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Vier Vorschläge gegen den Ärztemangel

Der Bautzener Klinikchef Reiner E. Rogowski sieht die medizinische Versorgung im Landkreis gefährdet – und will neue Wege gehen.

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© Steffen Unger

Von Sebastian Kositz

Bautzen. Der Zustand ist kritisch, aber nicht hoffnungslos. Zu dieser Diagnose gelangt der Geschäftsführer der Oberlausitz-Kliniken, Reiner E. Rogowski. Gerade hat er das Aus der Geburtenstation im Bischofswerdaer Krankenhaus verkünden müssen – weil ihm schlichtweg Mediziner fehlen. Dahinter steckt eine Entwicklung, die aus seiner Sicht das Gesundheitssystem in Ostsachsen infrage stellt. Schon jetzt gebe es massive Probleme bei der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, sagt der Klinikchef – der zugleich aber Vorschläge unterbreitet, um die Herausforderungen anzupacken.

Die Situation: In Ostsachsen fehlen schon jetzt die Hausärzte

Der Klinikchef hat für die beiden Landkreise Bautzen und Görlitz akribisch Daten zu den niedergelassenen Hausärzten zusammengetragen. Aktuell praktizieren in beiden Landkreisen noch etwa 370 Hausärzte oder niedergelassene Internisten. Aber: Bereits jetzt tun sich auf der Landkarte weiße Flecken auf. Im Landkreis Bautzen gab es im Jahr 2015 in den Gemeinden Wiednitz, Neukirch bei Kamenz, Rammenau, Ohorn, Nebelschütz, Räckelwitz und Guttau bereits gar keine Hausärzte mehr. Zudem gibt es Städte und Gemeinden, in denen sich die verbliebenen Mediziner um sehr viele Patienten kümmern müssen. Besonders im Gebiet in und um Hoyerswerda sowie Kamenz würden Hausärzte dringend gesucht. In den Kreisen Bautzen und Görlitz seien fast 40 Hausarztpraxen nicht besetzt.

Die Prognose: Überalterung der Ärzte wird Problem verschärfen

Schon jetzt, so erklärt Reiner E. Rogowski, ist die Ärzteschaft in der Region drastisch überaltert. „Ich weiß von einem Hals-, Nasen-, Ohrenarzt, der praktiziert mit 75 Jahren immer noch“, sagt der Fachmann. Viele Ärzte stünden kurz vor der Rente oder hätten längst in den Ruhestand gehen können. Bis 2025 werden deshalb mindestens ein halbes Dutzend weitere Gemeinden ohne Hausarzt dastehen, wenn sich keine geeigneten Nachfolger für die Praxen finden. Das beträfe nach den im Jahr 2015 erhobenen Daten etwa Gemeinden wie Demnitz-Thumitz oder Crostwitz, aber auch Arnsdorf oder Laußnitz. In den allermeisten anderen Städten und Gemeinden droht das Angebot in jedem Fall knapper zu werden.

Vorschlag 1: Rettungswachen als Anlaufstelle für Patienten

Im Kreis Bautzen gibt es ein enges Netz an Rettungswachen. Insgesamt sind es 15, verteilt in der gesamten Region. Faktisch hat jede größere Gemeinde im Landkreis eine eigene Rettungswache. Aus Sicht von Reiner E. Rogowski seien die gerade an Wochenenden und Feiertagen als erste Anlaufstellen für Patienten denkbar. „Dort haben wir ausgebildete Ersthelfer, außerdem sind Rettungsmittel vor Ort“, sagt der Experte. Die Mitarbeiter in den Wachen seien beispielsweise in der Lage, ein EKG anzulegen. Die Einsatzkräfte könnten darüber hinaus qualifiziert oder per Videotelefonie durch Mediziner unterstützt werden.

Vorschlag 2: Ausbau der dezentralen Versorgungszentren

Schon jetzt betreiben die Oberlausitz-Kliniken in Ostsachsen 14 Medizinische Versorgungszentren – nach dem Prinzip der früheren Ambulatorien. Dort praktizieren unter einem Dach verschiedene Ärzte: Allgemeinmediziner, Chirurgen, Kinder- oder Augenärzte. Die Zentren gibt es unter anderem bereits in Hoyerswerda, Bautzen, Bischofswerda und Kamenz, aber auch in Göda und Kirschau. Die Nachfrage in den Gemeinden nach diesen Einrichtungen sei groß, wie Reiner E. Rogowski erklärt. Bereits bis Ende 2018 sollen deshalb drei weitere Zentren eröffnen, im Jahr darauf peilt der Klinikchef insgesamt 19 dieser Einrichtungen an. Jedoch müssen dafür zunächst auch ausreichend Ärzte gefunden werden.

Die Versorgungszentren sind allerdings nicht unumstritten. Kritiker beklagen, dass sich die Oberlausitz-Kliniken so Patienten und Standorte sichert. Deren Chef widerspricht dem jedoch: Es gehe um den Erhalt der ärztlichen Versorgung auf dem Land.

Vorschlag 3: Ärzte und Patienten müssen mobiler werden

Gerade kleinere Orte in dünner besiedelten Ecken sind für junge Ärzte oft nicht attraktiv, glaubt Reiner E. Rogowski. Deshalb sei es dort besonders schwierig, schon bestehende oder neue Versorgungslücken zu schließen. Allerdings könnten Ärzte aus Nachbarorten zumindest stundenweise Sprechstunden anbieten, in eigens dafür eingerichteten Räumlichkeiten. „Die betroffenen Gemeinden zeigen daran großes Interesse“, erklärt Reiner E. Rogowski. Aus rechtlichen Gründen sei das bislang aber nicht möglich. Hier müsse der Gesetzgeber die entsprechenden Bedingungen schaffen. Umgekehrt gebe es aber auch die Alternative eines „fahrenden Wartezimmers“ – indem Patienten etwa in einem Taxi in eine weiter entfernte Praxis gebracht werden.

Vorschlag 4: Stärkere Nutzung der Telemedizin

Nicht immer ist die Anwesenheit eines Arztes vor Ort nötig, sagt der Geschäftsführer der Oberlausitz-Kliniken. Zumindest ein Teil der medizinischen Versorgung könnte auch über die sogenannte Telemedizin bewerkstelligt werden. Ein Beispiel dafür sei die Videosprechstunde, bei der Patient und Arzt über Bildschirm und Kamera miteinander sprechen. Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist die Überwachung der Körperdaten von Risikopatienten. Reiner E. Rogowski will deshalb die Kliniken zu einem telemedizinischen Zentrum in der Oberlausitz ausbauen. Um die modernen Technologien zu nutzen, müssten aber auch in diesem Bereich zunächst noch etliche rechtliche Fragen geklärt werden. Und: In der Region braucht es flächendeckend schnelle Internetleitungen, um die Menschen überhaupt erreichen zu können.