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Weihnachten ohne Päckchen

Geschenke in die JVA schicken? Früher ging das. Jetzt nicht mehr – aus Sicherheitsgründen.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Zeithain. Knisterndes Geschenkpapier, bunte Schleifen, Spannung beim Auspacken: Ein Weihnachtsfest ohne Päckchen scheint unvorstellbar. In der JVA Zeithain allerdings ist es mittlerweile Realität. „Aus Sicherheitsgründen können unsere Gefangenen keine Pakete mit Nahrungs- , Genuss- und Körperpflegemitteln mehr von Angehörigen erhalten“, sagt Benno Kretzschmar, Sicherheitsbeauftragter der Anstalt. Denn das Privileg war zu oft missbraucht worden – und verbotene Schmuggeleien waren raffinierter geworden.

Da geht es nicht mehr um die berühmte Feile, die in den Kuchen eingebacken wird. Vor allem ist es heute selbst für Laien durch technische Hilfsmittel leichter, Lebensmittelpackungen erst zu öffnen und dann neu zu verschweißen – sodass sie aussehen, als wären sie noch original verpackt. „Früher durften Pakete in die Anstalt geschickt werden – mit einer beiliegenden Liste über den Inhalt“, sagt der JVA-Mitarbeiter. Die Päckchen wurden dann vom Personal auf verbotenen Inhalt kontrolliert und anschließend an den Gefangenen übergeben. Doch damit war in Zeithain Schluss, als eine scheinbar original versiegelte Kaffeepackung irgendwie doch auffiel – und sich beim Röntgen der Packung herausstellte, dass darin jemand etwas versteckt hatte. „Beliebtes Schmuggelgut sind Handys und Betäubungsmittel“, sagt der Sicherheitsbeauftragte. Da muss sich in der unauffälligen Schokoladenpackung nicht immer nur Schokolade verstecken – es kann auch ein in die richtige Form gepresster Haschischblock sein.

Verdächtige Hohlkörper

Dabei sind Schokoladentafeln noch nicht mal die potenziell gefährlichste Süßigkeit: Noch unbeliebter bei den Justizbediensteten sind die sogenannten „Hohlkörper“ – Schoko-Weihnachtsmänner oder -Osterhasen. Vorsichtig aus der Folie auspacken, ein Loch reinbohren, ein paar Gramm Drogen einfüllen: Das kann jeder. Dann wird das Ganze wieder behutsam mit geschmolzener Schokolade verschmiert und zurück in die Folie gepackt. Schon ist der Schoko-Nikolaus ein Drogenkurier. „Wir haben deshalb auch unsere Anstaltspfarrer gebeten, auf solche Mitbringsel für die Gefangenen zu verzichten“, sagt Benno Kretzschmar.

Wer dennoch seinem einsitzenden Mann, Freund oder Vater Schokolade zukommen lassen will, muss sich dafür am Automaten im Besucherraum der JVA Zeithain bedienen. Dort kostet etwa die Tafel Rittersport Knusperkeks 1,20 Euro, der Bounty-Schokoriegel 65 Cent, die Saftpackung Caprisonne-Kirsche 50 Cent. Das können Besucher für die Gefangenen kaufen. Diese müssen das allerdings auch gleich dort – unter Aufsicht – verzehren, sodass nicht erst potenzielle Versteckmöglichkeiten in den Zellen auftauchen.

Aus demselben Grund dürfen Gefangene auch keine gebastelten Räucherhäuser oder ähnliche Präsente empfangen: Alles, was Hohlräume enthält, würde den Kontrollaufwand in den Hafträumen zu sehr erhöhen. Ganz ohne Geschenke müssen die Gefangenen allerdings auch in Zeithain nicht auskommen – denn da gibt es noch eine Variante ohne Schmuggelgefahr: Angehörige können Inhaftierten zu Weihnachten oder zum Geburtstag Geld zukommen lassen. Natürlich kein Bargeld im Briefumschlag – was womöglich zum Drogenkauf missbraucht werden könnte. „Dafür haben wir die Möglichkeit der zweckgebundenen Einzahlung“, sagt der Sicherheitsbeauftragte. Dabei wird den betreffenden Gefangenen die angewiesene Summe gutgeschrieben – und sie können mit dem Guthaben etwas aus dem Katalog bestellen.

Da gibt es einerseits das Verzeichnis des JVA-Ladens, der von der Zahnpasta bis zur DVD alle möglichen Produkte enthält – wobei vor allem Tabakwaren begehrt sind. Alkohol und alkoholhaltige Parfüme stehen nicht auf der Liste. „Wir haben aber auch einen Otto-Katalog, um uns Sachen zu bestellen“, sagt ein Gefangener, der bei der Suchttherapie mitmacht. Hinter Gittern ist das – ganz klassisch – ein dicker Papierkatalog. Onlineshopping kommt nicht infrage – Internet ist für Gefangene aus Sicherheitsgründen tabu. Und auch bei den einzahlbaren Geldmengen gibt es Beschränkungen. „Eine Einzahlung von rund 100 Euro zu Weihnachten ist erlaubt und dann noch einmal kleinere zu Ostern und zum Geburtstag“, sagt der Gefangene. Um überhaupt weihnachtliche Stimmung in den Zellen aufkommen zu lassen, sind immerhin LED-Lichterketten erlaubt – da kann man kaum etwas drin verstecken.

Etwas persönlicher geht es bei den Geschenken in umgekehrte Richtung zu: Bei den Therapieangeboten der JVA Zeithain gibt es durchaus die Möglichkeit, etwas zu basteln und es später seinen Kindern zu schenken. „Wir stellen vor allem Weihnachtskarten her und nähen auch mal Puppen“, sagt der Gefangene. Bei der Kunsttherapie stellen die Gefangenen auch mal Mensch-ärger-Dich-nicht- oder Monopoly-Spiele her. Bei Letzterem kann man nur wünschen, dass niemand die „Gehe-in-das-Gefängnis-Karte“ zu wörtlich nimmt.