Merken

Was Kinder wollen

Sachsen will die Qualität der Kitas verbessern. Eine Studie hat untersucht, was sich Kinder in einer guten Kita wünschen.

Teilen
Folgen
© 123rf.com/famveldman

Von Andrea Schawe

Alle reden über sie, nur keiner mit ihnen – bis jetzt. Eine neue Studie des Desi-Instituts im Auftrag der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung hat untersucht, wie Kinder sich ihre Betreuungseinrichtung wünschen. Dafür waren Forscher deutschlandweit in sechs Kitas unterwegs. Je zwei Tage lang haben sie mit 79 Vier- bis Sechsjährigen gesprochen, mit ihnen gemalt, sich von ihnen die Kitas zeigen lassen, sie beobachtet, fotografiert und auf Video aufgenommen. „Es ist unsere Pflicht, die Perspektive der Kinder hörbar zu machen“, sagt Iris Nentwig-Gesemann, die die Ergebnisse in Dresden vorstellte.

Ergebnis 1: Kinder wollen als Persönlichkeiten sichtbar sein

„Das bin ich, das sind meine Sachen, das habe ich gemacht“ – jedes Kind ist individuell. Wird das in der Kita auch anerkannt, fühlen sich die Kinder wertgeschätzt. Eine Sammlung gemalter Bilder, Geburtstagskalender oder Anwesenheitstafeln sind für die Kinder besonders.

Ergebnis 2: Ein geheimer Ort, an dem ungestört gespielt werden kann

„In jeder Kita gibt es einen Geheimort“, sagt Iris Nentwig-Gesemann. Das kann der schmale Streifen zwischen Gebüsch und Zaun sein oder der Kletterhang im Garten. „Dort können die Kinder ungestört spielen, ihrer Fantasie freien Lauf lassen und werden nicht ständig von Erwachsenen überwacht“, erklärt die Professorin. So schaffen sie sich selbst intime Räume in der sehr öffentlichen Umgebung einer Kita.

Ergebnis 3: Regeln und Rituale sind wichtig für die Gemeinschaft

Vor dem Essen gibt es jeden Tag einen Mittagskreis, bei dem gespielt wird: Wiederkehrende Abläufe sichern das Gemeinschaftsgefühl. „Es signalisiert: Wir gehören zusammen.“ Ein Rhythmus im Tagesablauf gibt Sicherheit. Allerdings nur, wenn die Kinder aktiv und verantwortlich mitbestimmen können und die Teilnahme freiwillig ist. Dass die Meinung der Kinder bei der Gestaltung des Kita-Alltags gehört wird und auch zählt, sei wichtig. In einer Kita der Studie gab es etwa ein „Kinderwunschgericht“ zum Mittag. „Es war transparent, was es gibt und wer es bestimmt hat“, erklärt Projektleiterin Nentwig-Gesemann.

Ergebnis 4: Kinder wollen zeigen, was sie können

Kinder sind begeistert, wenn sie sich ausprobieren, messen und üben können. „Sie sind stolz darauf zu zeigen, wenn sie etwas Neues gelernt haben oder können“, heißt es in der Studie. Es sollte in den Einrichtungen Räume und Möglichkeiten geben, in denen den Kindern etwas zugetraut wird und sie Experten sein können.

Ergebnis 5: Bewegung ist ein Grundbedürfnis

In den Kitas seien den Forschern keine Bücherregale gezeigt worden, dafür „hundertfach Bewegungsräume und Klettergerüste“, sagt Nentwig-Gesemann. „Kinder wollen sich frei und raumgreifend bewegen, sich sozusagen austoben.“ Auch mit körperlichen Herausforderungen und mit Risiko: Auf Bäume klettern, balancieren, springen. Die Erwachsenen würden das oft nicht hören, aus Angst die Kinder könnten sich verletzen oder scheitern. „Die Kinder müssen sich aber ausprobieren.“

Ergebnis 6: Kinder wollen selbst entscheiden und mitbestimmen

Selbstbestimmung und eigene Grenzen sind sehr wichtig – gerade bei den Themen Essen und Schlafen. Jede Möglichkeit, frei entscheiden zu können, wo sie sich aufhalten, was sie essen und mit wem oder was sie sich beschäftigen, werde von den Kindern angenommen, sagt die Professorin. In einigen Kitas konnten die Kinder frei wählen, ob sie drinnen oder draußen frühstücken wollen – oder ob sie auf das Frühstück verzichten, um länger zu spielen. „Sie wünschen sich Erwachsene, die tolerant sind, diskutieren und sie auch respektieren.“

Ergebnis 7: Beschwerden hören und ernst nehmen

Beispiel Mittagsschlaf: Ob und wie lange die Kinder schlafen müssen, oder ob sie nur ruhen dürfen, bestimmen die Erzieher mit den Eltern. Für einige Kinder sei das belastend, auch weil sie nicht wissen, welcher Sinn dahinter steckt. Sie wünschen sich Ausnahmen. „Die Beschwerden darüber sollten sie offen und angstfrei äußern können“, sagt Nentwig-Gesemann. Dann können sie zusammen mit den Erziehern überlegen, was verändert werden könnte.

Ergebnis 8: Fachkräfte werden weitergebildet

Derzeit wird die Studie für die Bertelsmannstiftung in sieben weiteren Kitas fortgesetzt. Darunter sind Einrichtungen in eher dörflichem Umfeld, mit vielen Kindern mit Migrationshintergrund und Entwicklungsbedarf. Außerdem startet ein Pilotprojekt in 30 Kitas in zehn Bundesländern, unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Dabei werden Erzieher zur „Fachkraft für Kinderperspektive“ weitergebildet.