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„Warum immer Dresden oder Leipzig?“

Die Kreishandwerkerschaft will etwas gegen Abwanderung aus der Region tun – und hat dafür schon Ideen.

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© Sebastian Schultz

Riesa. Die Abwanderung aus den ländlichen Regionen in die Großstädte ist überall ein großes Thema. Vor allem die Handwerksbetriebe spüren die Folgen: Händeringend suchen die Chefs nach Auszubildenden, Mitarbeitern, Nachfolgern. Aber wie lässt sich diesem Strukturwandel begegnen – und was können die Handwerksbetriebe dafür tun? Dieser Frage will ein Bündnis aus Handwerk, Kreativen, Wissenschaft und Ausbildern nachgehen. Die SZ hat darüber mit dem Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Meißen, Jens-Torsten Jacob, gesprochen.

Herr Jacob, die Kreishandwerkerschaft will Ende Mai eine Innovationskonferenz abhalten. Worum geht es da?

Ausgangspunkt war für uns die Frage, wie wir hier im Kreis mit dem Strukturwandel umgehen, also beispielsweise mit dem Fachkräftemangel. Wir haben uns dann Partner gesucht und uns beim Ideenwettbewerb „Wandel durch Innovation in der Region“ in Berlin beworben. Ich war ehrlich gesagt freudig überrascht, dass es unser Projekt aus den 105 Bewerbern in die Vorauswahl geschafft hat – als eines von 32 und als einziges, das mit dem Thema Handwerk zu tun hat.

Das Handwerk verbindet man nicht unbedingt als Allererstes mit Innovation...

Und das ärgert mich! Wir werden immer so in die traditionelle Ecke geschoben. Dabei ist das Handwerk schon immer innovativ und kreativ gewesen. Seit Tausenden von Jahren. Wer hat denn die Pyramiden gebaut …!

Trotzdem wollen Sie sich nun neue Ideen aus der Kreativwirtschaft holen, also etwa von Künstlern und Marketingleuten. Wie passt das zusammen?

Das Problem ist, dass die Handwerksbetriebe derzeit überlastet sind. Erstens durch die Bürokratie, die immer mehr zunimmt, zweitens ist auch die Auftragslage sehr gut. Dazu kommt drittens noch der Fachkräftemangel. Da bleibt leider wenig Zeit, sich über neue Ideen Gedanken zu machen. Wir möchten deshalb eine Plattform schaffen, die das übernimmt.

Wie kann das denn aussehen?

Wir wollen Brücken bauen zwischen den ländlichen Regionen und den Oberzentren. Ein Beispiel: Nehmen wir an, jemand in Leipzig möchte hier in Riesa veganen Kuchen verkaufen. Wir würden dann versuchen, die Verbindung zu einem Bäcker herzustellen, der diesen Kuchen herstellt. Der Unternehmer aus Leipzig kann damit erst einmal ohne größeres Investitionen testen, ob diese Geschichte hier überhaupt funktioniert. Und der Bäcker, der vorher vielleicht noch freie Kapazitäten hatte, ist besser ausgelastet. Wir können uns auch vorstellen, dass wir einen Expertenrat bilden, den Handwerker nutzen können, um ihre Idee auf Machbarkeit zu prüfen, um diese dann tatsächlich zu verwirklichen.

Was ist denn noch geplant?

Eine weitere Idee ist es, eine offene Werkstatt zu schaffen. Ich erinnere mich daran, wie ein Tischler auf einer Fachkonferenz vor einer Maschine stand, die er gerne mal probiert hätte. So etwas könnten wir doch über das Projekt einrichten, sodass jeder Handwerker die Maschine nutzen kann. Das ist übrigens keine neue Idee – aber warum muss es so etwas immer nur in Dresden oder Leipzig geben? Eine offene Werkstatt könnte man dann auch von Berufsschülern oder BA-Studenten nutzen lassen. Da wären wir auch wieder beim Stichwort Berufsorientierung.

Wie meinen Sie das?

Wenn 20 Prozent der Lehrlinge hinschmeißen, dann stimmt etwas nicht. Ich mache keinen Hehl daraus: Mit der Berufsorientierung sind wir als Handwerkerschaft derzeit nicht glücklich. Es braucht meiner Ansicht nach andere Angebote, um die jungen Leute für das Leben vorzubereiten. Dazu gehört auch mehr Mut für eine selbstständige Tätigkeit.

Was sagen denn die Handwerker zu diesen ganzen Vorhaben?

Die Ersten, die davon erfahren haben, haben schon aufgehorcht. Aber wir stehen noch ganz am Anfang. Auf der Konferenz Ende Mai in der Studienakademie wird die Sache erstmals richtig vorgestellt. Anschließend gibt es noch weitere Veranstaltungen mit den Betrieben in Riesa, Großenhain und Meißen. Unser Ziel ist es, Ende Oktober ein Konzept in Berlin vorzulegen. Übrigens soll am Ende ein Ansatz stehen, den auch andere Regionen kopieren können, ob in der Mainzer Ecke oder in Mecklenburg-Vorpommern. Die haben alle ähnliche Probleme.

Sie klingen ja schon sehr optimistisch.

Das bin ich auch. Die Region hat viel Potenzial. Dass etwa die jüngere Generation einen stärkeren Fokus auf Regionalität setzt, ist eine Entwicklung, die positiv für die Region ist. Auch, dass der Trend dazu geht, von zu Hause zu arbeiten. Klar, der Handwerker muss weiter zum Kunden. Aber das Handwerk kann die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Menschen hier bleiben – ein wichtiges Signal, wie ich finde. Wir brauchen aber natürlich trotzdem eine perfekte Anbindung zu den Oberzentren. Meißen ist da wegen der S-Bahn-Verbindung auf einem guten Weg. Riesa und Gröditz eher nicht – da müssen Konzepte her.

Das Gespräch führte Stefan Lehmann.

Die Konferenz, in der das Projekt „Das Handwerk als Innovationsmotor in der Elberegion Meißen“ vorgestellt wird, findet am 31. Mai von 10 bis 14 Uhr in der BA Riesa statt. Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldung und weitere Information: Telefon 03525 733963 oder [email protected]