei der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft (GWG) gemacht. „Im Alter fällt es den Menschen auf dem Lande immer schwerer, zum Arzt oder zum Einkaufen zu kommen. Das Haus und das Grundstück sind zu groß geworden“, sagte Vorstand Gisela Menzel. Auch bei der GWG hat man dann oft Schwierigkeiten, die speziellen Wünsche der potenziellen Mieter sofort zu erfüllen. „Diese Leute wollen meist große Wohnungen. Sie haben viele Dinge unterzubringen, an denen ihre Erinnerungen hängen“, sagte Gisela Menzel. Meist funktioniere der Umzug in die Stadt dann aber nicht nach den Vorstellungen. „Oft kommen die Leute viel zu zeitig, um sich zu informieren. Wenn sie ihr Haus verkauft haben, haben wir dann keine passende Wohnung frei. Ich rate immer: Kommen Sie wieder, wenn Sie einen Plan haben.“

Bei Brigitte Jentsch hat es dann nach eineinhalb Jahren mit der Wohnung geklappt. Nicht in der Blumenstraße, sondern eine Straße weiter. 60 Quadratmeter, drei Zimmer Erdgeschoss, alles frisch hergerichtet, Balkon schon angebaut. Ihr Haus in Neudorf hat sie an den Nachbarn verkauft. „Ich habe es nicht bereut. Wir haben uns mittlerweile eingelebt“, sagte sie.