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Wenn Cent-Berge zur Last werden

Kleine Handwerksbetriebe kommt eine Münzgeldflut teuer. Kunden ärgern sich, weil ihre Centstücke unbeliebt sind.

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© dpa

Von Reiner Hanke

Großröhrsdorf. Beim Bäcker Leunert in Großröhrsdorf ist früh Betrieb: Brot, Semmeln, Kuchen wandern über die Theke und Geld in die Kasse. Auch viel Kleingeld, das in die Fächer klimpert. Oft sind die Beträge ja auch keine glatten im Backgeschäft. Das ist bekannt. Früher nahmen der Bäcker oder Fleischer deshalb gern das Kleingeld, um beim Herausgeben flüssig zu sein. Doch das hat sich komplett geändert. Davon berichtete jetzt auch eine SZ-Leserin. Gerade Ein- und Zwei-Cent-Stücke seien wohl nicht mehr so gern gesehen wie früher oder würden sogar zurückgewiesen. Das ärgert sie. Sie möchte wissen warum.

Der Trend geht zum Kleingeld

Handwerker werben um Verständnis. Denn der Trend zum Kleingeld verstärke sich seit einigen Monaten, schätzt Bäckermeister Jörg Leunert ein. „Wir ertrinken regelrecht in den Münzen. Das geht wirtschaftlich nicht“, klagt er. Das ganze Hartgeld müsse zum Geldinstitut. Dort sind seit dem Vorjahr Gebühren fällig. Die Münzen kommen in einen Beutel, Safebag genannt. Wenn in dem zum Beispiel 18 Euro an Kleingeld klimpern, dann würden 5 Euro Gebühr fällig, völlig unverhältnismäßig. Das sei nicht zu kalkulieren, so Leunert. Dann müsste das große Brötchen 1 Euro kosten, spitzt der Bäcker die Situation zu. Übers Jahr gerechnet ergebe sich ein erheblicher Verlust.

So kämen auch immer wieder Kunden, die Kleingeld in Größenordnungen sammeln oder abgezählte Beträge im Kuvert auf die Theke legen, weil der Bäcker oder Fleischer doch immer ganz gern das „Kleine“ nahm. Nun heißt es oft: „Wir haben gerade genug Kleingeld.“ Auch beim Kamenzer Fleischermeister Enrico Minkwitz. Früher ging er sogar zur Sparkasse und holte sich dort gerolltes Wechselgeld. Das ist nicht mehr nötig. Jetzt bringt er es selbst in Säcken zur Bank. So kennt auch er das Phänomen, wie es der Bäckerei-Kollege beschreibt und versucht freundlich gegenzusteuern. Es sei auch eine Sache des Verhandlungsgeschicks der Verkäuferin.

Das Dilemma

„Die Probleme haben alle Filialisten“, sagt Bäckersfrau Ingrid Leunert. Natürlich weiß der Bäcker um die Gesetze. Bis zu 50 Hartgeldstücke sind pro Kunden und Einkauf anzunehmen. Aber auch das summiert sich. Und manchmal sei es auch mehr. Die Bäckersleute wollen möglichst niemanden vor den Kopf stoßen. Es gebe aber gewisse Grenzen und sei eine Bitte an die Kundschaft: „Schafft doch das Kleingeld zur Bank. Wir hoffen, dass uns deswegen niemand böse ist. Ich glaube, die meisten haben Verständnis für unser Situation“, sagt Ingrid Leunert. Verursacht hätten die Banken das Dilemma, weil sie seit einiger Zeit Gebühren für die Annahme des Hartgeldes verlangen.

Andreas Rieger ist Sprecher der Ostsächsischen Sparkasse Dresden und erklärt ein paar Zusammenhänge. Beträge bis 50 Münzen am Stück nimmt die Sparkasse kostenlos entgegen. In Sparschweinen der Kinder darf auch mehr drin sein. Ansonsten ist es so, dass Gebühren anfallen. So gebe es jene Safebags, die gefüllt werden müssen. In die passen bis zu vier Kilogramm an Münzen. Pro Sack sind fünf Euro zu zahlen. Hintergrund sei die Münzgeldverordnung aus dem Jahr 2016. Manche Filialen der Banken würden deshalb gar kein Münzgeld mehr annehmen, so Rieger. Nach der Verordnung habe auch die Sparkasse Aufgaben übernehmen müssen, die bisher bei der Bundesbank lagen. So müsse jede Münze auf Echtheit und Wiederverwendbarkeit geprüft werden. Das dürften nur zertifizierte Mitarbeiter. Die Handarbeit wolle bezahlt sein, verursachergerecht, so Rieger. „Wen sollten wir es denn sonst bezahlen lassen?“, fragt er zurück.

Es gibt Unterschiede

Zwischen den Geldhäusern gibt es aber durchaus Unterschiede. Bei der Volksbank Bautzen ist der Service noch gratis. Sprecher Andreas Wanitzek erklärt aber: Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Bank noch Gebühren einführe. Die ganze Logistik, das Zählen sei mit großem Aufwand verbunden. Aus Zinserträgen ließen sich solche Kosten kaum noch decken. Bei der Deutschen Bank bleiben zwar Privatkunden verschont. Nicht so die Geschäfts- und Firmenkunden. Für die sogenannten Safebags – gefüllt mit Münzen – fallen 10 Euro an, erläutert ein Unternehmenssprecher.

Unter diesen Bedingungen kann sich Caroline Schneider, Pressesprecherin der Handwerkskammer in Dresden, die Probleme kleiner Handwerker gut vorstellen. Offenkundig seien die Banken wegen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank unter einem enormen Kostendruck. Caroline Schneider appelliert deshalb: „Wir möchten vor allem bei den Kunden der Handwerksbetriebe um Verständnis werben.“ Sie sollten größere Münzbestände – wie bisher üblich – selber zur Bank bringen. Denn letztlich würden ja anfallende Gebühren nur auf die Handwerker abgewälzt.

Ihnen rät Sparkassensprecher Andreas Rieger, sie sollten bei der Preisgestaltung auch solche Dinge berücksichtigen. Sie könnten auch auf- bzw. abrunden, empfiehlt er. Gerade Letzteres sollte gut ankommen. Oder die Kartenzahlung belohnen, um die Kleingeldflut zu bremsen. Freilich sei er sich auch des Preiskampfes bewusst, räumt er ein. Die Vorschläge dürften manchem Handwerker auch sauer aufstoßen. Fleischer wie Bäcker machen deutlich, dass es so einfach mit der Kalkulation nicht immer sei – und mit dem Runden. Im Verkauf ergäben sich viele krumme Beträge, gerade wenn frische Ware gewogen werde, so Minkwitz. Die Bäckersleute haben unterdessen schon überlegt, ob sie die Beträge abrunden sollten, um dem Dilemma aus dem Weg zu gehen.