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Wann darf Winnetou Winnetou heißen?

Ein Streit zwischen den RTL-Filmproduzenten und dem Karl-May-Verlag verwirrt die Fans.

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© RTL/Nikola Predovic/RatPack, dpa

Von Marcus Krämer

Was hätte Karl May dazu gesagt? Über die Neuverfilmung der „Winnetou“-Abenteuer für RTL ist ein dramatischer Streit entbrannt, den der Karl-May-Verlag in Bamberg und die Produktionsfirma Rat Pack vor Gericht austragen. Der Dreiteiler soll dieses Jahr zu Weihnachten auf RTL gezeigt werden. Doch das Drehbuch, so die Ansicht des Verlags, hat mit dem Werk Karl Mays wenig bis gar nichts mehr zu tun. Nach allem, was bislang bekannt ist, weichen einige Figuren und Handlungsorte vom Original ab.

Streitbarer Häuptling: Diese Winnetou-Zeichnung des Dresdner Künstlers Torsten Hermann entnehmen wir dem Bildband „Auf den Pfaden von Old Shatterhand und Winnetou“, erschienen im Engelsdorfer Verlag, 100 Seiten, 15 Euro.
Streitbarer Häuptling: Diese Winnetou-Zeichnung des Dresdner Künstlers Torsten Hermann entnehmen wir dem Bildband „Auf den Pfaden von Old Shatterhand und Winnetou“, erschienen im Engelsdorfer Verlag, 100 Seiten, 15 Euro. © Zeichnung: Torsten Hermann

Auch manche Erzählstränge wurden neu geknüpft. So wird Nscho-tschi, Winnetous Schwester, nicht erschossen, sondern heiratet Old Shatterhand. Für den Verlag, eine Art Gralshüter des Karl-May-Erbes seit über 100 Jahren, ist das offenbar eine Zumutung. Hinzu kommt, dass der Verlag derzeit eine eigene „Winnetou“-Verfilmung plant.

Was Werktreue betrifft, war schon mit dem berühmten sächsischen Schriftsteller nicht zu spaßen. „Jedes meiner Worte ist mein unangreifbares geistiges Eigentum“, schrieb er einmal. Und an anderer Stelle betonte er die Unantastbarkeit seines Romans: „Es darf kein Wort, keine Zeile daran geändert werden. Jede Änderung, sogar die allerkleinste, bedeutet eine Wunde; jede größere macht ihn gar zum Krüppel.“

Nun ist es bei Verfilmungen von Büchern üblich, dass das Original fürs Drehbuch gestrafft und dramaturgisch zurechtgebogen wird. Das wäre bei Mays 500-Seiten-Schinken auch gar nicht anders möglich. Schon die Kinofilme der 60erJahre wichen an einigen Stellen markant von der Vorlage ab. Zum Beispiel wird der Pierre-Brice-Winnetou nicht wie im Buch von einem Sioux-Indianer erschossen, sondern von dem weißen Banditen Rollins. Auch dem Karl-May-Verlag selbst wurde schon vorgeworfen, er habe die Urtexte im Lauf der Jahrzehnte weichgespült.

Die Süddeutsche Zeitung schrieb einmal von den „hybriden Bamberger Softie-Versionen“. Wobei es auch im Verlagswesen, zumal bei Unterhaltungsliteratur für Jugendliche, keine verwerfliche Praxis ist, Texte anzupassen an den sich wandelnden Sprachgebrauch. Mit „Winnetou“-Prosa von 1893 lockt man kaum einen Zwölfjährigen hinterm Smartphone hervor.

Im aktuellen Streit hat der Verlag kurz vor Weihnachten einen Teilsieg errungen: Das Landgericht Nürnberg-Fürth gab einer Klage gegen die Produktionsfirma Rat Pack statt. Die geplanten Titel für die drei Teile der Neuverfilmung dürfen nicht verwendet werden: „Winnetou und Old Shatterhand“, „Winnetou und der Schatz im Silbersee“, „Winnetous Tod“.

„Winnetou bleibt Winnetou!“

Zwar erlischt das deutsche Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod eines Autors. Auch heißen die „Winnetou“-Romane im Original völlig anders, nämlich „Winnetou – Erster Band“, „Zweiter Band“ und „Dritter Band“. Die genannten Titel fallen dennoch unter das Titelschutzrecht. Denn sie lauten genauso wie andere Bände aus dem Verlag. „Winnetou und Old Shatterhand“ etwa ist ein Bilderbuch mit Kurzfassungen einiger Wildwest-Abenteuer.

Wem das alles noch nicht verwirrend genug ist, für den geht das Abenteuer nun erst richtig los. Die Frage bleibt nämlich: Dürfen die RTL-Filme überhaupt „Winnetou“ heißen? Die Pressemitteilung des Gerichts war zugespitzt überschrieben mit den Worten: „Wo Winnetou draufsteht, muss auch Winnetou drin sein.“ Das hatte in etlichen Zeitungen zu noch zugespitzteren Schlagzeilen geführt, so zum Beispiel auf Spiegel Online: „Winnetou darf nicht Winnetou heißen.“ Kurz nach Weihnachten widersprach RTL-Sprecher Christian Körner in einem Interview: „Winnetou bleibt Winnetou!“ Das Urteil beziehe sich ausschließlich auf die Verwendung bestimmter Titel. „Nicht von dem Streit betroffen ist das Recht, unsere ,Winnetou‘Filme unter genau diesem Namen zu zeigen.“ Körner sagte, die Produktionsfirma werde gegen das Urteil in Berufung gehen.

Auf Nachfragen der SZ stellt der Vorsitzende Richter am Landgericht Nürnberg, Gert Burmeier, noch einmal klar, dass sich das Urteil allein auf die genannten Titel bezieht. Er will keine Einschätzung abgeben, inwieweit andere „Winnetou“-Titel zulässig wären. In der Pressemitteilung des Gerichts hieß es: „Die geplanten Filme würden sich so stark von den Romanvorlagen unterscheiden, dass nicht mehr von einer Verfilmung gesprochen werden könne.“ Das ganze Hickhack lässt sich bis hierher demnach so zusammenfassen: Der Filmproduktionsfirma wurde der Titel nicht etwa deshalb untersagt, weil das Drehbuch zu stark von Karl Mays „Winnetou“ abweicht – sondern von einem Bilderbuch mit gesammelten Kurztexten.

Ein rein juristisches Manöver? Dazu muss man wissen, dass der Verlag schon seit Jahren den Begriff „Winnetou“ als Marke schützen lassen will. Der Fall wandert durch die Gerichtsinstanzen. Zurzeit streiten sich der Karl-May-Verlag und die Filmproduktionsfirma deshalb auch vor dem Gerichtshof der EU. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus.

Im Gespräch mit der SZ lässt Verlagschef Bernhard Schmid durchblicken, dass er den RTL-Film möglichst aus dem Karl-May-Kosmos fernhalten will. Und er betont noch einmal, was er von dem Drehbuch hält: „Das ist nicht frei nach Karl May, sondern frei von Karl May.“ Zumindest eines hätte dem Abenteuer-Autor aus Sachsen aber gefallen: Es bleibt spannend.