Merken

Vom eigenen Anwalt hintergangen

Der Freitaler Unternehmer Jürgen Göhler klagte Geld von einem Auftraggeber ein. Doch das kam nie bei ihm an.

Teilen
Folgen
NEU!
© Karl-Ludwig Oberthür

Von Tobias Winzer

Die Sache, um die es Jürgen Göhler geht, füllt mittlerweile einen ganzen Aktenordner. Der Unternehmer blättert zwischen den Seiten und muss immer wieder mit dem Kopf schütteln. „Es geht nicht darum, meine eigenen Interessen durchzusetzen. Ich verstehe nicht, dass Recht und Ordnung so schleppend durchgesetzt werden“, sagt der 65-Jährige.

Als damaliger Mitinhaber der Freitaler Sicherheitsfirma Göhler & Hultsch hatte er 2013 einen Auftrag als Subunternehmer angenommen. Als das Geld dafür nicht vollständig kam, klagte er gegen seinen Auftraggeber. Doch obwohl Göhler den Prozess gewann, kam das Geld nie bei ihm an – weil sein Anwalt das Geld nicht an ihn weiterleitete.

Doch von vorn: Bei dem Auftrag, den die Firma Göhler & Hultsch damals für den Hauptauftragnehmer übernimmt, handelt es sich um die Installation von Brandmelde-, Video- und anderen Sicherheitsanlagen. 801 Euro sind aus der Schlussrechnung noch offen. Als das Geld nicht kommt, nimmt er sich einen Anwalt als juristischen Beistand und geht vor Gericht. Am 30. Juli 2014 wird das verklagte Unternehmen verurteilt. Die ausstehende Summe wird auf ein Konto des Rechtsanwalts überwiesen, das dieser eigentlich nur treuhänderisch verwaltet. „Die Weiterleitung des Geldes an Göhler & Hultsch ist ausgeblieben“, sagt Göhler.

Über Monate rennt er dem Geld hinterher, wie er erzählt. Etliche Protokolle in dem Aktenordner halten die Inhalte von Telefongesprächen mit dem Anwalt fest. Er habe bestätigt, dass das Geld eingegangen sei, sagt Göhler. Der Anwalt habe versichert, die Summe bereits an Göhlers Unternehmen überwiesen zu haben. Bei anderen Telefonaten hieß es, dass die Überweisung unverzüglich nachgeholt werde.

„Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte“, sagt Göhler. „Ich wollte keinen Rechtsstreit mit einem Rechtsanwalt.“ Die 801 Euro seien das nicht wert. „Aber so etwas darf in einem Rechtsstaat nicht passieren.“ Göhler wendet sich an die Rechtsanwaltskammer, wo man ihm rät, Anzeige zu erstatten. Er folgt dem Rat.

Am 6. Juni 2016 bekommt Göhler Post von der Staatsanwaltschaft. Das Verfahren sei eingeleitet.

Dann hört Göhler lange Zeit nichts, bis es heißt, dass am 2. Juni 2017 eine Verhandlung am Amtsgericht in Dippoldiswalde angesetzt ist. Wenige Tage vorher bekommt Göhler jedoch ein Schreiben, dass die Verhandlung wieder aufgehoben wurde. „Wir wussten nicht, warum“, sagt der Freitaler. Er erfährt lediglich, dass die Akte mit dem Fall wieder bei der Staatsanwaltschaft liegt.

Göhler macht das misstrauisch. Er versteht nicht, warum sich das Verfahren derart in die Länge zieht. „Ich behaupte nicht, dass wir im Recht sind. Aber es kann doch nicht sein, dass das Gericht nicht entscheidet. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Alles ist nachprüfbar.“

Anfragen der Sächsischen Zeitung bei der Staatsanwaltschaft und beim Amtsgericht bringen Licht ins Dunkel. Demnach haben sich Gericht, Staatsanwaltschaft und der Verteidiger des Anwalts vor der Gerichtsverhandlung auf die Erlassung eines sogenannten Strafbefehls verständigt. Damit entfiel die Hauptverhandlung. Dem Anwalt, dem neben dem Göhler-Fall laut Amtsgericht noch ein weiterer Fall der Untreue vorgeworfen worden war, wurde zu einer Geldstrafe von 3 000 Euro verurteilt.

„Das Verfahren ist rechtskräftig beim Amtsgericht Dippoldiswalde abgeschlossen“, teilt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Lorenz Haase, mit. Offenbar ist es nicht üblich, die Opfer einer Straftat über das Ergebnis des Verfahrens zu informieren. „Soweit hier bekannt, unterrichten Gerichte Geschädigte nicht über den Ausgang des Verfahrens“, so Haase. Deswegen bekam Göhler keine Informationen vom Amtsgericht dazu.

Die unterschlagenen 801 Euro sind übrigens immer noch nicht bei dem Freitaler Unternehmen. Den Anspruch müsste es auf dem Zivilrechtsweg geltend machen, so die Staatsanwaltschaft. Ob man diesen Schritt gehen will, weiß Göhler noch nicht. „Die Summe ist ja eigentlich Nebensache“, sagt er. Falls das Geld aber doch noch fließt, soll es für einen guten Zweck gespendet werden.

Der Anwalt arbeitet unterdessen nicht mehr als solcher. Wie die sächsische Rechtsanwaltskammer bestätigt, hat er im Juni sein Ausscheiden aus der Anwaltschaft mitgeteilt. Möglicherweise ist er damit auch einem Verfahren vor dem Anwaltsgericht zuvorgekommen. Dieses kann straffällige Anwälte beispielsweise zu Geldstrafen, zu befristeten Tätigkeitsverboten oder gar zum Ausschluss aus der Anwaltschaft verurteilen.

Zu dem Fall Göhler hat die SZ einen umfassenden Fragenkatalog an den Anwalt gesendet. Er hat sich nicht dazu geäußert.