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Was machen Sie anders, Herr Schuh?

Jungwinzer Matthias Schuh über seinen Vater, seine ersten Erfolge und neue Weinmoden.

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© Thomas Kretschel

Viele Freunde des Elbtalweines haben Ihren Vater vor Augen, wenn vom Weingut Schuh die Rede ist. Er kam 1990 von der Obermosel nach Sörnewitz, hat das Gut aufgebaut und vor einem Jahr an Sie und Ihre Schwester abgegeben. Hand aufs Herz: Hat er, der dominante Typ, wirklich losgelassen?

Ja, schon. In der ersten Zeit hat er noch in der Vinothek gearbeitet, aber Ende März zog er sich komplett aus dem Unternehmen zurück. Er wohnt auf dem Hof, hat sich aber einen VW-Bus gekauft und will damit die Welt erkunden. Ist gut so: Wir sind sehr unterschiedliche Charaktere. Jetzt haben die Leute die Chance, die Vorstellungen von meiner Schwester und mir kennenzulernen.

Also mal eine gelungene Form der Firmenübergabe, wie sie sich viele Winzer wünschen?

Nicht nur Winzer. Überall können Firmeneigner froh sein, wenn sie einen geeigneten Nachfolger finden.

Was ist das Geheimnis einer erfolgreichen Firmenübergabe?

Toleranz und Akzeptanz sind sehr wichtig. Natürlich fällt es den Firmengründern schwer, wenn die Jungen ankommen und alles anders machen. Mein Vater hat 26 Jahre Tag und Nacht das Gut aufgebaut – eine tolle Grundlage für uns. Aber mit der Übernahme in der Familie bleiben auch ideelle Werte erhalten, die er geschaffen hat und die mit Geld nicht zu bezahlen sind.

Sie haben schon als Kind miterlebt, wie Ihr Vater im Weinberg schuftete. Trotzdem wollten Sie Winzer werden?

Eigentlich wollte ich was mit Informatik machen. Aber ich habe nach der Schule doch lieber eine Winzerlehre begonnen. Schon nach kurzer Zeit merkte ich, dass mich das total erfüllt. Ich freue mich daran, hier etwas zu schaffen. Ja, es ist viel Arbeit. Aber wenn ich abends aus dem Weinberg gehe, sehe ich, was ich am Tag gemacht habe. Und wenn ich meine Weine abfülle und sich die Kunden beim Hoffest daran erfreuen, ist es die beste Bezahlung, die man haben kann. Wie viele Jobs gibt es, in denen man nie einen Dank bekommt?

Sie brachten es schon sehr jung zu Ruhm und Ehre: 2009 zweitbester Jungwinzer Deutschlands, 2012 bester Jungwinzer Europas. Wie, bitte, wird man in diesem Beruf Europameister?

Es geht darum, wer am meisten trinken kann. Quatsch! Gewonnen habe ich nach theoretischer und praktischer Prüfung wahrscheinlich, weil ich sehr gut Englisch kann und bei Prüfungen locker bleibe. Ich bin da aber gar nicht hingefahren, um zu gewinnen, sondern um 65 Winzer aus ganz Europa kennenzulernen. Eine tolle Chance, das Netzwerk hilft mir noch heute. Im Juli verbringe ich übrigens bei einem der Winzer in Portugal meinen Urlaub.

Im Juli? Und wer macht die Arbeit?

Es ist schwer, Urlaub zu machen, ja. Aber letztes Jahr hatte ich nur drei Tage, dieses Jahr muss es werden. Bis Ende Juli soll im Weinberg maschinell alles erledigt sein, und dann ist mein Mitarbeiter noch da. Auf den kann ich mich absolut verlassen.

Was machen Sie beim Wein anders als ihr Vater?

Ich mache den Wein ja schon seit drei Jahren. In dieser Zeit hat sich sogar mein eigener Weinstil extrem geändert. Anfangs habe ich versucht, alles umzusetzen, was ich im Studium gelernt habe: alles modern, alles frisch, alles muss schnell gehen. Heute nervt mich das. Manche Kunden wollen am liebsten schon jetzt 2017er Wein trinken. Und ich versuche Ihnen zu erklären, dass die 2015er jetzt die optimale Trinkreife haben. Jetzt ärgere ich mich, dass die schon fast ausverkauft sind. Also: Ich möchte das alles entschleunigen.

Wie wirkt sich das auf die Weine aus?

Ich habe früher kalt vergoren. Heute nehme ich fast keine Hefe mehr und mache im Keller so gut wie gar nix. Ich versuche herauszuarbeiten, was die Weinberge hergeben. Sie sollen so schmecken, wie sie hier in der Steillage an der Elbe gewachsen sind. Schöne, weiche Weine. Das ist der Vorteil gegenüber Großbetrieben. Die können gute Weine machen, aber die sind anonym.

Gibt es einen jungen Weingeschmack?

Glaube ich nicht. Als junger Mensch fängt man mit eher süßeren, weißen Weinen an, erst später entwickelt sich der Geschmack. Mit 16 hätte ich nie gedacht, dass mir mal kräftige, trockene Rotweine schmecken.

Aber es gibt Weinmoden.

Ja, die haben nicht viel mit dem Alter zu tun. Jetzt ist ja gerade der Rosé in. Den trinken alle gern.

Sie produzieren ziemlich viel Rotwein.

Wir haben mit dem Meißner Klausenberg eine heiße Lage. Weiße Weine werden hier zu schnell reif, sie haben dann zu viel Alkohol. Aber für Rotwein ist das super.

Welchen Wein trinken Sie am liebsten?

Ich trinke ganz wenig eigenen Wein.

Wie bitte?

Das schockiert, nicht? Ich probiere sie schon ein-, zweimal im Monat, um ein Gefühl zu bekommen, wie sie sich entwickeln. Aber sonst trinke ich viel Wein aus Europa, aber auch gern Bier, vor allem Craft-Biere. Ich werde jetzt sogar anfangen, selber welche zu brauen. Mal sehen.

Sie führen das Unternehmen zusammen mit Ihrer Schwester Katharina. Ein sehr junger Betrieb.

Ja, ich bin 29, sie ist 33. Meine Schwester führt die Vinothek, macht die Buchhaltung und nimmt mir viel Arbeit im Büro ab. Mein Mitarbeiter im Weinberg ist der Älteste. Er ist schon 20 Jahre dabei. Ansonsten arbeiten wir viel mit Studenten und Rentnern. Alle haben ihren Anteil am Erfolg.

Wollen Sie weiterwachsen?

Würden wir schon gern in Maßen. Meine große Sorge ist, dass ich mal im August schon keinen Wein mehr verkaufen kann, aber der neue erst im Frühjahr wieder so weit ist. Nur: In Sachsen ist es schwierig, gute Flächen zu bekommen, anders als etwa in Rheinland-Pfalz. Allerdings will ich auch keine Größe, in der ich selbst nicht mehr im Weinberg bin und nur noch Kunden besuche. Das ist nicht mein Ding.

Was wird sich noch ändern?

Ich möchte nicht nur guten Wein aus dem Boden holen, sondern die Böden selbst pfleglich behandeln, damit die Generationen nach uns noch etwas davon haben. Deshalb nutze ich sehr viele biologische Methoden. Künftig werden Schafe das Gras zwischen den Rebstöcken fressen und Hühner herumlaufen, die die Eier für unsere Pensionsgäste liefern.

Im Jahr nach dem Weinskandal sind manche Winzer noch immer ängstlich. Ganz anders als Sie.

Das nervt mich auch, aber das ist eine Generationensache. Ich frage mich überhaupt, warum viele Menschen so bissig sind, nicht lächeln können. Wenn ich auf so einen Menschen treffe, dann ist es für mich eine Herausforderung, den mit einem Lächeln wieder gehen zu sehen.

Das Interview führte Olaf Kittel. In zwei Wochen folgt der nächste Teil der Serie: Schloss Wackerbarth – der Riese unter den Weingütern.