Merken

Wann darf man Pflegepatienten fixieren?

In Sachsen steigt die Zahl der Fälle. Bundesweit sieht es anders aus, denn es gibt Alternativen.

Teilen
Folgen
NEU!
© dpa

Von Thilo Alexe

Dresden. Wenn Menschen sich selbst gefährden, dürfen sie gefesselt oder mit Medikamenten ruhiggestellt werden. Dabei geht es vor allem um Pflegebedürftige in Heimen oder ähnlichen Einrichtungen, die wegen einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung in Gefahr sind, sich selbst zu töten oder schwere Verletzungen zuzufügen. 2015 galt das für mehr als 53 000 Menschen in deutschen Heimen, Zehn Jahre zuvor waren es fast 77 000.

In Sachsen ist die Entwicklung anders. 2015 wurden für 1 836 Patienten freiheitsentziehende Maßnahmen angeordnet. Zehn Jahre zuvor galten die für 1 714 Pflegebedürftige. Die Daten gehen aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen zur Situation in der Altenpflege hervor. Freiheitsentziehende Maßnahmen, betont die Regierung, müssten stets das letzte Mittel sein. Nötig sei eine umfassende Überwachung durch geschultes Personal. Angestrebt werden soll zudem eine möglichst kurze Dauer.

Um Heimbewohner mit Gurten oder Fesseln zu fixieren, sie einzuschließen oder zu sedieren, benötigt es die Genehmigung eines Betreuungsgerichts. Die Richter haben 2015 – neuere Daten liegen der Bundesregierung nicht vor – sachsenweit 927 solcher Anträge abgelehnt. Zehn Jahre zuvor waren es nur 603. Auch in anderen Bundesländern ist die Zahl der Ablehnungen gestiegen. Bundesweit blieb sie im Zehnjahresvergleich annähernd konstant.

Die Statistik zeigt aber auch: Sowohl im Bund als auch in Sachsen hatte sich die Zahl der Freiheitsentzüge ab 2005 zunächst deutlich erhöht, bevor sie sank. Im Freistaat geht die Zahl der Anträge durch die Betreuer der Pflegebedürftigen seit 2011 zurück. Verstärkt werden mittlerweile Alternativen zum Freiheitsentzug geprüft.

Die können vielfältig sein. Ein Grund für diese Maßnahmen ist die Sturzgefahr von Patienten, deren geistige und körperliche Fähigkeiten eingeschränkt sind. Doch die lässt sich unter Umständen auch anders bannen, etwa mit rutschfesten Schuhen und Socken, der Markierung von Schwellen oder einem Kräftigungs- und Balancetraining.

Geht es um aggressives Verhalten der Pflegebedürftigen gegen sich selbst oder gegen Betreuer und Ärzte, kann womöglich eine Verhaltenstherapie helfen. Im Zuge der Biografiearbeit gehen Ärzte und Betreuer der Frage nach, ob es im Leben des Patienten ein Ereignis gab, das Auslöser für Aggressionen ist.

Freiheitsentzug kann angeordnet werden, wenn Pflegebedürftige aufgrund ihres Zustandes eine nötige Behandlung verweigern. So kommt es vor, dass sich Kranke Versorgungsschläuche entfernen. Eine Alternative ist, die Leitungen möglichst außerhalb des Gesichtsfeldes zu legen.