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Warnzettel fürs Meissener

Sachsens EU-Abgeordnete wehren sich gegen ein Verbot bestimmter Porzellan-Farben. Sollte es kommen, wäre das das Ende besonders leuchtender Farben. Eine Lösung deutet sich aber an.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. Mit einer gemeinsamen Anfrage an die EU-Kommission möchten Sachsens vier Europa-Abgeordnete herausfinden, welche Gefahr der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen durch eine Keramikrichtlinie droht. Das geht aus Telefonaten der SZ mit Parlamentariern hervor.

Kürzlich war bekannt geworden, dass Brüssel plant, den Grenzwert für gesundheitsgefährdendes Blei in Porzellanfarben um den Faktor 400 auf zehn Mikrogramm pro Liter herabzusetzen, bei Cadmium um den Faktor 60 auf fünf Mikrogramm pro Liter. Sollte dies durchgesetzt werden, würde es das Aus für die besonders farbenfrohe Aufglasurmalerei bedeuten. Ohne den Zusatz von Cadmium und Blei sind diese nach Angaben der Manufaktur nicht herstellbar. „Ein Ende der Tradition wäre ein herber Verlust und das weit über die sächsischen Landesgrenzen hinaus“, heißt es aus dem Europabüro der EU-Abgeordneten Cornelia Ernst (Die Linke). Federführend erarbeitet sie die Anfrage an die EU-Kommission.

Unterstützt wird der Vorstoß der Linken-Politikerin durch den EU-Abgeordneten Peter Jahr (CDU). Er bezeichnet eine derart verschärfte Keramikrichtlinie als „Katastrophe“ und einen „Angriff auf die sächsische Identität“.

Auslöser für die neu entfachte Diskussion ist Jahr zufolge der Hinweis eines Mitglieds des Umweltausschusses auf den hohen Blei- und Cadmiumgehalt von bestimmten Porzellanfarben. Zudem liegt der SZ eine Studie des Bundesamtes für Risikobewertung vor. Die Behörde kommt zu dem Ergebnis, dass die WHO-Grenzwerte durch regelmäßiges Essen zum Beispiel von belasteten Tellern in einzelnen Fällen überschritten werden könnten.

Jahr sieht jedoch Bedarf für zusätzliche Analysen. „Meiner Ansicht nach sollte zunächst weitergeforscht werden“, so der CDU-Europapolitiker. Wie es aus dem Büro von Cornelia Ernst heißt, sollte die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission eine tiefergehende Studie im Oktober 2016 abschließen. Auf der Grundlage der Ergebnisse wollte die Kommission über weitere Schritte und mögliche neue Grenzwerte entscheiden. Diese Studie sei jedoch noch nicht veröffentlicht.

Als eine mögliche Lösung in dem Streit um den Metallgehalt von Keramik und Porzellan, plädiert Jahr für Warnhinweise zum Beispiel zu Meissener Tellern und Tassen mit Aufglasurmalerei. Die Verbraucher könnten auf diese Weise über mögliche Gesundheitsgefahren aufgeklärt werden. Tatsächlich besteht ein solches Risiko nach Angaben des Verbandes der keramischen Industrie nur, wenn säurehaltige Lebensmittel wie Fruchtsäfte längere Zeit in einem belasteten Gefäß gelagert würden.

Weitere Traditionsbetriebe bedroht

Ein solcher Kompromiss wäre offenbar nicht nur für die Manufaktur, sondern auch für andere europäische Hersteller ein gangbarer Weg. „Traditionsbetriebe wie die Wiener Porzellanmanufaktur Augarten dürfen nicht durch überschießende neue EU-Vorgaben ihre Geschäftsgrundlage verlieren“, sagt der Brüsseler ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karras. Daher werde es bei der Anpassung der Grenzwerte für Blei und Kadmium in der Keramikindustrie Ausnahmeregeln für traditionelle Herstellungsmethoden geben, so der Österreicher. Das Problem sei der Europäischen Kommission bekannt.

Ähnlich wie sein Kollege aus Österreich setzt der Sachse Peter Jahr jetzt auf Gespräche. Ohne das etwas angeregt werde, laufe in Brüssel nichts. Die EU-Kommission sei seinen Erfahrungen nach durchaus offen für fundierte und berechtigte Hinweise. Er hoffe, das Problem mit anderen Parlamentariern lösen zu können, noch bevor die neue Keramik-Richtlinie ins Parlament eingebracht werde, so der Christdemokrat.

In Meißen vor Ort werden die Vorgänge in Brüssel mit regem Interesse verfolgt. Ein Verbot von blei- und cadmiumhaltigen Aufglasurfarben wäre nach Angaben von Unternehmenssprecherin Sandra Jäschke ein ernster Schnitt, jedoch nicht existenzbedrohlich. Wie viele Arbeitsplätze dadurch gefährdet sein und welcher Umsätze wegfallen könnten, lasse sich derzeit noch nicht sagen.