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Falken-Nachwuchs am Hohen Stein

Die Macher der Karl-May-Festtage in Radebeul mussten umplanen, wegen der geschützten Tiere. Der Aufwand hat sich wirklich gelohnt.

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© Mike Jäger

Von Sven Görner

Radebeul. Die hellen Rufe der beiden Vögel, die über dem alten Steinbruch im Radebeuler Lößnitzgrund kreisen, sind nicht zu überhören. Der Grund für die Aufregung der Tiere ist ein Mann, der sich vorsichtig in der bröckeligen Felswand bewegt. Ziel des Kletterers ist ein Nest, das mit viel Geschick auf einem schmalen Absatz gebaut wurde. Dass zwischen den kleinen Aststücken Bewegung ist, lässt sich mit bloßem Auge vom Boden aus kaum erkennen.

Die beiden Mini-Falken wurden jetzt aus ihrem Nest geholt, um sie zu beringen.
Die beiden Mini-Falken wurden jetzt aus ihrem Nest geholt, um sie zu beringen. © Mike Jäger
Im Foto von links nach rechts: Der Wanderfalken-Verantwortliche Ulrich Augst sowie Torsten Peters und Peter Reuße vom Landratsamt Meißen.
Im Foto von links nach rechts: Der Wanderfalken-Verantwortliche Ulrich Augst sowie Torsten Peters und Peter Reuße vom Landratsamt Meißen. © Mike Jäger
Ein ausgewachsener Falke.
Ein ausgewachsener Falke. © dpa

Auch vom Nest ist jetzt aufgeregtes Rufen zu hören. Allerdings nicht so laut und klar wie vom Himmel. Der Mann hat sein Ziel erreicht und greift vorsichtig nach dem sich bewegenden Etwas im Nest. Einmal, zweimal. Dann seilt er einen grauen Beutel behutsam nach unten ab.

Dort wartet schon ein zweiter Mann. Ulrich Augst ist ehrenamtlich Naturschützer und Artspezialist für Uhu, Wanderfalke und Schwarzstorch im Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirkes Dresden. Das reicht vom Osterzgebirge bis an die Grenzen zu Polen und Brandenburg.

Auch der Landkreis Meißen gehört dazu. Heute ist der Sebnitzer in den Steinbruch am Hohen Stein gekommen, um die beiden jungen Nestbewohner mit Ringen zu versehen. Die flauschigen Tiere sind gut drei Wochen alte Wanderfalken. Eine streng geschützte Art. Dass sich die beiden Altvögel ausgerechnet diesen Platz im Lößnitzgrund zum Brüten ausgesucht haben, sorgte in den vergangenen Wochen für einige Aufregung.

Ende April informierte das städtische Kulturamt als Veranstalter der Karl-May-Festtage, dass von der Naturschutzbehörde um den Hohen Stein eine Schutzzone eingerichtet wurde. Der frühere Steinbruch, in dem in den vergangenen Jahren die indianischen Gäste des Festes ihre Tipis aufstellten und den rund 30 000 Besuchern traditionelle Tänze und Gesänge ihrer Stämme nahe brachten, steht damit in diesem Jahr nicht zur Verfügung.

Nur vier Wochen vor der Veranstaltung, die an diesem Wochenende stattfindet, mussten die Veranstalter daher einen möglichst gleichwertigen Ersatz finden. Dieser wurde nun an dem beim Fest als Waldlichtung „Kleine Feder“ bekannten Ort geschaffen. Dafür mussten einige Bäume gefällt und auch Totholz entfernt werden.

Doch der Aufwand hat sich offenbar gelohnt. Die beiden Mini-Falken sind in guter Verfassung. „Im Elbsandsteingebirge liegt der Durchschnitt bei drei ausgebrüteten Tieren“, sagt der 59-Jährige, der in den vielen Jahren seiner Tätigkeit schon über 1 000 Falken in den Händen hatte. Er vermutet, dass es die erste Brut des Wanderfalkenpaares war. Woher die beiden Altvögel kommen, kann er nicht sagen. Denn beide haben keine Ringe, die das verraten würden.

Ihren Nachwuchs stattet Ulrich Augst nun gleich mit jeweils zwei Markierungen aus. An das linke Bein kommt ein alufarbener Ring mit drei schwarzen Großbuchstaben. Das männliche bekommt VKE, das weibliche VKF. Diese ständig wechselnden Buchstabenkombinationen werden bei der Vogelschutzwarte Neschwitz registriert.

„Die Ringe lassen sich auch auf größere Entfernung mit einem Fernglas ablesen“, sagt der Naturschützer. Der zweite Ring verrät den Experten, in welcher Umgebung das Tier ausgebrütet wurde. In diesem Fall greift Ulrich Augst zu den Roten. Sie bedeuten Fels. Schlüpfte der Nachwuchs in einem Bauwerk, bekommt er einen gelben Ring, grün steht für Baum und schwarz schließlich für Nester auf Gittermasten.

Die Nester, so erklärt der Experte, bauen Wanderfalken übrigens nicht selbst. „Auf Felsen reicht ihnen meist etwas Erde, in die sie eine Kuhle scharren können.“ Am Hohen Stein haben sie ein altes Rabennest genutzt. Dessen Bewohner hatten bereits im Vorjahr für Aufregung bei den Festveranstaltern gesorgt. Um das Kolkrabenpaar nicht zu stören, war mit der Naturschutzbehörde vereinbart worden, den Veranstaltungsort nur vier Stunden täglich zu nutzen. Vier Tage vor den Karl-May-Festtagen waren die Tiere dann aber plötzlich verschwunden.

Ulrich Augst ist fertig mit dem Beringen und gibt dem Mann in der Wand das Zeichen, die wertvolle Fracht wieder nach oben ins Nest zu holen. In drei Wochen werden die Mini-Falken flügge sein und erste Flugversuche unternehmen. Vor dem Winter werden sie dann das Revier verlassen. Wie sehr sie dabei ihrem Namen alle Ehre machen, ist sehr verschieden. „Die größeren weiblichen Tiere legen für die genetische Durchmischung meist die weiteren Wege zurück.“ Ein von Ulrich Augst beringter Wanderfalke legte 1 240 Kilometer bis zur Atlantikküste zurück.

Dass ihre Eltern auch im nächsten Jahr wieder im Lößnitzgrund brüten werden, hält der Fachmann für sehr wahrscheinlich. „Die Alttiere sind sehr standorttreu.“ Allerdings muss es nicht unbedingt der Hohe Stein sein. „Wenn man ihnen in der Nachbarschaft eine attraktive Alternative mit einem kleinen Schutzdach anbietet, könnte es sein, dass sie diese nutzen.“