Merken

Von Diamanten und Kieseln

Die Zabeltitzer Diamanten sind eine Rarität, mit der sich die sächsischen Kurfürsten schmückten. Was sind sie wert?

Teilen
Folgen
NEU!
© Klaus-Dieter Brühl

Von Susanne Plecher

Zabeltitz. Ein Pulk Menschen scharrt sich um Dr. Ulf Kempe, kramt in Hosentaschen, wühlt in Beuteln. Was die Zabeltitzer an diesem Dienstagabend in der Parkschänke ans Tageslicht befördern, sind wohl gehütete Schätze, die die eigenen Hände nur unter Argusblicken verlassen. „Ist das einer?“, fragen Alte und Junge, ein Pfiff durch die Zähne ist zu hören, ein „Oh, der sieht gut aus“, tönt aus anderer Richtung.

Ulf Kempe nimmt jeden ihm anvertrauten Schatz zwischen Daumen und Zeigefinger, prüft fachkundig Transparenz, Glanz, Gewicht. Nach reiflicher Überlegung bestätigt er: „Ja, das ist einer.“ Der Finder kann Freude und Stolz nicht verhehlen.

Nun weiß er sicher, dass er sich im Besitz eines der seltenen Steine befindet, die Zabeltitz im Namen tragen. Es sind die sogenannten Zabeltitzer Diamanten, die vor allem im 18. Jahrhundert sehr begehrt waren. Man fand sie auf den Feldern östlich des Ortes, meist schon auf Strogaer Flur, irgendwo zwischen Nasseböhla und den Torflöchern. Genaues ist nicht überliefert, und wer tatsächlich einen Zabeltitzer Diamanten aufgespürt hat, der bewahrt Stillschweigen. Man will weder Goldgräberstimmung verbreiten noch unliebsame Touristen mit Spaten und Spitzhacken anlocken. „Ich habe schon gemerkt, dass die Zabeltitzer mehr Kenntnisse über den Zabeltitzer Diamanten haben, als sie zugeben wollen“, sagt denn auch der Doktor. Der Mineraloge forscht und lehrt an der TU Bergakademie Freiberg. Er hat sich intensiv mit den besonderen Steinen befasst, hat Schliff und Einschlüsse untersucht, sie mit Elektronen beschossen und mit Laserstrahlen geprüft. Nach Zabeltitz kam er, um mit Dietmar Enge vom Förderverein „Heimatpflege Röderaue“ e.V. über die milchig weißen Edelsteine zu referieren.

Zu dem Wissen, das die Dorfbevölkerung über die Kiesel hat, gehört, dass es sich nicht um echte Diamanten handelt. „Die bestehen aus reinem Kohlenstoff, haben den größten bekannten natürlichen Härtegrad und brennen“, bestätigt der Experte. Die Zabeltitzer Diamanten hingegen sind Bergkristalle, im besten Fall wasserklar. Es sind Quarze aus Siliziumdioxid, die durch glaziale Ablagerungen in die Gegend gekommen sind. „Hier hat es unter Umständen Gletscherzungen gegeben, die die Gerölle vor sich hergeschoben haben, abschmolzen und Halden hinterließen“, erklärt Kempe.

Sie stammen vermutlich aus Pegmatiten, also magmatischen Gesteinen, die mit den Eiszeiten aus dem Norden herantransportiert wurden. Vor allem in den Schotterplatten vor den Endmoränengebieten sind ähnliche Steine entdeckt worden. Dass das Eis sie hierher gebracht hat, erklärt ihre meist rundliche, abgeschliffene Form. Es finden sich gelegentlich auch andere Edelsteinkiesel auf den Feldern rings um Zabeltitz: Achate, Jaspis, verkieseltes Holz sind nachgewiesen worden.

Was sagt das nun über den Wert der vermeintlichen Diamanten aus? „Ob sie wertvoll sind, ist nicht eindeutig zu beantworten“, so Kempe. Früher sind die „in hiesigen Landen gewachsenen edlen Steine“, wie Johann Abraham Schneider sie bezeichnete, sehr wohl von Wert gewesen. Der Meißner Goldschmied höchstselbst hat mindestens 927 davon geschliffen und als Diamant-Imitat in die Aufzäumung eines Reitpferdes für Kurfürst Johann Georg IV eingesetzt. Um 1694 ist das edle Reitzeug entstanden, später schmückte es das Pferd August des Starken, als er zur Krönung in Warschau einritt.

Auch Prinz Xaver und Prinzessin Elisabeth ließen sich viele Schmuckstücke aus den Kieseln fertigen. Stockknaufe, Dosen, Ohrgehänge, Schuhschnallen und Tabakdosen waren darunter, wie Dietmar Enge durch das Studium der Rechnungsbücher herausfand. 1773 ist darin etwa ein Halsband mit Zabeltitzer Steinen für 11 Thaler vermerkt, ein beträchtliches Sümmchen. Ab dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts konnten Bergkristalle vergleichsweise preiswert aus Übersee importiert werden. Damit verkamen die Zabeltitzer Diamanten zu reinen Schmucksteinen und verloren ihren Wert – zumindest ihren ökonomischen. Den ideellen haben sie behalten.