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Weniger Stress beim Abitur

Sachsens Gymnasiasten haben in Deutschland die höchste Unterrichtsbelastung - bisher. In Zukunft dürfen sie ein Fach mehr abwählen. Das ist eine schon Jahre alte Forderung.

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© Symbolfoto: dpa

Von Andrea Schawe

Neue Regeln, weniger Unterrichtsbelastung an Sachsens Gymnasien: Das Kultusministerium hat angekündigt, das bisherige System in den Klassen 11 und 12 zu verändern. Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) hatte bereits im Frühjahr angekündigt, im Rahmen der Novellierung des Schulgesetzes die Unterrichtsbelastung für die Schüler zu senken. Ein erster Schritt erfolgt nun in der gymnasialen Oberstufe.

Was soll sich in den Klassenstufen 11 und 12 ändern?

Die Anzahl der einzubringenden Kurse wird reduziert. In der Praxis heißt das, dass nicht mehr alle belegten Kurse in die Gesamtqualifikation einfließen. Alle Schüler müssen künftig nur noch einheitlich 40 Kurshalbjahresergebnisse einbringen. Bisher waren es in Sachsen 52. Die Schüler haben dadurch größere Wahlmöglichkeiten. Je nachdem, welche Kurse ein Schüler wählt, könne sich auch das Stundenvolumen verringern, so das Kultusministerium. Außerdem können die Schüler der Oberstufe künftig eine Naturwissenschaft oder Fremdsprache abwählen. Sie müssen in Zukunft nur noch drei Naturwissenschaften und eine Fremdsprache oder zwei Naturwissenschaften und zwei Fremdsprachen belegen. Bisher waren es drei Naturwissenschaften und zwei Fremdsprachen. Geplant ist auch, den Leistungskurs Biologie wieder einzuführen.

Warum wird der Aufbau der Oberstufe geändert?

Hintergrund sind wissenschaftliche Untersuchungen zur Unterrichtsbelastung: Sachsens Gymnasiasten müssen von der fünften bis zur 12. Klasse einen Unterrichtsumfang von 269 Jahreswochenstunden leisten – bundesweit ist das Rekord. Die Kultusministerkonferenz gibt 265 Jahreswochenstunden vor. In der Oberstufe umfasst die Stundentafel 35 Wochenstunden, 13 Unterrichtsfächer sind verpflichtend. In keinem anderen Bundesland haben die Schüler mehr Unterrichtsstunden oder -fächer.

Eine Studie des Sächsischen Bildungsinstituts ergab, dass diese Unterrichtsbelastung in den Klassenstufen 11 und 12 als zu groß empfunden wird. Die Schüler gaben an, dass angesichts der Gesamtbelastung weniger Freizeit verbleibe. Das Institut hatte wissenschaftlich begleitet von der Universität Tübingen und der Technischen Universität Dresden in der Zeit von 2009 und 2014 die gymnasiale Oberstufe untersucht.

In der Studie wurde auch kritisiert, dass in Sachsen alle belegten Kurse auch in die Gesamtqualifikation einfließen. Das liegt weit über der Mindestforderung der Kultusministerkonferenz. Die Kultusminister hatten im Juni 2016 einheitlich geregelt, dass 40 Kurshalbjahresergebnisse in die Abitur-Note einfließen sollen. Diese Vorgabe setze der Freistaat nun um, so das Kultusministerium. Damit gehe Sachsen auch einen weiteren Schritt zu mehr Vergleichbarkeit des Abiturs zwischen den Ländern.

Werden damit weniger Lehrer am Gymnasium gebraucht?

Nein. Die Änderungen in der gymnasialen Oberstufe führen nach Angaben des Kultusministeriums zu keiner signifikanten Verringerung des Lehrerbedarfs – auch, weil ein neuer Leistungskurs eingeführt wird. „In Erfahrung aus den vergangenen Jahren erwarten wir keine oder – wenn überhaupt – nur geringe Auswirkungen auf den Lehrerbedarf“, sagt Dirk Reelfs, der Sprecher des Kultusministeriums.

Ab wann werden die Gymnasiasten entlastet?

Die neuen Regeln gelten für diejenigen, die ab dem Schuljahr 2017/2018 die 11. Klasse besuchen. Die Schüler, die derzeit Abitur machen, werden nicht entlastet – während des laufenden Abiturverfahrens würden die Regeln nicht geändert, erklärt der Ministeriumssprecher.

Die stockenden Verhandlungen über das neue Schulgesetz haben keinen Einfluss auf die Reform der Oberstufe. „Die Veränderungen in der gymnasialen Oberstufe bleiben ungeachtet der Diskussion über das Schulgesetz bestehen und werden mit dem neuen Schuljahr in Kraft treten“, so Dirk Reelfs.

Wie reagieren die Schüler auf die Reform?

Das Kultusministerium komme mit der Kürzung des Stundenvolumens einer jahrelangen Forderung des Landesschülerrates nach. „Die Maßnahmen des Kultusministeriums sind richtig und sinnvoll. Allerdings ist es nicht verständlich, warum zumindest die Einbringungspflicht nicht sofort aufgelockert wird“, sagt Sprecher Friedrich Roderfeld. Die Schüler, die heute die gymnasiale Oberstufe besuchen, seien den gleichen Belastungen ausgesetzt, die man jetzt versuche zu verringern.