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Wanderfalken erobern Elbsandstein

Ab dem Frühjahr 1972 galt der Wanderfalke in der Sächsischen Schweiz als ausgestorben. Jetzt hört die Nationalparkverwaltung mit dem Beringen der Vögel auf - und hat einen sehr guten Grund dafür.

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© Mike Jäger

Von Gunnar Klehm

Sächsische Schweiz. Manchmal ist Ulrich Augst froh, dass er nicht mehr auf jeden Felsen klettern muss, schließlich werde man nicht jünger. Zu seinen Aufgaben als Mitarbeiter Artenschutz in der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz gehört auch das Beringen von Wildvögeln. Das erfolgt in der Regel bei den Jungvögeln, die noch nicht flügge sind. Um an diese heranzukommen, muss geklettert werden. Dabei bekommt Ulrich Augst Unterstützung von erfahrenen Kletterern. Sie seilen sich zu Gelegen ab, verfrachten die Jungvögel behutsam in einen Sack und bringen sie Augst zum Beringen im Gelände. Nach wenigen Minuten werden sie wieder in den Horst zurückgebracht.

Für diese Prozedur wird im Nationalpark aber kein Bedarf mehr gesehen. „Es war abzusehen, dass eine weitere Beringung keine wesentlichen neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse mehr erbringen würde“, erklärt Holm Felber, Pressesprecher der Landesdirektion Sachsen. Mit dem Verzicht auf das Beringen soll der Brut auch mehr Ruhe verschafft werden, „in dem schon ohnehin nicht störungsfreien Brutareal“, wie es von der übergeordneten Landesdirektion heißt. Das gilt auch für andere Wildvogelarten. Im Bielatal, außerhalb des Nationalparks, werden weiter Falken beringt, aber in reduziertem Maß.

Ab dem Frühjahr 1972 galt der Wanderfalke in der Sächsischen Schweiz als ausgestorben und das, obwohl die Felslandschaft als ideales Brutrevier gilt. Der unkontrollierte Pestizideinsatz in der Land- und Forstwirtschaft wurde als Ursache ausgemacht. 1989 begann ein Wiederansiedlungsprogramm, das äußerst erfolgreich war. 1992 siedelte sich das erste ausgewilderte Wanderfalkenpaar an. Über das Beringen der Vögel wurden Herkunft und Zugverhalten dokumentiert. Dadurch ist bekannt, dass hier Weibchen aus Mecklenburg und Schleswig-Holstein horsten, und dass Jungfalken aus der Sächsischen Schweiz in Hessen, Bayern, Thüringen, Tschechien und Frankreich gefunden wurden, wie es von der Nationalparkverwaltung heißt.

Seit 1992 ging die Population stetig aufwärts und hat sich stabilisiert. „In diesem Jahr haben wir 60 Altvögel gezählt und 42 Junge“, berichtet Vogelexperte Augst. Er geht davon aus, dass damit das Potenzial ausgereizt ist. Das Nahrungsangebot lasse gar nicht mehr zu. Diese Anzahl von Falken brauche täglich etwa 100 Vögel und Kleintiere, um satt zu werden.

Die Kletterer helfen nicht nur beim Beringen. Jedes Jahr opfern viele Berg- und Wanderfreunde freiwillig ihre Wochenenden und bewachen die Nistplätze. Obwohl die entsprechenden Felsen – dieses Jahr waren es 44 Kletterziele – mit Absperrbändern und Schildern markiert sind, ignorieren immer wieder Kletterer und Wanderer, dass die Wildvögel Ruhe brauchen, um erfolgreich den Nachwuchs großzuziehen. Die Horstwachen weisen dann persönlich auf die Betretungs- und Kletterverbote hin. Organisiert werden diese Einsätze unter anderem vom Sächsischen Bergsteigerbund (SBB). Deshalb ist die stabile Population der Wanderfalken auch ihr Erfolg. Trotz positiver Entwicklung dürfe beim Schutz aber nicht nachgelassen werden, heißt es.