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Viel zu viele Männer

Die Süddeutsche Zeitung widmet Glaubitz eine große Geschichte. Angeblich würden der sächsischen Gemeinde die Frauen weglaufen. Doch die Lokalreportage der Münchner Zeitung hat mehrere Haken.

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© Screenshot/SZ

Von Eric Weser

Glaubitz. Lutz Thiemig will am liebsten gar nicht mehr über das Thema reden. Seit die Süddeutsche Zeitung am Freitag einen langen Text über seine Gemeinde veröffentlicht hat, erreichen ihn Nachrichten und Anrufe. Völlig dazu schweigen mag der parteilose Glaubitzer Bürgermeister dann aber auch nicht. „Es braucht sich keiner drüber wundern, wenn sie in Dresden auf die Straße gehen und ‚Lügenpresse‘ rufen“, sagt Thiemig.

Es sind scharfe Worte für die Reportage der Süddeutsche-Autorin Julia Niemann. „Das Dorf, dem die Frauen weglaufen“, ist das Porträt überschrieben. Glaubitz hat die Autorin gewählt, weil das Dorf „einer der männlichsten Orte Deutschlands“ sei, mit einem großen Überschuss, gerade an jungen Männern. Glaubitz sei dabei nur ein Stellvertreter für ein Problem, das ganz Europa betreffe: Landflucht.

Mit dem Bild, das die Süddeutsche von Glaubitz zeichnet, ist man vor Ort allerdings so gar nicht einverstanden. Dass die 2 000 Einwohner „meist in grauen Einfamilienhäusern“ leben sollen, das stößt nicht nur Bürgermeister Lutz Thiemig auf. Mehrere Fotos flankieren den Report. Jeweils zu sehen: einsame Männer. Mal umgeben von kargen Wänden und den Resten eines Abendbrots mit Bierflasche und Dosenwurst, mal von Hühnern und Gänsen. Allerdings stammen alle Aufnahmen laut Bildbeschriftung aus einem Fotoband – aus Glaubitz wohl keins.

Im Text lässt die Autorin derweil vor allem Männer aus Glaubitz zu Wort kommen. Mittzwanziger bis Mittfünfziger, die von Pegida-Besuchen und Schwierigkeiten bei der Partnerinnensuche erzählen. Manche von ihnen „verbringen ihre Tage noch in ihrem alten Kinderzimmer“, heißt es. Aus Sicht des Bürgermeisters zeichnet der Artikel vom Ort ein völlig verkehrtes Bild – ein viel zu negatives. Schließlich gebe es in Glaubitz viel junges Leben, das Dorf verzeichne sogar Einwohnerzuwachs. Die neuen Eigenheimgebiete seien so gut wie voll. „Wir sind die einzige Gemeinde, wo es Anträge auf Wohnbaustandorte gibt, die wir nicht befriedigen können“, sagt er.

Aus Sicht von Lutz Thiemig steht die Argumentation der Autorin auf tönernen Füßen. Denn der hohe Männerüberschuss in Glaubitz resultiert dem Bürgermeister zufolge daraus, dass die JVA Zeithain auf Glaubitzer Gemeindegebiet liegt. Von den fast 400 Insassen seien mehr als 200 mit Hauptwohnsitz Glaubitz gemeldet, hat der Bürgermeister in der Meldestatistik herausgefunden, sagt er. Das verzerre die Zahlen enorm. Zum Vergleich: Laut Statistischem Landesamt kommen bei der Altersgruppe der 18- bis 35-Jährigen in Glaubitz auf die gut 400 Männer nicht mal 100 Frauen.

Die Süddeutsche-Reporterin schreibt, sie habe ihren Text nach „eineinhalb Jahren und vielen Besuchen in Glaubitz“ geschrieben. Mit ihm habe sie in dieser Zeit allerdings nicht gesprochen, sagt Bürgermeister Lutz Thiemig. „Ich wusste aber, dass jemand im Ort unterwegs ist.“ Seiner Meinung nach soll der Text lediglich eine vorgefertigte These belegen. „Nach dem Motto, das ist das letzte Kaff, und das ist kein Wunder, dass die Frauen dort wegrennen“, echauffiert sich Thiemig, der keine solche Frauen-Flucht beobachtet hat.

Fragen der Sächsischen Zeitung zu dem Glaubitz-Report ließ die Redaktion der Süddeutschen am Montag unbeantwortet.