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Von Prag über Usti nach Deutschland

Immer mehr Flüchtlinge kommen mit Zug und Bus aus Tschechien nach Deutschland.

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© dpa

Von Steffen Neumann

Usti n.L./Pirna. Sonnabend, 5.42 Uhr, am Hauptbahnhof Usti nad Labem. Der Euronight-Zug setzt sich in Bewegung. An der vorletzten Station auf tschechischem Staatsgebiet sind vorn und hinten Beamte der tschechischen Fremdenpolizei eingestiegen. „Wir kontrollieren derzeit jeden Tag“, bestätigt Milan Majer, der Chef der Fremdenpolizei. Grund ist der Flüchtlingsstrom, dem sich auch Tschechien inzwischen ausgesetzt sieht. „Seit November letzten Jahres sind die Zahlen deutlich gestiegen“, sagt Majer. „Die meisten von ihnen wollen weiter gen Norden nach Deutschland und Schweden.“ Tschechien hat die Kontrollen seit letzter Woche deutlich verstärkt und stellt sogar einen Einsatz der Armee in Aussicht.

Seit Jahresbeginn wurden in Tschechien 2 500 Migranten illegal aufgegriffen. Waren es im Januar noch Kosovaren, sind es nun vor allem Flüchtlinge aus Syrien, Pakistan, Afghanistan und dem Irak. Die meisten kommen inzwischen mit dem Bus oder Zug aus Österreich, der Slowakei und Ungarn nach Tschechien. Die Kontrolle im Euronight-Zug, der in Wien und Budapest startet und in Breclav zu einem Zug vereinigt wird, bestätigt das. In Decin, der letzten Station vor der sächsischen Grenze, führten die Beamten sieben Personen ohne gültige Papiere ab. Dass die illegale Migration nach Sachsen zunehmend über den öffentlichen Personenverkehr führt, bestätigt auch die Bundespolizei. „Bisher hatten wir es überwiegend mit Kleinschleusungen im Pkw zu tun. Doch der Anteil der Zug- und Bahnreisenden nimmt zu“, bestätigt Christian Meinhold, Sprecher der Bundespolizeidirektion Pirna.

Ihr Einzugsgebiet umfasst die Bundesländer Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen – eine fast 600 Kilometer lange Grenze zu Polen und Tschechien. Dort wurden 2014 knapp 3 300 unerlaubte Einreisen registriert, ein Anstieg um 40 Prozent. Für 2015 rechnet man mit einem Zuwachs um weitere 25 Prozent. Dabei kämen über diese Route nur fünf Prozent des gesamten Aufkommens nach Deutschland. Der Großteil wandert laut Meinhold in Bayern nach Deutschland ein.

Die Einwanderung mit Bus und Bahn erschwert der Bundespolizei ihr Hauptziel, Schleusern das Handwerk zu legen. „Die versehen die Flüchtlinge höchstens noch mit einem Pass und setzen sie in Zug oder Bus“, so Meinhold. Auch die Kontrollen während des G-7-Gipfels lassen die Bundespolizei nach Grenzkontrollen auch außerhalb solcher Anlässe rufen. „Wir brauchen, wenn ein klarer Verdacht besteht, die Möglichkeit, stichprobenartig kontrollieren zu können“, forderte Jörg Baumbach, Präsident der Bundespolizeidirektion Pirna. Er und Milan Majer setzen große Hoffnungen auf den neuen Polizeivertrag, der die Befugnisse im Grenzschutz deutlich erweitert.